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Videopionier Reinhard Manz ist gestorben

Erich Busslinger, Philipp Cueni, Hansmartin Siegrist
11. Januar 2023

© Jonas Schaffter

Der talentierte Netzwerker und Dozent setzte über Basel hinaus wichtige Impulse für das schweizerische Videoschaffen.

Kurz vor Jahresende ist der Videokünstler und Filmemacher Reinhard Manz gestorben. Er war in der Basler Video- und Filmszene seit Ende der 1970er-Jahre Motor, Kollege, Lehrender, Produzent, Autor und Realisator, eine prägende Figur. Als Mitbegründer der Videogenossenschaft Basel wurde er zum Pionier der regionalen Bildmedienlandschaft und als Mitglied der Interessenorganisation Balimage setzte er sich für das Zustandekommen der Film- und Medienkunstförderung BS/BL ein.

Reinhard Manz, 1951 in Biel geboren und in Zofingen aufgewachsen, zog es in den 1970er-Jahren zum Studium der Kunstpädagogik nach Berlin. Dort lernte er das neue Medium Video kennen und mit der Kamera zu arbeiten – dokumentierend, doch immer auch experimentierend.

Zurück in der Schweiz liess er sich in Basel nieder und wurde schnell Teil der Kunst- und Videoszene. 1979 wurde er zum Mitbegründer der Videogenossenschaft Basel. Diese basisdemokratisch organisierte, verschworene Gemeinschaft von Politaktivistinnen, Filmschaffenden und Medienkünstlern nistete sich für ihre Video-Pionierarbeit im Dachstock der neu genutzten Kulturwerkstatt Kaserne ein.

Video war das Experimentalmedium der Stunde, und die Mitglieder der Videogenossenschaft spürten soziale Bewegungen in der Region Basel mit Kamera und Mikrofon auf und schufen innovative Programme in Dokumentarfilm und Videokunst.

Anlaufstelle für Alternative

Mit der Videogenossenschaft verknüpfte Reinhard Manz seine künstlerischen und politischen Interessen. Der talentierte Netzwerker schuf so in Basel eine für die sogenannte «alternative Szene» wichtige Anlaufstelle für Film- und Medienschaffende. Im Laufe der Professionalisierung wurde aus der Videogenossenschaft Basel die Produktionsgenossenschaft point de vue, wo Reinhard Manz als langjähriger Geschäftsleiter und Präsident wirkte.

Mit René Pulfer und Enrique Fontanilles war er in den 1980er-Jahren am Aufbau einer Weiterbildungsmöglichkeit beteiligt. Dies führte schliesslich an der Schule für Gestaltung Basel zur «Klasse für Audiovisuelle Gestaltung», die bald weit über Basel hinaus zur videokünstlerischen Kaderschmiede werden sollte. Manz war auch Mitorganisator und technischer Leiter der von René Pulfer initiierten «Videowochen im Wenkenpark», die in den 1980er-Jahren die internationale Videokunstszene nach Basel brachten und wichtige Impulse für das schweizerische Videoschaffen setzten.

Seine eigene Auseinandersetzung mit dem Medium Film und Video war für ihn stets Voraussetzung für seine engagierte Lehrtätigkeit. Von 1979 bis 2001 war er Lehrer für Film und Video an der Schule für Gestaltung Basel, bis 2016 wirkte er als Dozent für Video und Interaktion an der Hochschule für Gestaltung und Kunst | FHNW in Basel.

Als unermüdlicher Vermittler und kompetenter Techniker war Reinhard Manz seit Ende der 1990er-Jahre für Aufbau, Beratung und technische Betreuung der Sammlung Neue Medien Baselland dotMov.bl tätig, die heute mit über 220 Einzeltiteln wichtige Werkgruppen seit der Pionierzeit der regionalen Videokunst ab Ende der 1970er-Jahre umfasst.

Kreative Zusammenarbeit

Last but not least produzierte Reinhard Manz als Videokünstler und Autor eigene Werke und war als Produzent und Kameramann für unzählige Projekte tätig. Seine Leidenschaft für Musik führte zu zahlreichen videografischen Umsetzungen von Kompositionen neuer Musik, häufig in Zusammenarbeit mit den Komponisten.

In seinen Dokumentarfilmen – wie in seinen vielbeachteten Werken «Propaganda Fide» oder «Kopf oder Zahl» – lag der Fokus auf mediengeschichtlichen, biografischen und sozialpolitischen Fragen, seine Videokunstarbeiten zeichneten sich durch reflektierte visuelle Kommentare aus. Sie alle waren geprägt von subtiler Medienkritik und subversivem Humor: Man denke an sein unvergessliches Video «Vom Fortschritt».

In all den Jahren seiner Arbeit mit Video und Film galt: Reinhard war da, wenn ihn jemand brauchte, er war oft bis zur Selbstverleugnung hilfsbereit und für viele ein Förderer und Berater im Hintergrund. Wann immer bei point de vue etwas nicht funktionieren wollte, war Reinhard gefragt. Seine bescheidene und freundliche Art, seine Kompetenz und sein unerschütterliches Engagement prägten sowohl das Klima der kreativen Zusammenarbeit in point de vue wie in seinen öffentlichen Tätigkeiten.

Wir trauern um einen liebenswürdigen Kollegen und grossherzigen Freund. Und wir sprechen Reinhards Frau Albena Mihaylova Manz, mit der Reinhard ebenfalls Filmprojekte realisierte, unser herzliches Beileid aus.

Der Nachruf erschien am 6. Januar in der Basler BZ. 

 

Haben Sie Zeit?

Man habt immer zu wenig Zeit. Einmal ist sie um, manchmal ganz plötzlich. Reinhard Manz hat sich in einer seiner Videoarbeiten «Zeit-Fragen», 1986-1987 (16 min.), mit dem Thema Zeit und wie wir in unserer leistungsorientierten Gesellschaft damit umgehen, beschäftigt. Manz' kritische Kommentare sind nicht polemisch, sondern unmittelbar, intelligent und nicht ohne Humor. Eindrücklich ist der Aufwand, den er für seine Aktion «Entschriftung der Greifengasse» (1983, 6 min.) betrieb. Manz liess alle Werbeschilder in der Basler Greifengasse abdecken. Geschaffen hat er damit eine utopisch wirkende Parallelwelt, die er kurzzeitig mit seiner Kamera eingefangen hat. An Relevanz haben die Fragestellungen des Videokünstlers bis heute nichts verloren. 

Bei der Aufgabe, in Deutschland, ein Programm zusammenzustellen, das einen Überblick über den Schweizer Experimentalfilm geben sollte, drängten sich die Arbeiten von Reinhard Manz, wie einiger seiner Basler Kollegen, Urs Breitenstein und Erich Busslinger, auf. Alle drei waren bei der Projektion in Berlin zu Gast. Alle unprätentiöse, freundliche Menschen, die über ihre Kunst und Ideen mit einer seit ihren Anfängen ungebrochenen Leidenschaft reden. Es war eine Bereicherung, Reinhard Manz damals kennengelernt zu haben. 

Teresa Vena

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