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Ein Nährboden für Geniestreiche

Valentina Zingg, Geschäftsleiterin Pro Short
02. November 2021

«René» (2007) von Tobias Nölle. Läuft im Grossen Fokus an den Winterthurer Kurzfilmtagen

Was den Kurzfilm interessant macht, ästhetisch, ökonomisch und politisch gesehen. Und weshalb er in der Schweiz zu wenig ernst genommen wird. Es braucht mehr Einsatz für das kurze Format! Ein Plädoyer. 

Zu Beginn des Kinos waren alle Filme Kurzfilme. Nun, mehr als 125 Jahre nach der revolutionären Erfindung des bewegten Bildes, sollte der Kurzfilm wieder als Standard gelten, den es zu zelebrieren gilt.

Der durch seine Kürze definierte Kurzfilm ist ästhetisch besonders interessant, zuweilen gar avantgardistisch. Wohl wegen der im Vergleich zum Langfilm günstigeren Herstellungsbedingungen wird das Format von ganz verschiedenen FilmemacherInnen gewählt – auch von etablierten. Da der Kurzfilm ökonomisch unabhängiger ist als sein langes Pendant, trauen sich FilmemacherInnen mehr, ja dürfen sich mehr trauen. Denn auch Produktionsfirmen sind eher bereit, Experimente zu wagen, wenn sich der finanzielle Schaden bei einem allfälligen Flop in Grenzen hält; alles in allem ein Nährboden für Geniestreiche. 

Auch politisch sind Kurzfilme relevant: Wegen ihrer kurzen Produktionszeit vermögen sie am gesellschaftlichen Wandel mitzuwirken und nicht erst – wie es häufig beim Langfilm der Fall ist – darauf zurückzublicken. Als Versuche, die auch mal scheitern dürfen, positionieren sich Kurzfilme am Puls der Zeit. Interessanterweise sind gerade Schweizer Kurzfilme international überdurchschnittlich erfolgreich; so waren sie in den letzten Jahren regelmässig an den grössten und prestigeträchtigsten Festivals wie der Berlinale, in Cannes und Venedig vertreten.

 

Abbau der Kurzfilmförderung

Doch gerade in der Schweiz wird der Kurzfilm oft noch nicht als eigenständige Kunstform anerkannt oder als weiter nichts als eine Hobbyübung von SchulabgängerInnen und EinsteigerInnen abgetan. Wegen dieser verzerrten Wahrnehmung des Kurzfilms als Quantité négligeable werden die Produktion und die Auswertung von Kurzfilmen immer unattraktiver. Wichtige Instrumente der Kurzfilmförderung wurden in den letzten Jahren abgebaut: Die Streichung der Referenzmittel «Succès Passage Antenne» sowie «Succès Artistique» im Pacte de l'audiovisuel sind Beispiele dafür. Seit der Streichung der Succès Cinema-Gelder vor 10 Jahren ist der Vertrieb im Kino zusätzlich erschwert, zumal dieser viele Kosten, aber nun keine Einnahmen mehr generiert. Auch mit der Produktion von sehr erfolgreichen Kurzfilmen lassen sich verhältnismässig wenig Referenzmittel gewinnen, da die Succès Festival-Punkte lange nur 10 Prozent dessen einbrachten, was bei denselben Festivalteilnahmen für Langfilme gesprochen wird. Zwar konnte dies dank dem Einsatz von Pro Short in der diesjährigen Kulturbotschaft auf 15 Prozente angehoben werden, allerdings bleibt hier eine grosse Diskrepanz. Ausserdem gibt es kaum Möglichkeiten, um Entwicklungs- und Postproduktionsfördermittel zu beantragen. Ein verstärkter Einsatz für das kurze Format ist eine unabdingbare Voraussetzung, dass die Erfolge in Zukunft nicht ausbleiben. 

 

Winterthur rückt das eigene Land in den Fokus  

Die ästhetische Eigenständigkeit und Vielfalt des kurzen Formats locken jährlich ein breites Publikum an Filmfestivals. Ausserhalb der Festivalszene gibt es hingegen kaum Möglichkeiten, Kurzfilme zu erleben. Umso wichtiger sind die Internationalen Kurzfilmtage Winterthur als wichtigstes Kurzfilmfestival der Schweiz. In der Jubiläumsausgabe im November (25 Jahre!) rückt es das eigene Land in den Fokus: La Suisse n’existe pas führt in acht thematischen Programmen durch die bewegte Kurzfilmgeschichte der Schweiz und zeigt auf, dass eine gemeinsame Schweizer Identität nur schwer einzugrenzen ist. Die zwei Epochen des «alten» und «neuen» Schweizer Films prägen die Schweizer Filmgeschichte, die Grenze bildet die 68er Generation. Der «alte» Schweizer Film wurde von langen Heimatfilmen mit tradierter Ästhetik dominiert. Ab 1930 aber beschritten gerade kurze Auftragsfilme neue stilistische Wege, worin das Kurationsteam auch den Anfang des international sehr erfolgreichen Schweizer (Kurz-)dokumentarfilmschaffens sieht; das Programm Zu Diensten? schaut genauer hin.  In aller Kürze lässt sich festhalten: 

 

Le court-métrage suisse existe!

 

 

▶  Originaltext: Deutsch

L.A. Connection (virtuell)

Anne-Claire Adet
02 November 2021

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