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Randbemerkungen zum einem Meisterwerk

Philippe Dériaz
28. Februar 2023

Geduldig und gewissenhaft hat das Schweizer Filmarchiv in Zusammenarbeit mit befreundeten Institutionen «Romeo und Julia auf dem Dorfe» rekonstruiert, restauriert und dann digitalisiert. Als ich davon erfuhr, und davon, dass Trommers verfluchtes Meisterwerk bei den Berliner Filmfestspielen laufen würde, notierte ich kurz einige alte, mehr oder weniger bekannte Fakten.

Ich fasse hier ein paar Erinnerungen an den Produzenten von «Romeo und Julia auf dem Dorfe», Conrad A. Schlaepfer, zusammen. Seitdem ist viel Zeit vergangen, dennoch handelt es sich um einen recht aufschlussreichen Rückblick. Als dieser Film gedreht wurde, befand ich mich in Genf, also weit weg von Zürich - und noch weiter weg vom Kino selbst. Zehn Jahre später, in Zürich, hatte mich das Kino erobert; fünfzehn Jahre später machte ich meine ersten Erfahrungen darin – nämlich bei ProFilm von Schlaepfer. Der masslose Geiz des Produzenten war sagenhaft, seine Habgier bekannt. Deswegen beschäftigte er gerne Anfänger, deren Enthusiasmus er ausnutzen konnte, und die – man wusste ja nie – vielleicht auch gewinnträchtiges Talent hatten. Schlaepfer gefiel sich darin, dass er den Unerfahrenen Arbeit verschaffte, und ihnen dafür auch ein paar Rappen zahlte. Als er mir einmal weniger als vereinbart auszahlte, weil er willkürlich die Berechnungsbasis geändert hatte und ich dem mit einem gewissen Ärger begegnete, sagte er: «Herr Dériaz, Sie machen Filme, weil Sie Freude dran haben; aber ich mache Filme, um Geld zu verdienen.» Mit dieser Geisteshaltung gab er dem Anfänger Trommer eine Chance.

Er bereute es! Erwähnte man gegenüber Schlaepfer den Namen Trommer oder den Titel seines Films, reagierte er mit einem wütenden Hass. Er wollte nichts mehr von dem Projekt wissen, er gab sogar vor, dass er gar nicht mehr wusste, wo sich das Negativ des Films befinde. Seine verachtende Wut richtete sich gegen alle, für die das Kino nicht nur ein Brotverdienst darstellte, gegen Kritiker, gegen Cinephile, gegen Mitglieder von Kinoclubs. Im Zürcher Filmklub eben lernte ich Trommer kennen, dessen kurze Dokumentarfilme ich sehr mochte, ohne zu wissen, dass seine «Beiprogramme» Auftragsarbeiten waren. Wir waren ein paar, die an diesen Filmemacher glaubten: junge Unbekannte, wie der Anfänger-Buchhändler Hanspeter Manz, aber auch Mächtige, wie der Kritiker-Fürst Dr. Martin Schlappner. Und wir wünschten uns alle, dass «Romeo und Julia auf dem Dorfe» gezeigt, rehabilitiert und akzeptiert würde.

Um 1960 suchte Schlaepfer einen Nachfolger und Käufer, doch das war wegen des schlechten Rufs von ProFilm schwer. Kurz nach der Übernahme mussten die neuen Besitzer dann nämlich auch das Unternehmen schliessen. Das war der Grund weswegen die Archive, die Negative, die Kopien, in grosser Zahl verschwunden sind. Es ist daher unmöglich, zu wissen, welchen tatsächlichen Geldverlust der Film von Trommer verursacht hat.

Es ist auch nicht bekannt, inwiefern Schlaepfer den Regisseur bei den Produktionsmitteln eingeengt hat. Er scheint ihm die Überblendungen nicht verboten zu haben, wie er es uns später vorhielt, weil dieser Kopierwerkprozess für seinen Geschmack zu kostspielig war! Hat er die Gagen der Schauspieler nach unten gefeilscht, wie es seine Gewohnheit war? Trotz allem drehte Trommer «Romeo und Julia auf dem Dorfe», das sein eigenes Werk bleibt. Valérien Schmidely, der zu meiner Zeit noch bei der ProFilm arbeitete, gab unumwunden zu, dass er sich immer im Hintergrund gehalten und nur für die technische Brauchbarkeit der Aufnahmen gesorgt hatte und dass der eigentliche Autor von «Romeo und Julia auf dem Dorfe» Trommer war.

Später arbeitete ich bei Trommer, bei dem unglücklichen «Zum goldenen Ochsen» (1958) und dem glücklichen «Zürcher Impressionen» (1960), und genoss sein Vertrauen. Aber das ist eine andere Geschichte.

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