MENU Schliessen

Grüne Zukunftsaussichten für ein nachhaltiges Kino

Laurine Chiarini
14. November 2019

Nachhaltige und leicht umsetzbare Massnahmen gibt es ohne Zahl – von LED-Scheinwerfern bis zu natürlichen Kosmetika. © CC

Als Filmthema durchaus beliebt, spielen Umweltbelange im Produktionsprozess eine eher untergeordnete Rolle. Doch wie alle Wirtschaftszweige muss sich auch die Filmbranche Gedanken über ihren Umgang mit der Umwelt machen.

Allein in London verursacht die audiovisuelle Produktion jährlich rund 125ʼ000 Tonnen CO2, was den Emissionen von etwa 24ʼ000 Haushalten entspricht. Zahlreiche Wirtschaftssektoren setzen inzwischen auf grüne Strategien. Doch wie steht es mit der Filmbranche?

Die erste grosse Initiative für eine umweltverträglichere Produktion wurde 2007 in den USA von drei Frauen lanciert, die Mitglieder der Producers Guild of America sind. Nach drei Jahren intensiver Arbeit gab der Verband, mit Unterstützung der grössten amerikanischen Produktionsfirmen wie Disney, 20th Century Fox oder HBO, einen «Green Production Guide» heraus. In Europa wurde 2017 das Projekt «Green Screen» lanciert, mit dem Ziel, während seiner fünfjährigen Laufzeit den CO2-Fussabdruck der audiovisuellen Produktion in den acht teilnehmenden Ländern zu reduzieren. Das 2018 gegründete Umweltlabel «Green Cinema» richtet sich an Kinobetreiber und wurde bereits von zahlreichen Kinos in Europa übernommen, davon 33 in Deutschland.

Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, sind spezialisierte Firmen entstanden, die nachhaltige Dienstleistungen anbieten, wie Secoya Eco-tournage in Frankreich. Die in den USA, in Grossbritannien und Kanada tätige Green Product Placement ist derzeit das einzige «grüne» Mitglied der ERMA (Entertainment Resources and Marketing Association) und arbeitet regelmässig im Bereich der Produktplatzierung mit Hollywoodproduktionen zusammen. Neue Berufe wie «Green Consultant» sind entstanden. Die Nachfrage nach solchen Fachkräften ist vor allem in Deutschland gross, wie Jessica Hefti, Bereichsverantwortliche Produktion bei Focal, bestätigt. Die Stiftung bietet ab 2020 im Bereich Technik einen Kurs in nachhaltigem Management an. All diese Dienstleistungen konzentrieren sich jedoch auf die Produktions­phase eines Films, obwohl Faktoren wie Streaming, Klimatisierung der Kinosäle und Promotionstouren auch grossen Einfluss auf die CO2-Bilanz haben.

 

Anreize statt Zwang

Anlässlich des runden Tisches «Sustainability in action» an den Filmfestspielen von Cannes 2019 gab Nevina Satta, Direktorin der Fondazione Sardegna Film Commission, bekannt: «Wir werden alle Produktionsfirmen dazu zwingen, sich strikt an Umweltvorgaben zu halten». Auch für Jessica Hefti ist Nachhaltigkeit ein Muss, doch sie befürwortet einen anderen Ansatz. Die Einführung neuer Standards soll sich sowohl auf die Arbeitsweise wie auf das Image der Firmen positiv auswirken. Christiane Dopp von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein ist gleicher Meinung: Nachhaltiges Kino sollte kein Zwang sein. Die beiden Expertinnen sind sich ein einem Punkt einig: Es bringt nichts, alles auf einmal revolutionieren zu wollen; die Änderungen müssen Schritt für Schritt erfolgen. Ein Lösungsansatz liegt in der Ausbildung: In Deutschland hat die Abteilung Film der Hamburg Media School nachhaltiges Kino 2013 in ihr Studienprogramm aufgenommen. Sie ist in dieser Hinsicht jedoch noch eine Ausnahme.

