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L.A. Connection (virtuell)

Anne-Claire Adet
02. November 2021

Émilie Joly © zvg

Émilie Joly stammt aus Nyon, doch erst seit ihrem Umzug an die Westküste der USA mischt sie die Welt der virtuellen Realität auf: Es ist ihr gelungen, unter Hunderten in Los Angeles aus dem Boden geschossenen Studios ihre eigene Marke durchzusetzen. Émilie Joly ist Geschäftsführerin und Mitbegründerin von Apelab (vor kurzem in Zoe Immersive umbenannt), der kalifornischsten unter den Schweizer Softwarefirmen. Das Projekt ist aus der leicht verrückten Idee dreier StudentInnen an der Genfer HEAD entstanden: Émilie Joly (Geschäftsführerin), Maria Beltran (Leiterin Produktgestaltung) und Sylvain Joly (Leiter der Grafikabteilung).

Auf die Frage nach den Ursprüngen ihrer Leidenschaft für Informatik hat Émilie Joly eine humorvolle Antwort parat: «Mit zehn hat mir mein Vater einen Computer geschenkt, es ist alles seine Schuld!» Aus Begeisterung fürs Theater und für Videospiele begann sie an der Universität von Lausanne ein Filmstudium, wechselte dann aber bald zur Genfer HEAD, wo sie ihren Bachelor in Kommunikation und ihren Master in Media Design machte: «Ich hatte Lust auf was Konkretes und deswegen verschiedene Dinge ausprobiert, Kunstinstallationen, aber auch Design». 

 

Aufbau einer US-Dependence

So richtig klick machte es aber erst, als die ersten iPhones auf den Markt kamen. Als junge Künstlerin galt ihr Approach von Anfang an der kreativen Nutzung der Geräte. «Ich fing an, mich für 3D zu interessieren, dann für Computergrafik und schliesslich fürs Programmieren, denn ohne Programmierkenntnisse kannst du nichts Neues schaffen». Sie interessiert sich auch für die das Verknüpfen von Technologie und Storytelling. Eines ihrer ersten, im Zuge von Sylvain Jolys Diplomarbeit an der HEAD entwickelten Projekte nutzt den Bewegungssensor des iPhones für den Entwurf einer immersiven Erzählung. «Ohne es so richtig zu realisieren, hatten wir die erste Bewegtbildgeschichte im 360-Grad-Radius entworfen. Wir posteten dann ein in unserem Wohnzimmer in Gland entstandenes Video im Internet. Und obwohl das Ganze zunächst nur ein Hochschulprojekt war, nahm plötzlich ein Journalist Kontakt mit uns auf, und es erschien ein Artikel in Wired. Wir wussten gar nicht recht, wie uns geschah!»

Aus dem Prototypen – IDNA – entwickelte sich das 2016 für das Sundance Festival ausgewählte Projekt «Sequenced». Mit Unterstützung durch Pro Helvetia konnten sie in die USA reisen und ihr Projekt auf Konferenzen vorstellen. Die Begegnung mit der amerikanischen Industrie für Game Design war die Initialzündung für den Aufbau einer US-Dependance von Apelab ab 2016. «Es gibt nicht viele Schweizer Videospielfirmen, die lange durchhalten, wenn sie allein von der Schweiz aus agieren. Investorengelder zu aquirieren ist in den Staaten viel leichter». Also verbringt sie sechs Monate im Jahr bei Onkel Sam, wo auch ihre Familie zum Teil herstammt. Seit zwei Jahren haben Sylvain und sie dort ihren ständigen Wohnsitz, während Maria Beltran zuhause den Schweizer Zweig betreut. 

 

VR allen zugänglich machen

Wie sind die Aufgaben unter den drei GründerInnen verteilt? «Wir haben gleiches Stimmrecht, aber als Geschäftsführerin bin ich es, die sich um Business und Kapitalbeschaffung kümmert. Ausgebildet bin ich dafür nicht, ich musste lernen, wie man betriebswirtschaftlich denkt, Verträge aushandelt, das Projekt auf Konferenzen vertritt. Das Impro-Theater hat mir dabei geholfen!» Ist es möglich, sich in der noch immer männerbeherrschten Welt von Unternehmertum und Technik durchzusetzen? «Anfangs habe ich mir die Frage gar nicht gestellt, auch wenn ich oft die einzige Frau war. Echt lachen musste ich, als mir einer erklären wollte, wie ein Computer funktioniert. Nicht so lustig ist es natürlich, wenn es schwer wird, Geld aufzutreiben, wenn man dich einfach nicht deinen Job machen lässt». Heute verzeichnet das Unternehmen mehr Investorinnen als Investoren.

Eines der Ziele von Émilie Joly ist es, virtuelle Realität jedem zugänglich zu machen. Das neue Vorzeigeprojekt des Unternehmens ist die Zoe-Software, ein visuelles Programmierwerkzeug, das ursprünglich für Schulen entwickelt wurde und die Möglichkeit bietet, VR-Projekte zu erstellen, ohne den Code beherrschen zu müssen. «Es bringt die Kids dazu, in nur wenigen Tagen immersive Erlebnisse zu kreieren», schwärmt sie.

«Jedes Projekt dient der Verbesserung der Werkzeuge. Im Grunde erzählen wir einfach gerne Geschichten, aber die Technologie entwickelt sich schnell und eröffnet dem Erzählen neue Wege. Es sind diese Möglichkeiten, die die Inspiration für ganz neuartige Geschichten liefern». Wie die früheren Projekte des Trios wurde auch «Die Legende von Kami» für das GIFF ausgewählt. Es wurde vollständig mit dem Zoe-Tool realisiert und erhielt die zum ersten Mal vergebene Förderung für Innovation und neues digitales Schreiben von Cinéforom und der SRG. «Die Legende von Kami» ist eine Öko-Geschichte für mehrere Spieler, die VR und Smartphone zusammenbringt und dazu aufruft, eine vom Aussterben bedrohte Welt zu retten. «Kami ist eine Chance zu zeigen, was andere mit dem Zoe-Tool machen könnten. Die Möglichkeiten sind immens: Ein Psychologe nutzt es für ein Patienten-Training». Émilie Joly ist überzeugt: «VR ist the future of learning».

 

▶  Originaltext: Französisch

 

 

 

 

 

 

 

«La Légende de Kami»

«La Légende de Kami» von Emilie Joly,
Sylvain Joly und Maria Beltran

 

Animation und VR für 3 bis 5 Spieler 

Section Highlights

zu sehen im VR Museum und bei Kids Corner

Salle des Assemblées, Genf

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