Um als «Bester internationaler Film» ausgezeichnet zu werden, muss der Schweizer Kandidat «Drii Winter» erst mal auf die begehrte Shortlist gelangen. Schon das erfordert Knowhow, Geschick und Strategie.

Beim Oscarrennen 2022 reichten 93 Länder einen Film ein und man rechnet auch bei der diesjährigen Ausgabe mit ähnlich bezifferbarer Konkurrenz. Von den fast zehntausend Mitgliedern der Academy sind es nur ein Teil – man kennt weder ihre genaue Zahl noch ihre Identität –, welche die begehrte Shortlist aus 15 Filmen zusammenstellen, aus denen die fünf Nominationen hervorgehen. 

Um ihre Aufmerksamkeit auf «Drii Winter» zu lenken und diesen möglichst oft ins Gespräch zu bringen, braucht es viel Promotions- und Lobbyarbeit. 

 

Hauptsächlich ist die Produktionsfirma ­Hugofilm Features  (Christof Neracher) dafür zuständig, die den Film mit der Pandora Film (D) koproduziert hat. Eine wichtige Rolle spielt aber auch Swiss Films, die vom BAK den Auftrag hat, Schweizer Oscar-Kandidaturen koordinierend zu begleiten. Die Promotionskampagne benötigt viel Erfahrung und Knowhow, die von Swiss Films Jahr für Jahr angehäuft werden, während Produktionsfirmen oft zum ersten Mal damit konfrontiert sind – bei Hugofilm ist das nicht so, da Neracher bereits 2006 als Produzent Fredi M. Murers «Vitus» ins Oscar-Rennen schickte. Doch wie Laura Daniel von Swiss Films sagt, bringt die jährlich auf immer wieder neue Schultern verteilte Promotionsarbeit eine allgemeine Kompetenzsteigerung in der Filmbranche mit sich. 

 

Auch Geld ist erforderlich: Swiss Films leistet bis zur Shortlist-Aufnahme einen Maximalbeitrag von 40^,000 Franken, mindestens so viel hat die Produktion aufzubringen, hinzukommen kantonale Förderstellen und etwaige andere Geldgeber. Für «Drii Winter» werden so laut Neracher zwischen 110^,000 bis 120^,000 Franken für die Promotion eingesetzt. Eine gute Startbasis ist, dass der Film bereits an der Berlinale im Wettbewerb lief, dort international auf viel positive Kritik stiess und sogar eine lobende Erwähnung der Jury bekam. Nun geht es darum, den Film möglichst vielen (und prominenten!) Academy-Mitglieder zu zeigen, die dann anderen Kolleg:innen positiv davon berichten. Und das vorzugsweise im Kino! Der Film zeige einen «aussergewöhnlichen, exotischen Blick auf unser Land an einem Ort der Abgeschiedenheit und dennoch auch eine moderne Schweiz», und die Auseinandersetzung mit dem Tod sei insbesondere nach der Coronazeit wohl auch ein relevantes Thema, sagt Christof Neracher. Doch auch der Produzent meint, «Drii Winter» wirke mit seiner intensiven, aber auch bedächtigen Erzählweise, mit imposanten, aber im 4:3-Format heute unüblichen Kompositionen im gemeinschaftlichen Kinoerlebnis besser als bei einer individuellen Sichtung via Screening-Link. Zunächst werden am Zürich Film Festivals alle anwesenden Academy-Mitglieder in ein schmuckes Privatkino eingeladen, wo der Film in Anwesenheit von Regie und Produktion vorgeführt wird. Auch in den USA organisiert man später begleitete Vorführungen, zu denen einflussreiche Academy-Mitglieder eingeladen werden. Ein entscheidender Faktor ist zudem der richtige publicist. Dieser – so erklärt Laura Daniel – hat generell ein grosses Netzwerk, steht in guten Beziehungen zur Academy und organisiert die Events an mehreren Orten in Kalifornien. Er legt die Promotionsstrategie fest, pflegt Kontakte zur Presse und zu anderen filmrelevanten Organisationen. Am 21. Dezember wird die Shortlist verkündet: dann weiss man, ob sich der Aufwand gelohnt hat.