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Für ein gesundes und nachhaltiges Ökosystem

Adrien Kuenzy
13. Januar 2023

Emmanuel Cuénod hat die Leitung am 1. November 2022 übernommen. © Jay Louvion / RTS

Das neue Zentrum für digitale Kreation soll die Erwartungen eines schwer überschaubaren, aber vielversprechenden Fachs erfüllen. Ein Gespräch mit Leiter Emmanuel Cuénod.

Am richtigen Ort zur richtigen Zeit sind immersive Erlebnisse ein wahrer Publikumsmagnet. Am letzten Geneva International Film Festival (GIFF) war es unmöglich, einen Platz zu ergattern, um sich mittels VR-Brille das VR-Werk «Evolver» anzusehen, das die Zuschauenden zu hypnotischer Musik ins Innere eines dreidimensionalen menschlichen Körpers eintauchen lässt. Digitale Erfahrungen begrenzen sich nicht auf die virtuelle Realität, doch sie alle gehen sowohl auf ästhetischer, als auch auf narrativer Ebene andere Wegeals der Film.

Um die Bedürfnisse dieses Sektors, zu dem auch digitale Kunst und interaktive Werke gehören, in der Schweiz neu zu definieren, wurde im vergangenen Jahr das Zentrum für digitale Kreation gegründet, unter der Schirmherrschaft einer Stiftung, der unter anderem die SRG, die HEAD/HES-SO Genf und das GIFF angehören. Emmanuel Cuénod, der das Zentrum seit 1. November leitet, stellte einige Tage später am Geneva Digital Market des GIFF (GDM) die Grundrisse dieser neuen Institution vor, die in den nächsten fünf Jahren von der SRG mit 200’000 Franken pro Jahr finanziert wird. «Unser Ziel ist es, aus der Westschweiz einen internationalen Akteur in der digitalen Kreation zu machen», so Cuénod. «Natürlich gibt es bereits Unterstützungsmassnahmen, und wir beabsichtigen, mit allen bestehenden Akteuren und Akteurinnen zusammenzuarbeiten.»

 

Eine Orientierungshilfe bieten

Zudem wurden die ersten Ergebnisse einer Studie von «Virtual Switzerland» vorgestellt, an der 300 Schweizer Unternehmen teilnahmen. 60 Prozent der im Bereich der digitalen Erfahrungen tätigen Unternehmen äusserten das Bedürfnis nach einem Forum, um ihre Werke präsentieren und sich besser positionieren zu können. Im Rahmen eines anderen Podiumsgesprächs am GDM zur Finanzierung des digitalen Schaffens unterstrichen die in diesem Bereich tätigen Vertreter und Vertreterinnen der HEAD, des BAK, des Kantons Waadt und Cinéforom die Schwierigkeit für die Künstler, sich ohne Expertenmeinungen zurechtzufinden. So hofft Laurent Kempf, Verantwortlicher für digitale Erlebnisse bei Cinéforom, dass das neue Zentrum «die zur Verfügung stehenden Instrumente harmonisiert und allen Kunstschaffenden persönliche und gezielte Ratschläge erteilt. Unsere Stiftung kann diese Rolle nicht umfassend übernehmen.»

«Pro Helvetia und andere bekannte Institutionen haben hier schon grosse Arbeit geleistet, doch in Bezug auf die Besonderheiten des digitalen Schaffens haben die Künstler und Künstlerinnen entweder den Eindruck, es blieben noch viele Lücken, oder die aktuellen Fördermittel reichten nicht aus, um die kritische finanzielle Masse zu erreichen, die zur Umsetzung ehrgeiziger Projekte nötig ist», so Emmanuel Cuénod weiter anlässlich unseres Gesprächs im Büro, das die RTS dem Zentrum in ihrem Gebäude zur Verfügung stellt.

Aktuell ist es schwer einzuschätzen, wie viel Geld in der Schweiz pro Jahr in die digitale Kreation fliesst, doch Cuénod schätzt, dass «pro Projekt maximal 300’000 Franken zusammenkommen, wenn alle Finanzhilfen genutzt werden, obwohl das notwendige Budget doppelt bis dreimal so hoch ist». Vor allem für die Prototypisierung, die aufgrund der laufenden Integration neuer Technologien während des Entwicklungsprozesses sehr lange dauert, fehlt es an Mitteln. «Wir müssen Modelle erstellen, um so präzise wie möglich festzulegen, wie wir die digitale Kreation gezielt unterstützen – wie wir es auch beim Film getan haben.»

Cuénod weist auf eine weitere, eher strukturelle Schwierigkeit hin: «Das Milieu der digitalen Kreation ist fragmentierter als die Filmbranche, die zu einer Zeit entstand, in der es für die Kulturschaffenden nach 1968 ganz natürlich war, sich in Verbänden zusammenzuschliessen. Heutzutage neigen wir weniger dazu, uns zu strukturieren, und die neue Generation hat intuitiv ein weniger ausgeprägtes Verständnis für Kulturpolitik.»

 

Perfect Match und Kulturtek

In den kommenden zwei Jahren werden zunächst verschiedene kurzfristige Aktionen ins Leben gerufen, «um das Ökosystem anzuregen», so Emmanuel Cuénod. Dazu gehören unter anderem Konsultationen zu verschiedenen Themen wie die nächste Kulturbotschaft, aber auch ein neues Residenzprogramm und «Perfect Match»-Sessions, in denen aufgrund thematischer Ausschreibungen Ideenträger und -trägerinnen potentiellen Partnern vorgestellt werden. Zudem beabsichtigt das Zentrum, auf seiner Plattform «Kulturtek.ch» das Publikum über die laufenden digitalen Initiativen zu informieren. «Ein Teil der Internetseite wird nur Fachleuten zugänglich sein, um spezifisches Fachwissen zu erschliessen und den Dienstleistungsaustausch zu fördern.»

Während seiner Tagung 2023 möchte das Zentrum auch Lücken in der Produktions- und Vertriebskette der Werke identifizieren. Ab Juli sollen dann den öffentlichen und privaten Verantwortlichen für Kultur und Innovation neue Finanzierungsmodelle vorgestellt werden. «Zu diesem Zweck werden wir auf die digital arbeitenden Kulturschaffenden zugehen, damit sie uns ihre Bedürfnisse mitteilen. Mein Ziel ist in erster Linie, dass sie zufrieden sind und vorankommen.»

Parallel zu diesen Projekten beginnt das Zentrum umgehend mit der Entwicklung langfristiger und spezifischer Förderinstrumente für digitale Kreation. «Zu diesem System, das wir 2025 einführen möchten, starten wir einen umfassenden Konsultationsprozess mit allen Fachleuten der Branche. Dabei sollen nicht alle bestehenden Instrumente durch ein einziges Modell ersetzt werden, das wäre zu einfach. Eine einzige Anlaufstelle wäre ein allzu simples Förderkonzept. Die anderen Institutionen können sich jedoch von den Modellen, die aus unserer Tagung hervorgehen, inspirieren lassen, wenn sie diese für geeignet halten.» Emmanuel Cuénod schliesst: «Um die digitale Kreation wirkungsvoll zu finanzieren, müssen wir sie als eigenständige Kultursparte betrachten.»

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