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Globaler Kampf, lokaler Schutz. Teil 1: USA. Der Krieg ist erklärt

Pascaline Sordet
21. Juni 2019

«Once Upon a Time in the West» (1968) von Sergio Leone.

Im Schatten von Netflix rüsten sich die Streaming-Plattformen von Disney, Apple und Amazon für einen Streaming-Kampf. Während sie auf globaler Ebene um die Zuschauergunst kämpfen, erlassen die europäischen und die Schweizer Behörden allmählich neue Gesetze, um ihre Filmkultur zu schützen.

Netflix, Netflix, Netflix. Seit die Plattform 2014 in den Schweizer Markt eintrat, ist ihr Name in aller Munde, wie wenn es keine anderen Streaming-Dienste gäbe. Angesichts der beeindruckenden Marktdurchdringung des amerikanischen Anbieters ist dies nicht ganz unberechtigt: Ende 2018 zählte Netflix 139 Millionen zahlende Abonnenten. Von den 8,8 Millionen Neuabonnenten im letzten Quartal 2018 leben gerade einmal 1,5 Millionen in den USA. Die Strategie der Firma, sich in erster Linie auf internationale Märkte zu konzentrieren, macht sich offensichtlich bezahlt.

Doch 2019 weht dem Giganten ein schärferer Wind entgegen. Die internationale Konkurrenz holt auf, allen voran Disney mit der Lancierung von Disney+ am 12. November. Disneys Katalog umfasst neben den – vor allem für Familien interessanten – selbstproduzierten Zeichentrickfilmen auch das Marvel-Universum mit seinen Superhelden, National Geographic, die Simpsons, den Fox-Katalog von Hollywoodklassikern bis Star Wars, Hulu sowie zahlreiche Serien des Disney Channel. Seit der Übernahme von Pixar im Jahr 2006 kauft Disney laufend hochkarätigen, für Abonnenten attraktiven Content. Dies scheint Eric Sheridan, UBS-Finanzanalyst in New York, nicht zu beunruhigen: «Die Frage ist, ob Disneys Angebot den Markt völlig umkrempeln oder nur ergänzen wird. Disney ist zweifellos ein starker Konkurrent, doch revolutionär würde ich ihn nicht nennen.» Für die New York Times hingegen «zeigt zum ersten Mal ein traditionelles Medienunternehmen die Fähigkeit und den Willen, Silicon Valley im Streaming-Bereich den Kampf anzusagen.»

Auch Apple möchte sich ein Stück vom Kuchen sichern. Der Konzern kündigte im März die Lancierung von Apple TV Plus an und kämpft mit aggressiven Methoden um einen Platz auf dem Dienstleistungsmarkt. Auch hier beschwichtigt der UBS-Analyst: «Meiner Meinung nach ist niemand wirklich fähig, Netflix in den Schatten zu stellen. Apple hat viel Geld, doch die Netflix-Investoren lassen sich davon nicht beunruhigen. Die Zukunft wird zeigen, ob Apples Markteintritt die Lage wirklich verändern wird.» Der Telekom-­Gigant AT&T, dem Time Warner gehört, will 2019 auch ins Streaming-Geschäft einsteigen; Details zum Angebot sind noch nicht bekannt. Nicht zuletzt ist da noch der Branchenriese Amazon, der über enorme Investitionskapazitäten verfügt und VoD als Lockangebot für seinen Prime Service nutzt.

 

The winner takes it all

Wenn es nach den Technik-Skeptikern geht, sollen die Internetgiganten sich im Kampf um Marktanteile ruhig gegenseitig zerfleischen. Optimistischere Stimmen sehen in den neuen Angeboten Zeichen eines reifenden Marktes, der sich zum Wohl der Konsumenten diversifiziert. Eric Sheridan erwähnt die Generation iPad, die lineares Fernsehen kaum noch kennt und nur noch VoD konsumiert.

Wie können die Plattformen in diesem Ökosystem überleben? Indem sie immer grösser werden und so die Konkurrenz ausschalten. An der Spitze ist kein Platz für mehrere Vollangebote, nur die Nischenangebote folgen einer anderen wirtschaftlichen Logik. Die Strategie der grossen Anbieter besteht darin, immer mehr eigenen Content zu produzieren, denn dies ist die einzige Möglichkeit, Abonnenten zu gewinnen und sich von der Konkurrenz abzuheben. Zudem können die Plattformen aufgrund der Marktentwicklung bald nur noch auf eigenen Content zählen: Disney hat bereits begonnen, seine Produktionen aus dem Netflix-Katalog zurückzuziehen.

Für die Nutzer bedeutet dies, dass sie mehrere Abonnements abschliessen müssen. Die Produzentinnen und Regisseure hingegen profitieren von diesem Wettlauf um Inhalte: Apple hat sich mit A24 zusammengeschlossen, einem mehrfach preisgekrönten unabhängigen Studio, das «Moonlight» von Barry Jenkins und «The Killing of a Sacred Deer» von Yorgos Lanthimos produzierte.

Konkrete Zahlen verdeutlichen, welch enorme Summen diese neuen Akteure der audiovisuellen Branche investieren. Apple budgetierte schon vor der Lancierung rund eine Milliarde Dollar für die Produktion eigener Inhalte. Netflix investierte 2018 zwölf Milliarden Dollar und sieht für 2019 weitere 15 Milliarden vor, «um immer mehr Content für verschiedene Märkte weltweit zu produzieren, mit dem Ziel, neue Abonnenten zu gewinnen und das Wachstum zu fördern», analysiert Eric Sheridan.

 

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