Filmhistorisches, Zeitgenössisches und eine gehörige Portion britischer
Humor: Das diesjährige Programm der Kurzfilmtage ergründet das vielfältige
Filmschaffen Grossbritanniens, wirft einen Blick auf die bewegte Geschichte
Georgiens und präsentiert experimentelle Videowerke des renommierten
kanadischen Künstlers Mike Hoolboom. Weitere kuratierte Programme ehren den
legendären schwedischen Regisseur Ingmar Bergman und lassen Walt Disneys
Zeichentrickserie «Silly Symphonies» in neuem Glanz erstrahlen.
Grosser Fokus: This Is Britain
Britische Kurzfilme zählen seit Jahrzehnten
zu den kreativsten und vielseitigsten weltweit. Mit ihrem Humor, ihrer
Bissigkeit und ihrem unverblümten Blick auf gesellschaftliche Realitäten haben
sie auch in Winterthur immer wieder Aufsehen erregt. Zwei Jahre nach der
Brexit-Abstimmung präsentieren die Kurzfilmtage eine filmische Bestandsaufnahme
einer Nation im Umbruch und werfen einen Blick zurück auf eine bewegte
Filmgeschichte.
Der Grosse Fokus: This Is Britain umfasst neun Programme von eindrücklicher
Vielfalt: It’s a Free Cinema zollt
den britischen Werken der 1950er Jahre Tribut. British Classics zeigt prägende Kurzfilme des sozialen Realismus
von international renommierten Regisseuren wie Mike Leigh oder Andrea Arnold. The
Kids Are Alright zeigt nicht nur den
Schritt junger ProtagonistInnen in die Erwachsenenwelt, sondern auch ihre Sicht
auf soziale Probleme. Die Filme in The Female Gaze werfen einen weiblichen Blick auf feministische,
aber auch postkoloniale Themen. Nature and Its People beleuchtet das vielschichtige Verhältnis
zwischen Mensch und Natur, während You’ll Never Walk Alone Momentaufnahmen zwischen Nationalismus, Patriotismus
und Fussball festhält. Scotland: «To see oursels as ithers see
us!» widmet sich den Schotten und deren
Aussenwahrnehmung. Eine Zusammenführung geschieht im Programm Films
in Dialogue, einer Screening-Reihe, welche
die Arbeiten der Film-Künstler Luke Fowler und Alia Syed verbindet. The
Silly Side of Life lotet die Grenzen
des absurden und schwarzen Humors aus, der niemandem mehr als den Briten
zugeschrieben wird.
Person im Fokus: Mike Hoolboom
Mike Hoolboom gilt als einer der
produktivsten experimentellen Filmemacher Kanadas – seit 1980 hat er über 100 Filme
und Videos in diversen Längen und Formaten produziert. Zwei seiner Werke,
«Frank's Cook» und «Letters from Home», wurden am Toronto International Film
Festival ausgezeichnet. In den 1980er Jahren wurde bei Hoolboom HIV
diagnostiziert, was seine filmische Tätigkeit stark beeinflusst hat.
Homosexualität, Sexualität, Aids, Tod und Liebe sind Themen, die immer wieder
ins Zentrum seiner Arbeit rücken. An den Kurzfilmtagen gewährt Hoolboom
Einblick in sein künstlerisches Schaffen und zeigt mit Ventriloquisms und upernatural Powers zwei experimentelle Programme, die er eigens für
das Festival kuratiert hat.
Land im Fokus: Georgien
Im geografischen Grenzbereich zwischen
Europa und Asien gelegen, hat sich in Georgien ein Filmschaffen entwickelt,
dessen Sprache zugleich einzigartig und international erfolgreich ist. Die
Kurzfilmtage erkunden in drei Programmen den georgischen Film und beleuchten so
die soziale und politische Geschichte des Landes. Das Programm Georgian
Rebels präsentiert drei Filme aus den
1960er Jahren – dem goldenen Zeitalter des georgischen Films – von namhaften
Regisseuren: Giorgi Schengelaia, Otar Iosseliani und Mikheil Kobakhidze.
