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Das mexikanische Abenteuer

Mariama Balde
21. Dezember 2018

«La región salvaje» (2016) von Amat Escalante ist die erste Koproduktion des Westschweizer Produzenten Dan Wechsler mit Mexiko.

Die Schweiz hat in diesem Sommer zum ersten Mal ein Koproduktionsabkommen mit einem Land unter­zeichnet, das keine Landessprache spricht: mit Mexiko.

Der Schweizer Film verbucht in Mexiko deutlich weniger Kinoeintritte als der amerikanische Film, doch das hindert die Schweiz nicht daran, für ihre bilateralen Abkommen den Atlantik erneut zu überqueren. Denn nach Kanada ist Mexiko nun der zweite ausser­europäische Koproduktionspartner der Schweiz. Die Bedingungen sind relativ flexibel: Das Verhältnis der Produzentenbeiträge für einen Kinofilm kann zwischen 20% und 80% betragen. Derselbe Satz gilt übrigens auch für die Nachbarländer Italien und Luxemburg.

Weshalb gerade Mexiko? Laurent Steiert, der stellvertretende Leiter der Sektion Film im  Bundesamt für Kultur, erklärt die Wahl: «Erstens handelt es sich um ein grosses Land von Filmproduzenten und -konsumenten. Es scheint uns daher wichtig, in diesen Markt zu investieren. Zweitens besitzt das Land ähnliche Filmsubventionsstrukturen wie wir. Die Vorgehensweise der Koproduzenten untereinander dürfte für uns also einigermassen voraussehbar sein.» Das mexikanische Filminstitut (IMCINE), der öffentliche Filmsubvenient, verfügt nämlich über selektive und automatische Förderungsmechanismen, wie auch wir sie kennen.

Nur wenige minoritäre Koproduktionen

Es ist das erste Abkommen, das der Bund mit einem Land unterzeichnet, das keine Landessprache mit uns teilt. Diese linguistische Barriere und die geografische Distanz zwischen den beiden Ländern lässt natürlich die Frage aufkommen, wie eine Annäherung der beiden Kinematografien überhaupt möglich ist. Seit der Lancierung des Projekts im vergangenen Juli hätten denn auch mehrere Schweizer Produzenten dem Bundesamt für Kultur Fragen zur Umsetzung des Abkommens gestellt, sagt Laurent Steiert. «Wir wussten zwar, dass eine Nachfrage danach bestand, doch die vielen Anfragen überraschten uns dennoch.»

Der Genfer Produzent Dan Wechsler von Bord Cadre Films bedauert, dass der Kredit zur Förderung minoritärer Koproduktionen so gering ist. Man müsse noch weiter gehen. «Ob wir nun mit Deutschland oder Mexiko oder irgendeinem anderen Land Koproduktionen machen: unsere Kapazität beschränkt sich auf fünf oder sechs Langspielfilme pro Jahr. Die 40 oder 50 Produktionsgesellschaften, die in der Schweiz tätig sind, können also nicht alle koproduzieren.» Nach seinem Ermessen sollte das entsprechende Budget verfünffacht werden, um gute und solide internationale minoritäre Koproduktionen zu gewährleisten. Laurent Steiert zeigt sich optimistischer und sagt, die Schweiz habe nun die Komfortzone verlassen: «Mexiko ist das erste südamerikanische Land, mit dem wir einen solchen Vertrag unterzeichnet haben, und wir hoffen, dass sich das auf irgendeine Weise auf Nachbarländer wie Brasilien oder Chile auswirken wird.»

Mexiko zu Gast in Solothurn

In diesem Sinne widmen die 54. Solothurner Filmtage ihr Programm «Fokus» dem mexikanischen Filmschaffen. Wie bei den Rencontres de Coproductions Francophones (RCF), die im vergangenen August erstmals in der Schweiz stattfanden, lädt das Festival eine Delegation mexikanischer Produzentinnen und Produzenten sowie die Vertreterinnen und Vertreter der mexikanischen Förderstellen ein, damit sie sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus der Schweiz austauschen. «Es werden Produzenten anwesend sein, die an einer Zusammenarbeit mit dem Ausland interessiert sind. Solothurn wird Spiel- und Dokumentarfilme zeigen, die mit unseren Gästen in engem Bezug stehen. Wir möchten das breite und spannende aktuelle Filmschaffen aus Mexiko vorstellen», sagt Jasmin Basic, die Leiterin des Programms «Fokus». Unter den Gästen befindet sich auch Jaime Romandia mit seiner Gesellschaft Mantarraya, die 1998 entstand und sich für die Produktion und den Vertrieb von Filmen bekannter Regisseure einsetzt, wie beispielsweise Amate Escalante und Carlos Reygadas. Auch junge Produktions­firmen werden anreisen, zum Beispiel Panorama Global (2015 von Gerardo Gatica, Alberto Muffelmann und Moises Cosio gegründet), deren nächstes Projekt, «Frogtown», zwischen Los Angeles und Mexiko gedreht wird.

