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Der Nachwuchs in Winterthur

Teresa Vena
19. November 2022

Still aus «dazwischen» von Anaïs Bourgogne © Internationale Kurzfilmtage Winterthur

Am 10. November 2022 fand im Rahmen der diesjährigen Ausgabe der Internationalen Kurzfilmtage Winterthur schon zum 15. Mal der Filmschulentag statt. 

In vier Programmblöcken wurden insgesamt 14 Kurzfilme präsentiert, die an vier der Schweizer Filmschulen, nämlich der HEAD, ECAL, HSLU und der ZHdK, entstanden sind. Ziel der Übung ist es, dass die Autoren und Autorinnen der Filme sich zum ersten Mal mit der Öffentlichkeit auseinandersetzen und eine erste Rückmeldung von internationalen Filmschaffenden und Akteuren der internationalen Kinolandschaft erhalten. Im Idealfall geben die Juroren ihre Einschätzung zum Auswertungspotential der Filme oder sind selbst an einer Zusammenarbeit mit den Machern und Macherinnen interessiert.

Nach der Vorführung des jeweiligen Films auf der grossen Leinwand wurden die Autoren und Autorinnen also auf die Bühne gebeten, wo sie sich die Rückmeldung der Jury abholen konnten. Die Jury bestand in diesem Jahr aus dem Schweizer Filmemacher Elie Grappe («Olga»), dem Filmkurator und Schnittmeister aus Norwegen Bard Ydén und der argentinischen Verleiherin María Vera. Das Trio ist auch als Jury für den Schweizer Wettbewerb berufen worden. 

Die Art der Rückmeldungen zu den Filmen war unterschiedlich. Es kam zu viel Lob, es wurden einige weiterführende Fragen zu Technik und Konzeptentwicklung gestellt und zum Teil Dinge, wie eine holprige oder lose Figurenkonstellation, ein kohärentes, wenn auch sehr dominantes Ton- und Klangkonzept oder die Wahl von Schwarz-Weiss bei der Herstellung einer Animation thematisiert. 

In einem Punkt zeigte sich die Stärke der Veranstaltung besonders. Im Eifer des Gefechts fingen der Regisseur und die Regisseurin der besagten Animation an, sich in einer zwar ehrlichen, oder vielmehr der eigenen Bescheidenheit geschuldeten, aber missverständlichen Argumentation zu verlieren. Jurorin María Vera wies ganz richtig darauf hin, worauf es bei der Selbstpromotion ankomme, und ermutigte sie zu mehr Selbstbewusstsein. Damit erhielten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen einen wertvollen Hinweis für ihre zukünftigen Projektpräsentation, «Pitchings». Auch die Tatsache, dass die Gespräche auf Englisch stattfanden, war mit Sicherheit eine gute Übung für die Anwesenden - auch wenn eine international um sich greifende Normierung durch die unkritische Verwendung des Englischen als lingua franca bedenklich ist.

Ein Film des Filmschulentags wurde zum Abschluss von der Jury als Gewinner auserkoren. Das ist der Schwarz-weiss-Dokumentarfilm «O falecido / The Deceased» von Philipp Veiga Amaro, der an der HSLU entstanden ist. Der Film erhielt ein Preisgeld von 5,000 CHF und wird im nächsten Jahr auf Play Suisse gezeigt werden. Das ist ein erster Karriereschritt für den Film.

Um verschiedene Blickwinkel auf die Initiative des Filmschulentags zu erhalten, haben wir einerseits Sven Wälti, Leiter Film bei der SRG SSR, offiziellen Partner des Filmschulentags, der durch den Tag in Winterthur moderierte, sowie einer anwesenden Filmemacherin ein paar Fragen gestellt.

 

 

Fragen an Sven Wälti, Leiter Film SRG SSR.

Wie findet die Auswahl der vorgeführten Projekte statt?

Die Film werden von den Filmschulen ausgewählt.
 
Sie betreuen den Filmschulentag bei den Internationalen Kurzfilmtagen in Winterthur seit mehreren Jahren. Welche markante Entwicklungen konnten Sie in dieser Zeit feststellen? 

