MENU Schliessen

Artikel

Sehen, wie es andere machen


12. November 2014

Pascaline Sordet ist eine der zehn Nachwuchs­kritike­rinnen, die letztes Jahr an der Critics Academy teilnahmen. Wie die Westschweizerin das Förderprogramm erlebt hat.

Von Kathrin Halter

Die Atmosphäre unter den Critics und den Mentoren sei sehr angenehm gewesen, sagt sie, «chouette». Man habe viel Zeit zusammen verbracht, auch beim Essen oder am Abend. Dass die Critics Academy trotzdem nichts mit einem etwas anderen Ferienprogramm mit vielen Kinobesuchen und Seeanstoss zu tun hat, hört man Pascaline Sordet schon am Tonfall an: Motiviert, wach und reflektiert spricht die siebenundzwanzigjährige Westschweizerin über die letztjährige Erfahrung, und man merkt, dass sie Ambitionen und Lust auf mehr hat.

Ergiebig waren für Sordet zum einen die Gespräche mit Stéphane Gobbo, dem Kulturredaktor des Westschweizer Wochenmagazins L'Hebdo und ihr wichtigster Mentor. Von ihm habe sie viel über Arbeitsweisen im (Film-)Journalismus erfahren, überhaupt über die Arbeit in einer Zeitschrift oder die Position der Kritiker in der Branche. Ebenso interessant fand sie dann die Vergleiche mit der Arbeitsweise «internationaler» Kritiker wie Eric Kohn von Indiewire oder Autoren der Branchenzeitschrift Variety. An Kohns Texten ist ihr das Direkte, Zupackende aufgefallen, auch eine Entspanntheit und Freiheit im Umgang mit filmischen Themen: Sie habe jedenfalls den Eindruck, dass sich anglophone Kritiker etwas weniger ernst nähmen als etwa französischsprachigen, ihre Texte auch persönlicher seien.

Aufschlussreich fand sie auch Begegnungen mit - internationalen - Press Agents, Verlegern und Redakteuren sowie mit Programmdirektoren von Festivals, Verleihern und anderen Teilnehmern der Summer Academy.

 

Meist Männer um die Fünfzig

Was das ­– von den Mentoren kritisch begleitete – Schreiben von Texten anbelangt, gab es für Sordet vielleicht etwas weniger zu lernen als für andere. Sordet hatte vor der Academy nämlich schon eine journalistische Ausbildung (am Centre de Formation au Journalisme et aux médias in Lausanne) abgeschlossen sowie einige Schreiberfahrung (im Newsjournalismus bei Le Matin, im Filmjournalismus fürs Migros Kulturprozent sowie für Profile). Zuvor wurde sie an der HEAD zur Filmemacherin ausgebildet. In Locarno konnte sie dann trotzdem noch für sie neue Textsorten ausprobieren: Berichte über Pressekonferenzen etwa oder zwei Beiträge in Englisch für Indiewire. 

Hat ihr die Academy aber auch konkret geholfen, bei der Suche nach Aufträgen oder einer Perspektive als Filmjournalistin? Und will sie das überhaupt?

Die Erfahrung habe ihr jedenfalls Vertrauen gegeben, dass sie als Journalistin arbeiten könne und wolle. Nach der Academy hat Sordet noch ein Philosophie-Studium angefangen; fürs Schreiben als Freischaffende bleibt ihr gegenwärtig etwa ein Tag pro Woche. Danach möchte sie als Freelance-Journalistin arbeiten und sich dabei «diversifizieren», wie sie sagt, auch als Autorin für Festivals zum Beispiel.

Allerdings macht sie sich keine übertriebenen Hoffnungen: In der Romandie gäbe es nur wenig Orte zum Schreiben über Film; wenige Redaktoren müssen fast alles selber schreiben.

Ihr ist auch aufgefallen, dass die meisten Kritiker Männern um die Fünfzig sind – in Westschweizer Zeitungen gäbe es jedenfalls nur sehr wenige Frauen. Immerhin schreibt sie jetzt regelmässig auf cineman.ch, auch wenn die Texte dort eher kurz und die Bezahlung nicht gerade gut ist (Stefan Gubser, bis Juni 2015 Chefredaktor von cineman.ch, ist einer der Mentoren der Academy). So kommen wir denn auch darauf, was an der Academy noch verbessert werden könnte: Es wäre gut, wenn die Jungen noch mehr Redaktoren aus der Schweiz treffen könnten.

 

 

Interessieren Sie sich für den Schweizer Film?

Abonnieren Sie!

Tarife