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Auf dem Parkett

Nina Scheu
21. Juli 2022

Maya Barenstein © zvg

Sie spricht zahlreiche Sprachen, verhandelt mit Filmverantwortlichen in Asien, Lateinamerika und Italien und ist doch erst 26. Keine Frage: Maya Barenstein ist in vielerlei Hinsicht ein junges Talent. 

«Die Filmindustrie ist ein hartes Pflaster», sagt Maya Baren­stein, die sich darauf bewegt als wär’s ein Tanzparkett. Manchmal sei man als junge Frau im Vorteil, häufig müsse man sich den Respekt aber zuerst erkämpfen. Man spürt ihre Bestimmtheit und gleichzeitig ihren Charme: Eine erfolgversprechende Kombination. Die 26-jährige Tessinerin ist diesen Sommer eine der zehn eingeladenen Teilnehmer:innen an der ­Locarno Industry Academy. 

Erstmals wird sie Gast am Festival sein, das in vielerlei Hinsicht ihre Karriere bestimmt hat. Als Besucherin kennt sie das Festival seit Kindheitstagen. 2014 und 2015, kurz vor der Matura, warf Maya Barenstein in der internationalen Jugendjury erste Blicke hinter die grosse Leinwand. Sie lernte die Filmschaffenden im Rampenlicht ebenso kennen wie die Koryphäen hinter den Kulissen, und mit ihnen ein riesiges Berufsfeld, das sich vor ihr öffnete. 

Ihre Faszination für Filme gründet allerdings tiefer. Der Kinderfilmclub Zauberlaterne stand am Anfang. Und natürlich ihre Eltern, die regelmässig mit ihr Filme schauten. Sie war 13 als sie die Filme von Jim Jarmusch entdeckte, die in ihr den Wunsch aufkeimen liessen, selbst einmal Filme zu machen. 

Reine Liebhaberei war ihre Sache nie. Sie wollte dabei sein, aktiv sein, mitarbeiten. Nach der Matura entschied sich die quirlige junge Frau für ein Studium in Englischer ­Literatur und Filmwissenschaft in Zürich, wo sie ihr Deutsch verbesserte – nicht ohne mit leichter Verwunderung festzustellen, dass es in der sonst so international ausgerichteten Stadt nicht möglich war, ihre Arbeiten in einer anderen Sprache einzureichen. Den Unterhalt verdiente sie sich in der Zürcher Produktionsfirma «8horses», die Filme wie «Chrieg» und «Der Unschuldige» von Simon Jaquemet oder «Cherry Pie» und «Soul of a Beast» von Lorenz Merz herausgebracht hat. 

 

Sechs Sommer in Locarno

Die Semesterferien im Sommer gehörten dem Filmfestival von Locarno und besonders Locarno Pro, das zu Beginn noch Locarno Industry hiess. Nadia Dresti und Markus Duffner (der heutige Leiter von Locarno Pro) nahmen sie unter ihre Fittiche. Maya bezeichnet die beiden dankbar als ihre Mentoren. Diese brauchten wohl nur die sprudelnde Energie in Bahnen zu lenken: Als knapp 20-Jährige half Maya bei der Organisation der Workshops bei «Match Me!», einer Initiative zur Vernetzung ausgewählter Produzent:innen mit Filmverantwortlichen aus aller Welt. Bis zu 500 solcher «Matches» finden während des dreitägigen Programms statt. Beweis genug für das überragende Organisationstalent der Tessinerin. 

Mit dem Bachelor in der Tasche zog Maya Barenstein 2019 nach Amsterdam, um ihren Master in «Preservation and Presentation of the Moving Image» zu machen. Ein Jahr später begann die Pandemie. «Perfect timing», meint Maya achselzuckend: «So hatte ich Zeit, meine Master-These zu schreiben». Passend dazu unterstützte sie Markus Duffner bei der Lancierung von «Heritage Online» (siehe Seite 16). Danach zog es Maya Barenstein weiter in die Welt – und in die Filmproduktion: «Mir wurde klar, dass es unendlich viele Filme gibt, die kaum jemand zu Gesicht bekommt. Und dass mein Talent vielleicht weniger darin liegt, diesen Werken ein weiteres hinzuzufügen, als vielmehr, einigen dieser Filme zu ihrem Publikum zu verhelfen», beschreibt sie ihre Vorstellung der näheren Zukunft. 

Seit Januar 2021 arbeitet Maya Baren­stein als Sales Executive bei der in Paris und Berlin beheimateten Produktions- und Vertriebsfirma «Coproduction Office», das mit «Triangle of Sadness» von Ruben Östlund gerade eine Goldene Palme nach Hause getragen hat. Zum Portfolio gehören  Filme von Ulrich Seidl, Roy Andersson oder Jessica Hausner und der filmische Nachlass von Roberto Rossellini. 

Erstmals wird Maya Barenstein diesen Sommer keine Zeit mehr haben, bei Locarno Pro zu arbeiten. Umso grösser ist Ihre Freude, als Gast im Tessin zu sein und sich in der Industry Academy weiter vernetzen zu können. Sie wird dabei aussehen wie eine Tänzerin, der das harte Pflaster nichts anhaben kann.  

 

Originaltext Deutsch

 

 

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