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Jetzt braucht es politische Einigkeit


13. November 2017

Es gab Zeiten, da sorgte in der Schweiz die Filmpolitik für mehr Spannung als mancher Film. Exponenten der Schweizer Filmbranche lieferten sich öffentliche Hahnenkämpfe, die Feuilletons füllten sich mit filmpolitischem Geplänkel. Doch worum, ausser um Lokomotiven, Giesskannen und Selbstzerfleischung ging es dabei genau? Ich kann mich nur noch vage erinnern. Auch den mit Film vertrauten Politikern erging es nicht anders. Zu diffus blieb, welches die prioritären Anliegen der Schweizer Filmindustrie waren.

Heute herrscht ein gemässigteres Klima: Die Schweizer Produzentenverbände denken über eine Fusion nach. Filmpolitische Diskussionen werden konstruktiv im Dachverband Cinésuisse geführt. Nach aussen tritt die Branche geeint auf, bringt Anliegen mit einer Stimme vor – fast schon wie die Bauern. Mit einem ersten Erfolg: Die angestrebte Standortförderung – die FISS – ist seit letztem Jahr in Kraft.

Dass zu viel Harmonie öffentliches Unbehagen auslöst, ist ein gesunder Reflex. An den letzten Solothurner Filmtagen warnte die NZZ vor einer «Blase des Wohlgefühls». Wenig später wurde gar über einen Realitätsverlust im Schweizer Film spekuliert.

 

Der Bauernverband machts vor

Doch verloren ging nicht die Realität. Es ist die alte Scheindebatte über Nischenfilme und publikumswirksame Traktoren, die sich erschöpft hat. Endlich! möchte man rufen.

In der politisch unberechenbaren Situation und mit einem Parlament, bei dem noch unklar ist, wie stark ihm die Filmkultur am Herzen liegt, braucht es jetzt nämlich gebündelte Energien. Gerade für die kommenden Monate – im Hinblick auf «No Billag» und die neue Kulturbotschaft – ist es wichtig, dass die Branche klare Forderungen formuliert. Wir müssen uns nicht nur überlegen, wie Filmförderung in Zukunft aussehen soll, sondern unseren Standpunkt auch mit Überzeugung und geschlossen politisch platzieren.

Hier können uns die Bauern tatsächlich als Vorbild dienen. Kaum ein anderer Verband weiss seine Interessen so gewieft zu vertreten. Und dies obwohl Biobauern und Gross­betriebe wohl mindestens so grosse Differenzen haben wie Experimentalfilmer und Produzenten von millionenschweren Filmen. Vom Prinzip des Kuhhandels haben sich die Bauern längst verabschiedet. Sie überzeugen mit Argumenten und gewinnen Volksabstimmungen. Und sie vernetzen sich. Der Vizepräsident des Schweizerischen Bauernverbandes, Fritz Glauser, wurde im Frühling nach jahrelangem Engagement auf europäischer Ebene als Präsident für den Weltverband vorgeschlagen. Sein Credo: Noch stärker mit einer Stimme sprechen und dementsprechend mehr Gehör erhalten. Man stelle sich vor, Cinésuisse-Präsident Matthias Aebischer würde zum Präsidenten von Eurimages ernannt. Der Schweizer Film wäre führend bei der Entwicklung einer Strategie für die Herausforderungen, die sich derzeit Länder übergreifend an Produktion und Distribution stellen.

Es ist mehr als wünschenswert, dass auch internationale Anliegen vermehrt auf der Agenda der Schweizer Filmpolitik stehen. Dazu gehört für mich auch eine systematische Aus- oder Weiterbildung junger Netzwerker und Netzwerkerinnen, die Filmpolitik genau so ernsthaft und professionell betreiben wie das Filmemachen selbst.

 

«No Billag» – was jetzt auf dem Spiel steht

Nein, das Ringen um filmpolitische Anliegen ist nicht verstummt. An der Cinésuisse-Retraite Anfang Jahr wurde kontrovers darüber diskutiert, welche Rahmenbedingungen es braucht, damit gute Filme entstehen können. Der Grund: Die Biodiversität in unserer Filmlandschaft ist beträchtlich. Dokumentarfilmschaffende brauchen Zeit für eine ausführliche Recherche, Drehbuchautorinnen und -autoren Freiraum zum Schreiben. Und die Produzenten genügend Dünger, damit am Ende auch etwas wächst. Auf Grund dieser unterschiedlichen Realitäten gehen unter den Branchenvertretern auch heute die Emotionen hoch. Im Unterschied zu früher finden die Diskussionen jedoch im Dachverband statt; die Gülle wird, wie bei schlauen Bauern, zuerst auf den eigenen Feldern verteilt.

Bei der bevorstehenden «No Billag»-Abstimmung steht nichts weniger als die kulturelle Grundversorgung der Schweiz auf dem Spiel. Analog zur kürzlich angenommenen Ernährungssicherheitsinitiative der Bauern sollten wir vehement und gemeinsam die «Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit nationaler audiovisueller Qualitätsware» fordern. Auch wenn wir intern nicht alle das Heu auf der gleichen Bühne haben.

Seraina Rohrer, Direktorin der Solothurner Filmtage

 

  Originaltext: Deutsch

 

 

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