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Animiertes erzählen

Kathrin Halter
18. März 2018

Patricia Wenger arbeitet an der HSLU an ihrem Abschlussfilm für den Master in Animation. Wie sie beim Sudeln auf Ideen kommt. Und weshalb sie lieber auf Papier entwirft.

In einer Hand hält er die Weinflasche, in der anderen die Zigarette, doch so leger die Haltung, so schwer wiegt der Kopf. Dieser liegt daneben auf der Parkbank, er gehört einem zweiten Vagabunden. Eine andere Skizze zeigt zwei ältere Damen beim Rotweintrinken, eine dritte dieselben als Mädchen, diesmal Hand in Hand im Wasser. Es sind fein umrissene, leicht skurrile Figuren in warmen Farben, die wir aus dem fünfminütigen, noch unfertigen Zeichentrickfilm von Patricia Wenger zu sehen bekommen. «Nacre» soll er heissen, Perlmutter oder perlmuttfarben. Mehrfarbig schillernd und belastbar also, das sind Eigenschaften, die die Animatorin auch mit der Freundschaft assoziiert, dem Thema ihres Abschlussfilms. Seit September 2016 arbeitet sie daran, damals entstanden die ersten Entwürfe. Im Sommer macht Patricia Wenger den Master in Animation, dann soll auch «Nacre» fertig sein. Es gibt noch viel zu tun.

Entwerfen, nachzeichnen, standardisieren

Die gebürtige Baslerin, Jahrgang 1993, arbeitet mit Kollegen der Abteilung Kunst in einem grossen hellen Saal im Bau 745 der Viscosi­stadt. Soeben hat sie das «Animatic», eine auf dem Storyboard basierende, noch lückenhafte Demonstrationsversion des Films also, fertiggestellt. Jemand vom Koproduzenten SRF war kürzlich für die Abnahme da. Nun kann geht es zügig weitergehen.

Ihre Figuren hat Patricia Wenger auf Papier entworfen. Sie arbeitet lieber von Hand, wenn sie Figuren und Formen entwickelt. So geht es bei ihr auch schneller: Bis am Computer ein Bild fertig gezeichnet ist, hat sie auf Papier zwanzig Skizzen entworfen – und beim «Sudeln» mehr Ideen gefunden als in der digitalen Reinschrift. Durch die Möglichkeiten am Computer, die schier unendliche Auswahl an Farben etwa, droht sie sich, auch in einer Art Zwang zur Perfektion, in der Detailarbeit und im endlosen Verbessern zu verlieren. Mit Hilfe von Filzstiften hat Wenger die Farbpalette schlussendlich auf etwa zehn Farben reduziert.

Trotzdem hat sie ihre Zeichnungen für die Animation nicht etwa eingescannt, sondern am Computer nachgezeichnet. Für die Weiter­ entwicklung von Figuren und Szenen hat sie zudem ein paar Videos gedreht: Von Freunden auf dem Sofa zum Beispiel, um genauer zu sehen, wie jemand dasitzt, der nichts zu tun hat.

Momentan zeichnet Wenger an den Schlüsselbildern oder «Keyframes», Einzel­ bildern also, die einen Bewegungsablauf vor­ geben und die später von ihren drei Mitarbeitern mit Zwischenbildern («Inbetweens») ergänzt werden. Ebenfalls als Vorlage für die Mitarbeiter dienen die «Model Sheets», die von Figuren hergestellt werden, um die Darstellung von Gesichtern und Posen samt einer präzisen Auflistung von Farben und Zeichenutensilien zu standardisieren. Dass der Arbeitsaufwand so gross ist, liegt auch an den vielen Figuren, bei «Nacre» sind es zwölf. Die Musik wird von Joachim Flüeler, einem Master­Studenten der ZHdK beigesteuert, mit dem Wenger seit Oktober zusammenarbeitet.

Vor dem Sprung in die Arbeitswelt

In Luzern gibt es relativ wenig Master­ Studenten in Animation; in diesem Semester sind es vier. Weshalb wollte Patricia Wenger nach dem Bachelor­Abschluss noch weiter­ studieren? Sie brauchte noch mehr Zeit, sagt sie, und wollte zudem selbständig arbeiten, selbständiger jedenfalls als im Bachelor­ Studium, wo die Studierenden vor allem in Gruppe arbeiten und ein streng getaktetes Unterrichtsprogramm absolvieren. Der Master bereitet auch gut auf die Arbeitswelt vor, da man für den Abschlussfilm (im Unterschied zum Bachelor­Studium) ja Koproduzenten suchen muss und mit Hilfe einer Produktionsfirma die ganze Finanzierung durchspielt. Für «Nacre» konnte Wenger das YK Animation Studio in Bern gewinnen, Produzent Ramon Schoch also und drei weitere Animatoren/Produzenten, die alle einst selber an der HSLU studiert haben. Nun ist «Nacre», mit Fördergeldern von SRF, vom BAK und aus Basel finanziert. Weiter mag sie noch nicht denken, es gilt nochmals abzutauchen. Die Parallelwelt wartet.

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