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Neue Modelle der Filmförderung

Teresa Vena
28. August 2023

Mit KI generiertes Filmstill von «Electric Child». © 8horses

Mit «electric.film» legt Simon Jaquemet den Grundstein für eine zukunftsorientierte, technisch-innovative Alternative zur klassischen Filmförderung. Das Konzept der Arbeit im Kollektiv steht dabei im Vordergrund.  

Für «Electric Child» ist ein Budget von fünf Millionen Euro zusammengekommen. Auf der Suche nach Partnern reiste Regisseur Simon Jaquemet an alle grösseren internationalen Filmmärkte. Die Erfahrung, die er dabei machte, brachte ihn auf die Idee, einen anderen Weg als den der traditionellen Filmförderung zu gehen. 

Das Einreichen von Finanzierungsgesuchen sei ein grosser bürokratischer Aufwand, der einen Grossteil seiner Arbeit in der Projektentwicklung und Finanzierung ausmache, sagt Jaquemet. Eine Möglichkeit, dies zu umgehen, ist es, auf private Investoren zu setzen, so wie es die Autoren von «Mad Heidi» gemacht haben. Ihrem Spendenaufruf sind über fünfhundert Personen nachgekommen, gesammelt wurden rund zwei Millionen Franken. Nach einem ähnlichen Konzept soll auch «electric.film» funktionieren, nur dass damit nicht ein einzelnes Projekt, sondern mit dem Aufbau einer langfristig nutzbaren Infrastruktur kontinuierlich Werke finanziert werden sollen.

Gelingen soll dies, vereinfacht gesagt, durch eine Verschiebung des gegenwärtigen Produktions- und Förderprozesses in den digitalen Raum einerseits und durch die Öffnung der gleichen Prozesse für einen breiteren Kreis an Teilnehmenden andererseits.

 

Neues Internet für digitale Kunst

Eine neue Generation von Internetnutzern schätzt Investitionen auf digitalem Weg. Seit ein paar Jahren setzt sich der Begriff Web3 durch, der grob für eine dezentrale Organisation von Information und der Datenspeicherung steht. Der Zahlungsverkehr basiert auf der mit Blockchain-Technologie verwalteten Datensätzen, wobei NFTs (Non Fungible Tokens) als einzigartige digitale Vermögenswerte dienen, die sich insbesondere dafür eignen digitale Kunst zu besitzen und damit zu handeln. Die Web3-Gemeinschaften nutzen neue Foren wie Discord für die Kommunikation oder Open Sea als Marktplatz. Die verbesserte Datensicherheit begünstigt den Austausch im künstlerischen Bereich.   

Die Nutzung dieser Technologien ist gleichzeitig zum Synonym für ein gleichberechtigteres Miteinander geworden. Neo Films schreiben auf ihrer Internetseite, dass sie eine «fragmentierte Eigentümerschaft» der Filmprojekte anstreben, die Macht über die Filme gehöre in die Hände der Fans. Das sieht auch der US-amerikanische Regisseur Kevin Smith so und hat seine Horroranthologie «KillRoy Was Here» nach Fertigstellung über eine limitierte Anzahl von NFTs online versteigert, wobei die Käufer bis hin zu einer inhaltlichen Manipulation entscheiden können, was sie mit ihrer Kopie machen. Für seinen anderen Film «Clerks III» konnte man online einen Statistenauftritt erwerben. Beim animierten Stop-Motion-Kurzfilm «Dominion X» stimmten die Mitglieder des digitalen Studios Shibuya ab, welche Wendungen die Geschichte nehmen sollte.

 

Prinzip der Teilhabe

«electric.film» beschreibt sich als «demokratisches, gemeinschaftsbasiertes Filmstudio, das die Kinokunst an erste Stelle setzt und seine Mitglieder befähigt, die Filme zu schaffen, die sie sehen wollen». In verschiedenen Kommissionen werde man am Drehbuch mitarbeiten und zum ausführenden Produzenten werden können.

Um die jeweilige Autorschaft zu schützen, müssen sicherlich praktische Vorkehrungen getroffen werden. Noch ist «electric.film» aber nicht so weit. «Electric Child» wird erstmal als Pilotprojekt dienen. Für die Postproduktion will man vorerst ein zusätzliches Budget für eine flexiblere Ausarbeitung der visuellen Spezialeffekte und die Promotion erzielen.

Jaquemet bleibt realistisch, was die Variablen der Machbarkeit des Projekts betrifft. Von der Präsentation des Projekts am Neuchâtel International Fantastic Film Festival erhofft er sich weitere verwertbare Anregungen. In einem ersten Schritt werde man mit «electric.film» auch nur eine anteilige Finanzierung erreichen können, sagt er. Die grosse Chance sieht er langfristig für junge Filmemacher, denn für Fördergremien spiele die Reputation eine wichtige Rolle. «Die traditionelle Förderung ist risikoscheu», sagt er. Der Umgang mit öffentlichem Geld verpflichte zu einer gewissen Vorsicht. So sei es aber schwierig, mit innovativen und radikalen Projekten aufzutreten. 

 

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