MENU Schliessen

Die immersive Kreation bleibt weiterhin auf der Strecke

Adrien Kuenzy
20. Mai 2023

Der Musiker Jean-Michel Jarre war einer der Teilnehmer des Podiumsgesprächs. © CNC

An der Croisette organisierte das Centre national du cinéma et de l'image animée (CNC) ein Podiumsgespräch, das die Stärken und Schwächen von Werken virtueller Realität aufzeigte. Die Gäste waren ausgewiesene Fachleute in diesem Bereich.

Der technische Fortschritt fasziniert ebenso wie er Ängste schürt. In der Kunst befürchtete man, dass das Theater durch das Kino ersetzt werden würde, als es letzteres seinen Durchbruch erlebte. Doch das war nicht der Fall. In Zeiten der «Bombe» künstliche Intelligenz ChatGPT werfen die Möglichkeiten der virtuellen Realität Fragen auf: Ist das immersive Erlebnis, das in den Rang einer Kunstform erhoben werden soll, die logische Fortsetzung des Kinos oder bleibt es eine ewige Alternative?

Mit Ausnahme von Spezialveranstaltungen wie dem Geneva International Film Festival (GIFF) wird dem digitalen Filmschaffen auf nur wenig anderen Filmfestivals wirklich viel Bedeutung beigemessen. An der Croisette, am Strand des Hotels Le Gray d'Albion, versammelte das Centre national du cinéma et de l'image animée (CNC) im Rahmen des Filmfestivals von Cannes Experten auf diesem Gebiet, um über den Status der immersiven Kreation, ihre Zukunft und ihre Verbreitungsmöglichkeiten zu sprechen.

Die Teilnehmer der Veranstaltung «Création immersive : un nouveau regard pour nourrir le cinéma» © CNC

 

Vincent Florent, Direktor für digitale Medien beim CNC, erteilte das Wort Avi Amar, Produzent bei Floreal Film, Maud Clavier, Geschäftsführerin der Firma Vroom, dem Musiker Jean-Michel Jarre und Audrey Pacart, Produzentin für das Studio von Blanca Li. Die Debatte mit dem Titel «Création immersive : un nouveau regard pour nourrir le cinéma» (dt. «Immersive Kreation: Ein neuer Blick, um das Kino zu nähren» hat Widersprüche innerhalb eines vielversprechenden Sektors aufgezeigt.  

 

Zeichen setzen

Der Musiker Jean-Michel Jarre, Autor von «Oxymore», einem Album, das in Mehrkanaltechnik gehört werden kann und den Eindruck vermittelt, in eine dreidimensionale Welt einzutreten, erklärte: «Immersive Formate lassen den Menschen in eine natürliche Welt eintauchen und geben ihm das Gefühl, von Klängen und Bildern umgeben zu sein, wie man sie im echten Leben empfinden würde». Er fügte hinzu: «Wir sind hier, um dem Filmfestival von Cannes ein starkes Signal zu geben. Die virtuelle Realität befindet sich an der Schnittstelle von Film, Theater und Videospielen. Alle mit dem Metaversum verbundenen Ausdrucksformen sollten nicht nur auf dem Filmmarkt in Cannes, sondern auch in der offiziellen Filmauswahl vertreten sein.»

 

Lesen Sie auch: Unser Artikel «Für ein gesundes und nachhaltiges Ökosystem».

 

Avi Amar schliesst sich dieser Meinung an. Obwohl es in Frankreich einige der besten Festivals für alle Arten von Filmen gibt, ist der Produzent der Meinung, dass immersive Filme immer noch sehr schlecht angesehen sind: «Wir bekommen viel Geld, um unsere Projekte zu entwickeln, aber die Festivals begnügen sich damit, ein paar Helme in eine Ecke zu stellen, das ist paradox." In den USA schlagen die Festivals systematischer Brücken zwischen den Werken, und das stört niemanden.»

Ausdrucksformen, die mit dem Metaversum zu tun haben, sollten nicht nur auf dem Filmmarkt in Cannes vertreten sein, sondern auch in der offiziellen Auswahl.

Jean-Michel Jarre, Musiker

 

Die Produzentin Audrey Pacart gibt sich optimistischer. «Die immersive Kreation hat sich erst um 2016 nach und nach entwickelt. Ich denke, eines Tages wird man klassische audiovisuelle Werke und immersive nicht mehr so streng voneinander treffen. Einst, vor zehn Jahren, dachte niemand daran, dass wir Serien auf einem Computer schauen würden.» 

 

«Conan der Barbar» und andere hybride Formate 

Es obliegt schliesslich den Künstlern und Künstlerinnen mit ihren Arbeiten, diese Grenzen brüchiger zu gestalten. In diesem Zusammenhang erwähnt Avi Amar den Kurzfilm virtueller Realität «Sunset motel» von Gilles Jobin, koproduziert mit dem Schweizer Nicolas Burlet (Nadasdy Films) und Cie Gilles Jobin. Die Illustration stammt vom Schweizer Comicautor Thomas Ott. Dieses hybride Projekt, das Animationstechnik benutzt, befindet sich aktuell noch in der Entwicklung. Es könnte dazu beitragen, ein Publikum auch ausserhalb von Festivals zu finden. 

So wie das bei «Conann» von Betrand Mandico der Fall ist, der in Cannes in der Sektion Quinzaie des Cinéastes präsentiert wurde und eine Mischung aus einer 30-minütigen immersiven Arbeit und einer Theatervorführung mit dem Titel «Nous les barbares» ist. Dieses völlig neuartige Transmedia-Projekt entstand auf Initiative des Theaterregisseurs Philippe Quesne, die dieser an Bertrand Mandico herantrug. Avi Amar, einer der Produzenten, freut sich auf diese Multiformat-Arbeit, die unweigerlich Brücken zwischen den Disziplinen schlagen wird: «Wir werden die Bilder in einen Würfel projizieren, um eine stärkere akustische und visuelle Interaktion mit dem Publikum zu schaffen. Meiner Meinung nach ist die virtuelle Realität eine Art Auswuchs des Kinos». Vielleicht könnte das Interesse anerkannter und gefeierter Regisseure an diesen anderen Formaten die Kräfteverteilung verschieben und gleichzeitig die Festivals für andere Sektionen öffnen.

Das Filmfestival von Cannes zeigt dieses Jahr auch «Le Bal de Paris», eine immersive Tanzaufführung, die 2021 bei den Filmfestspielen von Venedig als beste VR-Erfahrung ausgezeichnet wurde.

Interessieren Sie sich für den Schweizer Film?

Abonnieren Sie!

Tarife