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Elie Chapuis: «Die Branche professionalisiert sich»

Adrien Kuenzy
08. Juni 2023

© Alexandre Ducommun

Laut dem Co-Präsidenten der Schweizer Trickfilmgruppe (GSFA) wächst die Schweizer Animationsbranche stetig, doch es mangelt ihr noch an einer echten finanziellen Unterstützung. Interview mit einem der Animatoren von «Sauvages!», dem aktuellen Spielfilm von Claude Barras, der derzeit in Martigny gedreht wird.

Durch Ihre Doppelrolle haben Sie Zugang sowohl zur Praxis als auch Einblick in alle politischen Herausforderungen, die mit dem Schweizer Animationsfilm verbunden sind. Wie sehen Sie die Branche?

Die grösste Stärke der Branche ist, dass sie sich professionalisiert. Diese Tatsache hängt mit der Entstehung von qualitativ hochwertigen Ausbildungsstudiengängen im Bereich Animation in unserem Land zusammen, insbesondere an der Hochschule Luzern. Zweitens wird der Schweizer Animationsfilm international verbreitet und anerkannt. Unsere Kurzfilme gewinnen zahlreiche Preise. Was den Langfilm betrifft, verfügen wir noch nicht über den nötigen Mikrokosmos. Heute müsste man auch darüber nachdenken, wie man andere Formate wie mittellange Filme und Fernsehformate am besten entwickeln kann.


Was wären die Lösungen, um gerade diese anderen Formate zu entwickeln?

Das sollte zwangsläufig über das Engagement des Fernsehens erfolgen. Der Inhalt der Fernsehprogramme hängt von den Sendeplätzen und dem Willen des Fernsehens ab, diese Art von Format auszustrahlen. Innerhalb der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz ist dieser Wille nicht derselbe. RTS produziert eindeutig mehr Animationsfilme als die anderen Sender und geht ein höheres finanzielles Risiko ein. Generell fehlt aber auch auf nationaler Ebene eine klare Positionierung.

Was bedeutet das?

Kurzfilme kann man unter relativ guten Bedingungen produzieren, aber man bleibt in der Schweiz sehr beschränkt, sobald man längere Formate produzieren möchte, da die Kosten pro Minute für Animationen sehr hoch sind. Es fehlt aktuell auf jeden Fall an einer finanziellen Unterstützung, damit der Animationsfilm in der Schweiz wachsen kann. Man wird sehen, ob die Änderung des Filmgesetzes einen Geldzufluss ermöglichen wird, vielleicht gerade für Serien oder mittellange Filme.

 

Ist die Verteilung der Fördermittel zwischen Animation, Spiel- und Dokumentarfilm Ihrer Meinung nach ungerecht?

Die Frage der Gerechtigkeit ist sehr heikel. Voraussetzung dafür wäre, dass sich der Animationssektor auf seriöse Statistiken stützen könnte. Das würde es uns ermöglichen, den Anstieg unserer Produktion sowie unsere Erfolge im Ausland genauer zu analysieren. Es sind keine verlässlichen Daten verfügbar, da der Schweizer Animationsfilm zum überwiegenden Teil aus Kurzformaten besteht, die Daten von Pro Cinema und dem Bundesamt für Statistik nur Langformate berücksichtigen und unsere Plattform animation.ch noch unvollständig ist, da sie von spontanen Registrierungen der Produktionsfirmen abhängt.

Umfassende Daten zugänglich zu machen, ist eines der Projekte, die ich während meiner Präsidentschaft beim GSFA gerne umsetzen möchte, wobei ich insbesondere die bereits begonnenen Gespräche mit dem Bundesamt für Kultur fortsetzen will. In jedem Fall brauchen wir verlässliche Daten, um echte Debatten über eine mögliche bessere Verteilung der Fördergelder zu beginnen. Derzeit fällt der Löwenanteil davon jedenfalls auf Dokumentar- und Spielfilme.

 

Würde die Branche davon profitieren, wenn sie ihre Kurz- und Langfilme besser zur Geltung bringen würde?

Natürlich ist die Aufwertung von Kurzfilmen etwas Wesentliches, und ausserhalb von Festivals ist das sehr schwierig. Es gibt Mechanismen zur finanziellen Unterstützung, die in der Schweiz verschwunden sind. Bis 2010 erhielten Kinobetreiber zum Beispiel einen Anreiz, wenn sie einen Kurzfilm vor einem Spielfilm ausstrahlten. Was den Spielfilm betrifft, habe ich nicht den Eindruck, dass er aktuell das zentrale Element ist, um den Schweizer Animationsfilm ins Rampenlicht zu rücken, auch wenn natürlich ein Film wie «Ma vie de Courgette» ein breiteres Publikum anzieht als ein Kurzfilm, der sich zwar an Kinder richtet, aber viel weniger Verbreitung findet.

In anderen Ländern wie Belgien, Frankreich und Luxemburg ist jedoch zu beobachten, dass sich angehende Filmschaffende viel besser für Serien und Spielfilme ausbilden lassen, im Gegensatz zu Kurzfilmen, bei denen die Produktionszeit sehr kurz ist. Die Herausforderungen in Bezug auf die Professionalisierung betreffen also auch das Format. Ich bin ein lebendes Beispiel dafür. Ich habe zunächst in der Schweiz an den Kurzfilmen von Claude Barras gearbeitet, bevor ich für acht Monate ins Ausland ging, um an einem Spielfilm zu arbeiten. Als ich zurückkam, begann ich, unter meinem eigenen Namen Regie zu führen. Heute ist es in der Animation so, dass man am Anfang seiner Karriere ins Ausland gehen muss, um genügend Erfahrung zu sammeln. Das bringt auch immer eine Reihe von Opfern mit sich.

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