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Weltumrundung eines polyglotten Schweizers

Laurine Chiarini
22. September 2023

amer Ruggli präsentiert seinen Erstling «Retour en Alexandrie» am ZFF vor. ©Tipimages Productions

Für seinen ersten Spielfilm hat Regisseur Tamer Ruggli sich von den Frauen in seiner Familie inspirieren lassen. Jetzt stellt er ihn auf dem Zurich Film Festival vor.

Eins haben Zaire und Saudi-Arabien, wo er gelebt hat, und Biel, wo er heute lebt, gemeinsam: die erstickende Augusthitze in diesem Jahr. Tamer Ruggli schöpft seine Inspiration aus der  Geschichte seiner Familie und genauer die der Frauen darin. Seine Mutter ist Ägypterin, sein Vater Deutschschweizer, beide haben für Swissair gearbeitet. Das Hin und Her zwischen den Ländern war nicht immer leicht, aber er nahm es spielerisch und sah das Bereichernde daran. Kunst hat ihn schon früh interessiert,  die Leidenschaft fürs Kino wächst erst mit der Zeit heran. Dem Visuellen kommt dabei als Schlüssel zu einer ganz eigenen erzählerischen Welt eine besondere Bedeutung zu. Die Kunstform Film umfasst sämtliche seiner Vorlieben: Zeichnen, Mode, Fotografie und Musik. Aus einer Schwäche für Disney-Trickfilme  entwickelt sich eine Passion für die grosse Leinwand.

Schon als Heranwachsender entscheidet er sich für die künstlerische Ausrichtung des Liceo Artistico in Zürich. Um näher an der Westschweiz zu sein, besucht er danach die ECAL. Dort fühlt er sich gut aufgehoben, mit seinen Filmen legte er den Grundstein für ein eigenes Netzwerk. Trotz intensiver Auseinandersetzung mit allen Aspekten des Filmschaffens wird ihm irgendwann klar, wie wichtig es ist, die erworbenen Kenntnisse im Ausland zu vertiefen. 2015 belegt er für zwei Monate Schreibkurse an der New York Film Academy. In den USA, dem Land der Geschichten, ist jede einzelne es wert, erzählt zu werden. Seine Vorliebe gilt Initiationsgeschichten, «coming of age», und zwar ohne Altersbeschränkung. Sich selbst suchen, zu den Ursprüngen zurückgehen, sein inneres Kind finden, das sind die Themen, die ihn beschäftigen.

 

Ein ehrgeiziges Projekt

Sein Kurzfilm «Cappuccino» wurde  auf rund 15 internationalen Festivals gezeigt. Der Film war Finalist beim «Iris Prize», dem britischen LGBTQ+ Filmfestival, das als Vorstufe für die BAFTA gehandelt wird. Der Film erzählt die Geschichte von Jérémie, einem schüchternen Jugendlichen, der sich zwischen seiner Schwärmerei für den düsteren Damien und den Extravaganzen einer komplizierten Mutter bewegt. Für den Filmemacher sind solche Festivals vor allem eine Visitenkarte für den internationalen Markt.  Durch sie lernt man die Welt kennen und knüpft Kontakte zu Menschen aus der Branche. Die Schweizer Schauspielerin Manuela Biedermann war in vier seiner bislang fünf Filme vertreten. Für Tamer Ruggli ist es eine Herzensangelegenheit, seinen Anfängen treu zu bleiben.

«Hazel», sein letzter Kurzfilm, erschien 2012. Darin geht es um einen Jugendlichen, der sich heimlich zu Jungen hingezogen fühlt, während seine am Rand des Nervenzusammenbruchs agierende Mutter die Gestalt des Vaters auf Familienfotos mit Tipp-Ex zu überdecken, versucht. Inzwischen arbeitet Ruggli seit fast zehn Jahren an «Retour en Alexandrie», seinem ersten langen Spielfilm, der Anfang 2024 in die Kinos kommen soll. Ein Teil der Inspiration dafür stammt aus seinem eigenen Leben, insbesondere dem Einfluss der Frauen seiner ägyptischen Familie in all ihrer übersteigerten Weiblichkeit. Es handelt sich um ein Familienporträt mit selbstreflexiven Zügen, das seine Zeit zum Reifen brauchte. Je internationaler die Beteiligung ausfiel, desto ehrgeiziger wurde es. Der majoritär schweizerische Film ist in Koproduktion mit Frankreich entstanden und von Ägypten und Katar kofinanziert, er erhielt 2016 einen Entwicklungszuschuss der Société Suisse des Auteurs.

Auch die Finanzierung beanspruchte Zeit. Für den Filmemacher besteht die Stärke eines Produzenten in seiner Beharrlichkeit, der Fähigkeit, zuzuhören und an einem Film festhalten zu können. Das sind alles Eigenschaften, die er bei seinen Produzenten von Tipi’mages Productions in Genf gefunden hat. In Ägypten zu drehen, war eine Herausforderung: Es ging darum, einen magischen und nostalgischen Aspekt des Landes zu vermitteln, ohne in Stereotype zu verfallen. Erzählt wird die Geschichte einer Frau, die nach Alexandria zurückkehrt, um ihre Mutter zu treffen, die Besetzung bringt Nadine Labaki und Fanny Ardant zusammen, die «perfekte Verkörperung der orientalischen Frau». Die Dreharbeiten dauerten fünf Wochen in Ägypten und eine Woche in der Schweiz. Tamer Ruggli freut sich, dass sein Film beim Zurich Film Festival gezeigt wird, da seine Familie  dort lebt. Derzeit arbeitet er an zwei weiteren Projekten: einem in Ägypten und einem in der Schweiz. Es sei denn, die Geschichte nimmt mal wieder ihre eigenen Wege.

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