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Swan lanciert die MeeToo-Debatte in der Schweiz

Luisa Tschannen
29. März 2022

Im Dokumentarfilm «The Case You» wirkt auch die Schweizerin Aileen Lakatos mit ©Lenn Lamster

Die #metoowall_switzerland ist eine von SWAN intiiierte Plattform für die Schweizer Filmbranche, um dort öffentlich und anonym über Erfahrungen von sexueller Belästigung sprechen zu können, seien es sexistische Kommentare oder sogar Fälle von sexuellen Übergriffen.

In der griechischen Mythologie verwandelt sich der Gott Zeus in einen Schwan, der die schöne Leda verführt - oder sie zum Sex zwingt, die Interpretationen des Mythos sind sich diesbezüglich uneinig. In der Schweizer Filmbranche steht SWAN für das „Swiss Women’s Audiovisual Network“, ein Verein für Gleichstellung und Diversität der Gender in der Filmbranche. Im Jahr 2019 initiierten die damaligen Vorstandsmitglieder ein Projekt, um gegen sexuelle Belästigungen und Übergriffe in der Schweizer Filmindustrie vorzugehen. SWAN waren seit 2017 verschiedene Vorfälle bekannt, woraufhin sie beschlossen, eine Plattform zu schaffen:

Am 19. März nun lancierte SWAN im Rahmen des Podiums «Changing the Power Dynamics» im Kino Kosmos Zürich die «#MeTooWall_Schweiz». Diese macht es möglich, per Instagram-Post Vorfälle von sexueller Belästigung in der Schweizer Filmbranche anonym publik zu machen. Solche Erfahrungen zu dokumentieren sei auch wichtig, um der Behauptung entgegenzuwirken, dass es so etwas in der Schweiz nicht gäbe, so Ana Castañosa, ad interim Co-Präsidentin von SWAN.

Als Vorbild für die #MeTooWall_Schweiz dienen tumblr-Seiten wie Shit people say to women directors oder Paye Ton Tournage sowie Instagram-Accounts wie SwissMediaToo. Die Zeugenberichte werden durch eine verschlüsselte Website anonym an SWAN gesendet und von der Moderatorin Agota Lavoyer, Expertin für sexuelle Gewalt, geprüft sowie anonymisiert veröffentlicht. Detaillierte Informationen zum Vorgehen finden sich auf der Website von SWAN.    

SWAN erstellte in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen auch eine Liste von Adressen, an welche sich Betroffene wenden könnten, um bei sexueller Belästigung oder gar Übergriffen am Arbeitsplatz Unterstützung zu bekommen.

 

Wenn Nacktheit gefordert wird – intime Momente am Set

Ana Castañosa und Agota Lavoyer erläuterten bei einem Gespräch die Situation am Filmset und worauf zu achten sei, wenn intime Szenen gedreht würden.

 Ana Castañosa betont die Rolle der Intimacy Manager am Set. Sollen intime Szenen gedreht werden, so sei ein:e Intimacy Manager:in am Drehort empfohlen. Die Schauspieler:innen könnten so dabei unterstützt werden, die eigenen Grenzen zu kommunizieren, anstatt den Machtdynamiken am Set ausgeliefert zu sein, sagt Castañosa. Oft sei es nämlich ein Problem, dass Schauspieler:innen für ihre Rolle alles zu geben bereit seien, um den Ansprüchen von Regisseur:innen gerecht zu werden. Doch dies könne auch ausgenützt werden. Frauen seien in einer verletzlichen Position gegenüber Regisseuren und Produzenten, so Ana Castañosa weiter. Die ad-interim Präsidentin von SWAN sagte weiter zur Arbeitssituation am Filmset, dass «nicht offenherzig genug zu sein für die künstlerische Arbeit» ein Vorwurf sei, den Betroffene oft zu hören bekämen.

 

Zivilcourage

Zuschauen und nichts sagen, das ist etwas, was Agota Lavoyer verurteilt. Die Expertin für sexuelle Gewalt, welche für das Projekt #MeTooWall_Schweiz die Beiträge anonymisiert und überprüft, plädiert dafür, dass alle am Filmset reagieren sollen, wenn sie sexuelle Belästigung oder gar einen Übergriff mitbekämen. Für Aussenstehende sei es nämlich viel einfacher zu reagieren als für die Betroffenen selbst. Sie rät, dass unbeteiligte Zuschauer:innen sich an eine Drittperson, wie zum Beispiel an die oder den Produzenten:in oder Intimicy Manager:in, wenden sollten. Wenn unbeteiligte Dritte Vorfälle von sexueller Belästigung einfach ignorieren würden, so werde dem Opfer auch suggeriert, dass es gar kein Problem gebe, so die Expertin weiter.

«Man traut ja seiner Wahrnehmung sowieso nicht immer. Es ist etwas, womit man als Frau aufwächst, zu denken: Ach hör auf, sei nicht kompliziert. Er hat es nicht so gemeint.» (Agota Lavoyer)

Wenn man in eine Situation von sexueller Belästigung gerate, so könne es sein, dass man erstarre und nicht mehr wisse, wie zu reagieren sei. Deswegen sei es wichtig, dass Drittpersonen eingreifen. All das zeigt auch der Dokumentarfilm «The Case You», welcher anlässlich des Podiums im Kino Kosmos gezeigt wurde.

 

«The Case You»

Der Film «The Case You» reflektiert die Geschehnisse bei einem Casting aus Sicht von sechs betroffenen Schauspielerinnen. Diese wurden am Casting dazu aufgefordert, sich nackt auszuziehen, ebenfalls wurden sie an ihren Geschlechtsteilen berührt. Sechs jungen Schauspielerinnen schlossen sich danach zusammen und erhoben Anklage gegen den Schweizer Regisseur, ein Urteil eines Schweizer Bezirksgerichts wird im April erwartet. Der Film «The Case You» von der Regisseurin und Betroffenen Alison Kuhn läuft derzeit in deutschen Kinos. 

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