Wie in jedem Arbeitsumfeld sind auch auf einem Filmset Anreize wirkungsvoller als Abschreckung. Das 2016 im Trentino gegründete italienische Label T-Green Film wird vergeben, wenn mindestens 26 der 50 aufgelisteten Massnahmen implementiert wurden. Obwohl die Umsetzung der Massnahmen durch Stichproben überprüft werden kann, ist niemand auf dem Filmset anwesend, um Regelverstösse zu verfolgen. Finanzielle Anreize können ebenfalls funktionieren, doch gibt es derzeit noch sehr wenige. Die aktive Mitarbeit aller Teammitglieder sichert man sich am besten, indem man jede Abteilung dazu auffordert, sich zu überlegen, wie sie ihre Arbeitsmethoden nachhaltiger gestalten könnte.

 

Konkrete Massnahmen

Der grösste Teil des CO2-Fussabdrucks ist auf Energie, Mobilität und Transport zurückzuführen. Die Hamburger Initiative Grüner Drehpass schlägt unter anderem vor, die Anzahl Drehorte und die Distanz zwischen diesen Orten zu verringern; eine Massnahme, die auch den Teams die Arbeit erleichtert. Die Schweiz – in Sachen Abfalltrennung und Recycling vorbildlich – sieht sich in dieser Hinsicht aufgrund des begrenzten Pools von Arbeitskräften und ihrer langen Tradition der Koproduktionen benachteiligt. Viele Fachkräfte müssen im Ausland rekrutiert werden, was eine hohe Reisetätigkeit generiert.

Eine der wirkungsvollsten Massnahmen, um bei den Dreharbeiten den Energieverbrauch zu senken, besteht darin, sich an das lokale Stromnetz anzuschliessen, anstatt Generatoren zu betreiben – was in der Schweiz eh nur selten der Fall ist. Gleichermassen ist es oft nicht nur kostengünstiger, sondern auch gesünder, auf einen Cateringanbieter mit lokalen Produkten zu setzen anstatt auf abgepackte Fertiggerichte. Es gibt zahlreiche Beispiele für einfach umsetzbare Massnahmen, die zu mehr Nachhaltigkeit führen, von LED-Beleuchtung bis hin zur Verwendung von Naturkosmetik. Auch Wegwerfbecher werden allmählich durch persönliche Trinkflaschen ersetzt. Für einen so kurzfristigen Prozess wie einen Filmdreh eine langfristige Vision zu entwickeln ist jedoch eine grosse Herausforderung. Deshalb ist es wichtig, so früh wie möglich im Produktionsprozess möglichst viele «grüne» Anteile einzubeziehen.

 

Im Dschungel der grünen Labels

Während in Europa zahlreiche Filmkommissionen ihre eigenen nachhaltigen Zertifikate eingeführt haben, existiert in der Schweiz kein vergleichbares Label. Es gibt jedoch einige Initiativen; so verwendet zum Beispiel das Schweizer Fernsehen eine von myclimate entwickelte Software zur Berechnung der CO2-Emissionen.

In Italien wurden bisher zehn Filme mit dem Label T-Green Film ausgezeichnet. Der Trentino Film Fund gibt anderen Filmkommissionen kostenlos Massnahmenkataloge und Ratschläge ab und verlangt im Gegenzug einen Schlussbericht, der dazu dient, die Sammlung von Best Practices zu ergänzen. Zudem wurde eine Musterliste erstellt, die je nach Land übersetzt und an die lokalen Drehbedingungen angepasst werden kann. Den Produzenteninnen und Produzenten könnte ein solch einheitliches Werkzeug, das beliebig angepasst werden kann, die Vorproduktionsphase erleichtern und kostbare Zeit einsparen. Die Wirkung eines Umweltlabels im Abspann oder auf einem Plakat ist jedoch nur schwer messbar: Derzeit gibt es keine Studie über den Marketingeffekt eines als nachhaltig ausgewiesenen Films. Zudem besteht die Gefahr, dass sich die Zuschauerinnen und Zuschauer in einem Dschungel grüner Labels verlieren und so mehr Verwirrung als Klarheit geschaffen wird.

Nachhaltige Praktiken in der Filmproduktion können dazu beitragen, die Kosten zu senken, den CO2-Ausstoss zu reduzieren und das Image der Produktionsfirmen positiv zu beeinflussen. Einen Mentalitätswandel unter den Filmschaffenden und dem Publikum zu bewirken ist jedoch eine Aufgabe, die nicht von heute auf morgen zu bewältigen ist.

 

▶  Originaltext: Französisch

Zwanzig Jahre Edi

Swissfilm Association / kah
11 November 2019

Interessieren Sie sich für den Schweizer Film?

Abonnieren Sie!

Tarife