Die wenigen Schweizer Produzenten, die bereits mit Mexiko arbeiten, werden von ihren Erfahrungen berichten. So auch Dan Wechsler, der schon mehr als zehn südamerikanische Filme koproduziert hat. «Der Film ‹La región salvaje› von Amat Escalante (2016) ist mein erster kofinanzierter Film mit Mexiko. Damals suchten die involvierten mexikanischen Produzenten, unter ihnen auch Jaime Romandia, nach Partnern. Ich hatte die Gelegenheit, sie am Festival in Cannes im Rahmen eines Koproduktionsmarktes zu treffen. Da es zu jener Zeit nicht möglich war, den Film mit öffentlichen Geldern aus der Schweiz zu finanzieren, suchte ich private Geldgeber. Das führte zur Zusammenarbeit mit einem Autor, dessen Arbeit ich sehr bewundere. Ich pflege immer noch enge Kontakte mit mexikanischen Filmproduzenten. Nach ‹La region salvaje› arbeiteten Jaime und ich für ‹Nuestro Tiempo› von Carlos Reygadas.» Für den Produzenten ist das Koproduktionsabkommen zwischen der Schweiz und Mexiko nicht unerlässlich, doch es bietet einen günstigen Rahmen für eine Annäherung der beiden Kulturen. Es wird sich allerdings erst in einigen Jahren zeigen, ob die Verbindungen dauerhaft sind.

Neue Erfahrungen, neues Know-How

Seit dem Ausschluss aus dem MEDIA-Programm im Jahr 2014 hat die Schweiz einen Grossteil ihres Netzwerks und ihres Zugangs zum europäischen Markt verloren. Die Ersatzmassnahmen haben sich bewährt, sie funktionieren, können allerdings nicht alles wettmachen. Seit mehreren Jahren scheinen die bilateralen Abkommen ein integrierender Bestandteil der Schweizer Strategie zu sein, die einen neuen Antrieb auf internationaler Ebene bewirken soll. Laurent Steiert relativiert und warnt vor allzu vielen Partnern: «Wir möchten nur Koproduktionsabkommen schliessen, die wir auch wirklich umsetzen können. Es ist wichtig, sich nicht zu ver­zetteln.»

Einigkeit herrscht darüber, dass Koproduktionen dazu beitragen, Akteure aus dem eigenen Land zu engagieren und ihnen ein Auskommen zu ermöglichen: «Koproduzieren bedeutet nicht nur, sich an der Herstellung eines ausländischen Films zu beteiligen. Es bedeutet auch, Erfahrungen zu sammeln und das erweiterte Know-how für das Aufgleisen besserer Filme zu nutzen. Wir haben in Berufs- und Filmschulen viele Techniker und Kreative auf unsere Kosten ausgebildet, die zwischen zwei Filmen Daumen drehen müssen, währenddessen sie an einem ausländischen Film mitarbeiten könnten. So hätten sie das ganze Jahr zu tun und kommen nicht aus der Übung», sagt Dan Wechsler.

Trotz einer offensiveren Kulturpolitik hat die Zahl minoritärer Koproduktionen seit 2012 stark abgenommen. Nun werden von der Branche Reformen und Initiativen zur Unterstützung und Förderung von Filmschaffenden erwartet, die ihre Verbindungen über die Landesgrenzen hinaus erhalten oder neue Kontakte aufbauen möchten.

▶  Originaltext: Französisch

Fokus Mexiko–Schweiz

Dienstag, 29. Januar 2019

10:15 – 12:15 Uhr  I Kino im Uferbau

Presentation of the Mexican and Swiss

Production Systems and the Coproduction Agreement

13:30–15:00 I Kino im Uferbau

Case Studies

Moderation: Jasmin Basic. In English.

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