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Banges Warten auf die Gäste

Kathrin Halter
23. Juli 2020

Auch das Xenix-Open-Air in Zürich hat dieses Jahr anders gestuhlt. © K. Halter

Nach der Wiederöffnung Anfang Juni bleiben viele Kinosäle leer. Und die Branche wartet – immer noch – auf Hilfe der Kantone.

Die Ernüchterung ist gross. Wochenlang hat man die Wiedereröffnung der Kinos herbeigesehnt, sich ein Stück Normalität nach dem Lockdown gewünscht. Doch die anfängliche Euphorie der ersten zwei Kinowochen mit guten Besucherzahlen ist schnell verflogen: Viele Säle bleiben inzwischen leer oder sind miserabel besucht. ProCinema hat die Zahlen dazu: Um 70-80 Prozent ist der Umsatz im vergangenen Monat im Jahresvergleich eingebrochen. Generalsekretär René Gerber bezeichnet die Situation als dramatisch, die Appelle von Kinobetreibern klingen zusehends verzweifelt: So zeigte sich Frank Braun von der Neugass Kino AG in einem 10vor10-Beitrag (vom 6. Juli) in einem verwaisten Riffraff-Kino und sprach Klartext: Ohne Entschädigung können viele von der Coronakrise gebeutelte Betriebe nicht mehr lange durchhalten. Es drohen Schliessungen.

Dabei sind, das vergisst man manchmal, noch gar nicht alle Kinos offen. Laut René Gerber sind es – schweizweit gesehen – mittlerweile 79 Prozent der Säle, davon 86 Prozent in der Deutschschweiz, 71 Prozent in der Romandie und nur gerade 4 Prozent im Tessin. Die Gründe für diese Differenzen zwischen den Sprachregionen liegen in der Abhängigkeit der Branche von den Filmstarts respektive von der Kinosituation im benachbarten Ausland. (So sind wieder mehr Kinos in der Romandie offen, seit der Filmnachschub aus dem Nachbarland gewährleistet ist usw.) Das Tessin wiederum ist ein Spezialfall: Dort machen die Kinos, vom Filmfestival Locarno abgesehen, jeweils lange Sommerpausen.


Gründe für den schwachen Start

Warum aber meiden die Leute die Säle? Das ist zum einen dem schönen Wetter und den beginnenden Ferien geschuldet; vermutlich fühlen sich mögliche Besucher trotz Schutzkonzept auch nicht ganz wohl, seit von einer zweiten Welle die Rede ist.

Wichtiger aber dürfte das reduzierte Angebot sein. Schaut man sich zum Beispiel das Kinoprogramm in der Woche vom 2. bis 9. Juli in der Stadt Zürich an, findet man immerhin acht Premieren; normalerweise sind es dort wöchentlich zehn bis zwölf. Doch es fehlen die zugkräftigen Titel. Dafür gibt es viele Reprisen, zum Beispiel ältere Filme von Christopher Nolan, die offenbar auf den mehrmals verschobenen Start seines neuen Films «Tenet» hinwegtrösten sollen, hinzu kommen Restarts wie «Little Women» oder von Schweizer Filmen wie «Mare» (Andrea Staka), «Moskau einfach!» (Micha Lewinski) oder «Jagdzeit» (Sabine Boss). Um Betriebskosten zu sparen, öffnen die Pathé-Gruppe und einzelne weitere Kinos teilweise erst am Wochenende. Die Kitag wiederum überträgt auch live Fussballspiele.

Nun hoffen viele Kinobetreiber auf eine – nachträglich gewährte – Mietzinsreduktion auf 60 Prozent der Gewerbemieten für die ­Periode des Lockdown. Der Bundesrat arbeitet gegenwärtig den Gesetzes­entwurf aus, nachdem National- wie Ständerat beschlossen haben, die Vermieter zu einer Mietzinssenkung zu zwingen. Über das Gesetz wird allerdings vermutlich erst in der Wintersession abgestimmt.


Fehlende Ausfallentschädigungen

Wichtiger noch wären Ausfallentschädigungen. Darauf wartet die Branche seit über zwei Monaten: Laut René Gerber haben die Kinobetriebe, von wenigen Einzelfällen abgesehen, bis jetzt kein Geld erhalten. Ein Problem liegt darin, dass die zuständigen Kantone die Gesuche sehr unterschiedlich und zudem oft restriktiv behandeln. Offenbar gelten gewinnorientierte Kinobetriebe nur in wenigen Kantonen als unterstützungswürdig. Oder aber der politische Prozess verzögert die Schadensbegrenzung, wie in Zürich, dem Kanton mit der Zentrumslast des Landes, wo sich rund 20 Prozent der Unterstützung suchenden Kulturbetriebe im Land befinden. So kann die Fachstelle Kultur vom Kanton Zürich Gesuche um Ausfallentschädigungen erst seit dem Entscheid des Kantonsrats von Anfang Juli behandeln – das sind über sechs Wochen nach der Eingabefrist, wie Beat Käslin, Geschäftsführer der Zürcher Arthouse-Gruppe, feststellt. Immerhin können Betriebe in Zürich ein zweites Gesuch stellen, für die Zeit nach der Wiedereröffnung bis am 20. September. Und in allen Kantonen können Kinobetreiber wie Verleiher weiterhin Kurzarbeitsentschädigungen beziehen; die mögliche Bezugsdauer wurde eben von zwölf auf achtzehn Monate verlängert.

Vielleicht ist im Oktober die schlimmste Krise ja tatsächlich ausgestanden: Dann, wenn Filmnachschub kommt, Publikumsrenner locken und Festivals wie das ZFF etwas Aufbruchsstimmung verbreiten. So lange können allerdings nicht alle Betriebe warten – weil ihnen schon vorher das Geld ausgeht.

▶  Originaltext: Deutsch

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