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Der Ständerat bleibt bei «4 Prozent»

Kathrin Halter
08. Juni 2021

Thibault Penin / Unsplash

Der Ständerat hat sich klar für eine Investitionspflicht in der Höhe von 4% («Lex Netflix») ausgesprochen. Der Gesetzesvorschlag geht nun in den Nationalrat. Zuvor lobbyierte Netflix in einem Brief an die Ständeräte für eine Reduktion der Pflicht auf max. 2 Prozent – und informierte gleichzeitig über ihre erste Schweizer Koproduktion «Early Birds».

«Wir begrüssen, dass eine deutliche Mehrheit des Ständerats für gleich lange Spiesse für die heimische Filmindustrie sorgen will», sagt Barbara Miller, Präsidentin ARF/FDS Verband Filmregie und Drehbuch Schweiz in einer Medienmitteilung zum Entscheid. Auch Heinz Dill, Präsident SFP Schweizerischer Verband der Filmproduzenten, ist überzeugt: «Die vom Bundesrat vorgeschlagene Investitionspflicht würde die Branche dabei unterstützen, sich der internationalen Konkurrenz zu stellen und vermehrt auch Produktionen zu exportieren. Und das erst noch ohne Steuergelder, sondern dank international üblichen Verpflichtungen.»

Die vom Bundesrat vorgeschlagenen 4% sind dabei im internationalen Vergleich nicht hoch, aber für die ganze Schweizer Filmbranche enorm wichtig: «Wenn die Nachbarländer bedeutsame Investitionsverpflichtungen kennen, die Schweiz aber nicht, dann sind wir Schweizer Filmschaffenden benachteiligt und werden im Prozess teils von Beginn an vergessen», so Elena Pedrazzoli, Co-Präsidentin GARP Gruppe Autoren, Regie, Produktion. «Gerade für Serien sind wir auf internationale Koproduktionen angewiesen - diese lassen sich oft nicht alleinig mit Schweizer Budgets stemmen», fügt Jean-Marc Fröhle, Filmproduzent und Co-Präsident der IG unabhängige Schweizer Filmproduzenten, in der Medienmitteilung an.

Der Gesetzesvorschlag geht nun als nächstes in den Nationalrat, der sich im Herbst 2020 noch für eine deutliche Abschwächung und eine Investitionspflicht von lediglich 1% ausgesprochen hatte. Die Schweizer Filmschaffenden fordern, dass sich nun auch die Nationalrätinnen und Nationalräte auf die Absicht des Gesetzes rückbesinnen und dafür sorgen, dass das Schweizer Filmschaffen nicht benachteiligt wird. 

 

Erste Schweizer Netflix-Koproduktion

Zu reden gibt auch das Lobbying von Netflix. Der Streaming-Gigant kündigte vor zwei Wochen in einer gemeinsamen Mitteilung mit Hugofilm und CH Media Entertainment an, erstmals einen Film in der Schweiz produzieren zu wollen. Es handelt sich dabei um «Early Birds», ein Neo-Noir-Thriller, der in Zusammenarbeit mit Hugofilm und CH Media Entertainment realisiert wird. Für das Drehbuch zeichnen Mathieu Seiler und Thomas Ritter («Private Banking») verantwortlich. Über die Regie und Darsteller ist bis jetzt nichts gekannt. Die Dreharbeiten sollen Ende 2021/Anfang 2022 in der Schweiz beginnen. «Early Birds» wird Ende 2022 in Schweizer Kinos Premiere feiern; die weltweite Auswertung auf Netflix erfolgt voraussichtlich ab 2023. In der Schweiz wird «Early Birds» zeitgleich auf oneplus, dem neuen Schweizer Streaming-Dienst von CH Media, verfügbar sein. Dieser wird im im 4. Quartal 2021 lanciert.

Der Zeitpunkt der Ankündigung sorgt dabei für Irritation: Wie es in einem Bericht von SRF heisst, erschien die Mitteilung kurz vor der Debatte im Ständerat über die Revision des Filmgesetzes. Am 28. Mai verschickte Netflix zudem einen Brief an Schweizer Ständeräte, worin Netflix für eine Reduktion der Investitionspflicht auf maximal ein oder zwei Prozent des Gesamtumsatzes wirbt, vier Prozent seien im internationalen Vergleich stark überhöht und damit unverhältnismässig und führe zu einer Verzerrung im Wettbewerb.

Im SRF-Artikel bestreitet Netflix den Zusammenhang des Filmprojekts mit der politischen Debatte. Die Vorbereitungen für «Early Birds» liefen bereits seit 2019 mit dem deutschen Produzenten und seit Sommer 2020 auch mit Hugofilm.

Den Zusammenhang stellt Netflix im Brief allerdings selber her. Dort heisst es wörtlich: «Die heute verkündete, seit langem vorbereitete Kooperation  zeigt, dass es für solche Projekte in erster Linie nicht Regulierung, sondern überzeugende Projekte und Parter braucht – wir wir sie hier gefunden haben.» Eine Regulierung, die die eine Markseite jedoch zu Investitionen verpflichte, ohne sicherzustellen, dass auf der anderen Marktseite auch hinreichend attraktive Projekte angeboten würden, führe zu einer Verzerrung im Wettbewerb.

Christof Neracher von Hugofilm betont im SRF-Artikel derweil die grosse Chance, die das Projekt für die Filmbranche der Schweiz bedeute. Im Clinch steckt letztlich die ganze Branche: Zwar  lobbyiert Netflix gegen die Interessen der Produzentinnen, bleibt aber jener interessante Partner, mit dem viele zusammenarbeiten möchte. Das Lobbying gegen 4 Prozent hat Netflix jedoch vorerst nichts genutzt, da der Ständerat bei einer Investitionspflicht von 4 Prozent bleiben will.

Das Ringen geht weiter.

 

Offener Brief an das BAK: «Die meisten Forderungen wurden nicht berücksichtigt»

Von Jean-Marc Fröhle, Rajko Jazbec (IG Produzenten) – Barbara Miller, Roland Hurschler (ARF/FDS) – Elena Pedrazzoli, Jacob Berger (GARP) – Heinz Dill, Ivan Madeo (SFP)
11 Februar 2021

Neue Hoffung auf «4 Prozent»

Medienmitteilung WBK
03 Februar 2021

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