Die anwesenden Regisseure und Regisseurinnen sind immer besser vorbereitet auf die Feedbacks der drei Jury-Mitglieder und freuen sich auf diesen Austausch, auch untereinander. Und auch die Auswahl der Filme wie die Programmierung. Die jeweiligen Sessions sind gemischt nach Genre und Filmschulen, früher gab einen Block für jede Filmschule.
 
Gibt es Aufzeichnungen über etwaige spätere Erfolge der Filme oder der Filmemacher und Filmemacherinnen, die auf den Filmschulentag zurückzuführen sind? 

Im letzten Jahr gewann Coline Confort den Preis mit ihrem Film «Imperial», der nun auch auf Play Suisse, der Streamingplattform der SRG, zu sehen ist. Wir haben Coline Confort dem Festival in Locarno vorgeschlagen, am BaseCamp teilnehmen zu dürfen, und sie hat ihre Präsenz am Festival genutzt, einen neuen Film zu machen, der dieses Jahr sogar im Schweizer Wettbewerb der Kurzfilmtage läuft. Und sie hat auch ihren ersten längeren Dokumentarfilm realisiert, dank unserer Kooperation ist auch ARTE als Koproduzentin eingestiegen.
 

 

Fragen an Anaïs Bourgogne, Regisseurin des kurzen Dokumentarfilms «dazwischen», Schweiz, 2022, 17'38'', entstanden an der HSLU. 

Was hattest du von dem Filmschulentag erwartet? Inwiefern haben sich diese Erwartungen bestätigt oder zerschlagen? 

Da ich den Filmschulentag in den Vorjahren bereits mehrere Male besucht hatte, wusste ich ungefähr was auf mich zukommen würde. Daher wurden meine Erwartungen mehr oder weniger bestätigt. Ich hatte mich auf kritische Fragen vorbereitet, und war froh, dass das Feedback mehrheitlich positiv ausfiel. Es war spannend zu hören, was die Jury über die Filme dachte. Ich hatte mir jedoch ein wenig mehr offene Fragen der Jury an die Regiepersonen erhofft, um mehr über die Entstehung der anderen Filme zu erfahren. Besonders erfreulich waren all die schönen Rückmeldungen von Menschen, die nach dem Screening auf mich zukamen.

Die Jury hat deinen Film grundsätzlich gelobt. Eine der Juroren meinte, er sei klassisch im Aufbau, der Film sei etwas didaktisch. Was haben die Kommentare bei dir ausgelöst? Was bedeutet das für dich? Würdest du beim nächsten Projekt diesbezüglich auf diesen Punkt eingehen?

Die Rückmeldung, dass der Film im Aufbau eher klassisch ist und es dadurch auch zu Wiederholungen kommt, kann ich nachvollziehen. Da die Entstehung des Films eher prozessorientiert war und viele Entscheidungen im Schnitt getroffen wurden, hatten Taina, meine Cutterin, und ich viel ausprobiert. Schlussendlich war dieser Aufbau für uns die beste Möglichkeit alle Themen und Szenen zusammenzubringen. Die Kommentare haben also eine Reflexion über den Entstehungsprozess und Entscheidungen, die dabei gefallen sind, ausgelöst. Ich denke, dass ich den klassischen Aufbau auch in einem nächsten Projekt wählen würde, solange ich es nicht aus Bequemlichkeit mache, sondern weil ich mich aktiv dafür entscheide.

Gab es die Gelegenheit, nach der öffentlichen Vorführung weiter mit den Juroren zu sprechen? Ergaben sich Gespräche mit den anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Filmschulentags?

Nach der Preisverleihung sprach ich kurz mit der Jury, aber nicht über den Film oder das Feedback. Das wäre jedoch sicher möglich gewesen, wenn ich das gewollt hätte. 
Es entstanden viele spannende Gespräche mit anderen Teilnehmenden. Wir sprachen über die Filme und stellten uns gegenseitig Fragen. Diesen Austausch schätze ich sehr an solchen Anlässen.

Ist eine Analyse der Kommentare der Juroren mit einem Betreuer oder einer Betreuerin der Schule geplant? Wirst du das selbst anstreben? 

Ich tauschte mich am Filmschulentag mit einigen meiner Dozierenden aus. Weil die Kritik und das Lob für mich nachvollziehbar waren, ist keine ausgiebigere Analyse geplant.

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