1991 erklärte Georgien der Sowjetunion die
Unabhängigkeit; die daraus resultierenden Kriege in zwei separatistischen
Gebieten, Bürgerkriege und Wirtschaftskrisen brachten die Kurzfilmproduktion in
den 1990er Jahren praktisch zum Erliegen. Die beiden zeitgenössischen Programme Impressions
of Home und Recording Georgia fokussieren auf Werke junger, oft weiblicher Regisseurinnen
seit der Jahrtausendwende und beleuchten familiäre Beziehungen gleichermassen
wie die anhaltenden politischen Spannungen.
Weitere kuratierte Programme: Bergman Revisited, Disney's Animated
Technicolor, Züri Shorts
Am 14. Juli 2018 hat sich der Geburtstag des
schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman, welcher 1997 bei den Filmfestspielen in
Cannes als «Bester Filmregisseur aller Zeiten» geehrt wurde, zum 100. Mal
gejährt. Das Programm Bergman Revisited zeigt Filme von sechs schwedischen FilmemacherInnen
der Gegenwart, welche den Einfluss Bergmans auf ihr Filmschaffen thematisieren.
Entstanden sind sehr unterschiedliche Filme, vom bergmanesken Drama bis hin zum
satirisch kritischen Animationsfilm.
1929 liess sich Walt Disney vom amerikanischen
Komponisten Carl Stalling überzeugen, neben seiner Mickey-Mouse-Reihe eine
zweite Zeichentrickserie zu lancieren. Dabei sollte, anstelle wiederkehrender
Figuren, die visuelle Umsetzung von Musik im Vordergrund stehen – die «Silly
Symphonies» waren geboren. Das Programm Disney’s Animated
Technicolor widmet sich dem damals
revolutionären Dreifarben-Verfahren Technicolor No. 4 und zeigt in
restaurierter und digitalisierter Fassung eine Auswahl von Disneys frühen
Meisterwerken, die als filmhistorische Meilensteine gelten.
Bereits zum zweiten Mal erhält der Zürcher
Kurzfilm eine eigene Plattform. Die Züri Shorts zeigen, was das lokale Filmschaffen zu bieten
hat. Die selektionierten Werke sind zudem automatisch auch für den Winterthurer
Kurzfilmpreis nominiert.
Virtual Reality Cinema
Im VR Cinema schaut man Filme nicht nur,
sondern ist mittendrin im Geschehen. Nach erfolgreicher Lancierung im letzten
Jahr schicken die Kurzfilmtage das Publikum wiederum im Kollektiv auf
Entdeckungsreise in den virtuellen Raum. In drei Programmen werden einige der
innovativsten und faszinierendsten VR-Filme der Gegenwart gezeigt. Kuratiert
werden diese Programme durch das Geneva International Film Festival (GIFF), für
welche die Kurzfilmtage im Gegenzug das Kurzfilmprogramm zusammenstellen. Die
enge Zusammenarbeit der beiden Veranstaltungen soll sowohl für Schweizer als
auch internationale Filmschaffende ein positives Zeichen setzen und zu mehr
Austausch anregen.
Kinder- und Jugendprogramme
Jugendvermittlung ist ein wichtiges Anliegen
der Kurzfilmtage. Die zwei spezifisch für Jugendliche ab 12 resp. 16 Jahren
zusammengestellten Programme zeigen aktuelle Filme, die von Jugendlichen und
Teammitgliedern der Kurzfilmtage gemeinsam ausgewählt wurden. Sie präsentieren
ein breites Spektrum des gegenwärtigen Kurzfilmschaffens, geben Einblick in
eine vielfältige Filmkultur jenseits von Instagram-Stories und Cat-Content und
können sowohl als Schulklasse als auch privat besucht werden. Eine Jugendjury
zeichnet den besten Film aus den beiden Programmen mit dem Jugendfilmpreis aus.
www.kurzfilmtage.ch