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Was läuft hier schief?


28. Februar 2017

Ich bin Drehbuchautor. Ich kann nicht rechnen. Das ist wohl der Grund, weshalb ich so lange nicht kapiert habe, was in der Schweizer Filmförderung schief läuft. Dabei steht alles geschrieben. Auf der Website des Bundesamtes für Kultur. Die Zahlen sind ganz einfach zu lesen. (Etwas weniger einfach ist es allerdings, die Zahlen zu lesen und dabei nicht laut zu schreien). Ich spreche von der Drehbuch­förderung. 

In Hollywood geht man davon aus, dass von 100 geschrieben Drehbüchern 10 Filme gedreht werden. Und daraus gibt es mit etwas Glück einen Hit. Diese Faustregel macht Sinn. Wer die besten Filme machen will, muss die besten Drehbücher auswählen. Und um auswählen zu können, braucht es eben eine Auswahl. Weniger gelungene Bücher wandern in den Papierkorb. Und auch die Bücher im Papierkorb müssen vorher geschrieben werden. So ist das in Hollywood. 

Hier ist es andersrum: 2015 wurden vom BAK gut doppelt so viele Herstellungs­beiträge gesprochen wie Drehbuchförderungen. Das wären in die Hollywood-Formel übersetzt: 100 Drehbücher und daraus 200 Filme gemacht. 2016 hat sich die Quote ein bisschen verbessert. Aber die Pyramide steht noch immer auf dem Kopf. 15 selektiv geförderten Drehbüchern standen im letzten Jahr 20 Herstellungen gegenüber. Und im Lauf des Jahres wurde, wie wir wissen, dann auch noch die Treatmentförderung eingestellt. Das waren 2015 immerhin noch 200'000 Franken, die in die Stoffentwicklung geflossen sind. 

In der letzten Sitzung 2016 wurden von 20 eingereichten Treatments gerade noch 3 Drehbuchförderungen genehmigt. Während von 14 Anträgen zur Herstellungsförderung immerhin 5 gewährt wurden. 3,6 Millionen Franken wurden so in dieser letzten Sitzung für das Drehen von Filmen ausgegeben. Gegenüber 0,1 Millionen für das Schreiben.

Es ist wohl an der Zeit zu überlegen, wie es zu dieser Misere kommen konnte. 
 

Geld, Fachwissen, Mut fehlen 

Erster Erklärungsversuch: Es liegt an den mangelnden finanziellen Möglichkeiten. Dieses Argument geht immer. Natürlich stimmt es, dass insgesamt zu wenig Geld im Topf liegt, um all die Schweizer Filme zu fördern, die gemacht werden wollen. Ja, es reicht nicht. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn wenn auf einen Film jährlich in der Herstellung verzichtet würde, könnten dafür gleich 20 Drehbücher gefördert werden. Dass dies nicht passiert, ist offensichtlich gewollt. Warum auch immer.

Zweiter Erklärungsversuch: Es liegt daran, dass die eingereichten Treatments einfach alle schlecht sind und die Drehbücher (auf Basis derer die Filme später zur Herstellung em­­pfohlen werden) insgesamt sehr viel besser. Das wäre allerdings ein höchst magischer Vorgang. Aus schlechten Treatments werden wundersam und geradezu chronisch tolle Drehbücher? Nach meiner Erfahrung als Drehbuchautor ist das eher unwahrscheinlich. 

Nein, ohne jemand auf den Fuss treten zu wollen, es gibt wohl noch einen anderen Grund: Im nach Verbänden, Landesteilen und Geschlecht paritätisch zusammengestellten Expertenpool sitzen (auch das ist Mathematik) gezwungenermassen nur wenige professionelle Drehbuchautorinnen und Dramaturgen. Es bräuchte derer aber eine Mehrheit, um die Qualität der Geschichten im Frühstadium zu  erkennen. Und dies auch noch in verschiedenen Landessprachen. Es bräuchte viele fleissige Spezialisten, von denen wir in der Schweiz aber sowieso nur wenige haben. Und wenn die Spezialisten nicht zu finden sind, bräuchte es wenigstens den Mut, im Zweifelsfall mal eine Stoffentwicklung zu viel zu fördern, statt eine zu wenig. Denn manchmal weiss man einfach erst wenn das Drehbuch da liegt, ob es sich gelohnt hat, das Ding zu schreiben. 

Also, nochmal: Geld fehlt, Fachwissen fehlt, Mut fehlt. Und nun? 
 

Ein Drehbuchinstitut!

Mein Vorschlag: Lagern wir die Stoffentwicklung einfach aus. Gründen wir ein Drehbuchinstitut, das jährlich mit – sagen wir mal – zwei Millionen alimentiert wird. Bumm! Dieses Institut kann gezielt die besten Fachkräfte anheuern, bei Bedarf auch internationale. Fachkräfte, die die Stoffentwicklung beurteilen, fördern und begleiten können. Von der ersten Idee bis zur letzten Drehbuchfassung. In allen Landessprachen. Ein wahres Kompetenz­zentrum für Stories. Aus den vielen Drehbüchern, die dann jedes Jahr entwickelt werden, können die besten ausgewählt werden. Und der Rest landet im Papierkorb. Wie es sein sollte. Die Fachkommissionen beim BAK müssen nie wieder ein Exposé oder ein Treatment lesen und können sich auf ihr Kerngeschäft, die Herstellungsförderung, konzentrieren. Der Verwaltungsaufwand sinkt dramatisch. 2016 hätten dank eines solchen Instituts gut 80 Gesuchte weniger geprüft und bearbeitet werden müssen. Nur schon damit wird Geld gespart, das wieder in Filme investiert werden kann. Das neue Drehbuchinstitut ist schlank, wendig und effizient ohne das mühsame Regelwerk eines Bundesbetriebs. (Dass dies geht, hat die Zürcher Filmstiftung vorgemacht.) Kurzum: Das ist die Lösung. Alle sind glücklich. Heureka.

Wäre ich ein erfahrener Filmpolitiker, würde ich das anpacken. Ernsthaft. Aber ich bin Drehbuchautor. Letztes Jahr durfte ich den Schweizer Filmpreis für das beste Drehbuch entgegennehmen. In der gleichen Woche bekam ich den Bescheid vom BAK. Mein Gesuch zur Drehbuchförderung wurde abgelehnt. Natürlich habe ich trotzdem weiter geschrieben an dem Stoff. Ohne Honorar, versteht sich. Zum Glück kann ich nicht rechnen, sonst hätte ich den Beruf längst aufgegeben.

 

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