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Wenn sich Koautoren streiten

Kathrin Halter
02. April 2020

Drehbuchversionen zu vergleichen, ist aufwändig. Aber machbar, dank dem neuen Angebot. ­ ©Debby Hudson / unsplash

Seit kurzem gibt es eine Schlichtungsstelle für Konflikte zwischen Koautoren von Drehbüchern, wenn ihre Anteile am Urheberrecht umstritten sind.

Es kommt ja nicht selten vor, dass verschiedene Autoren an einem Drehbuch arbeiten. Sei es, dass Produzenten eine Koautorin beiziehen, weil sie mit dem Treatment oder einer Drehbuchfassung noch nicht zufrieden sind. Sei es, dass die Regie eine vom Drehbuch abweichende Drehfassung erstellt – und dafür ebenfalls einen Anteil am Urheberrecht verlangt. Und bei Serien ist das Koautoren-­Prinzip schon fast die Regel.

Nun ist es in den letzten Jahren immer wieder – und immer häufiger – zu Konflikten gekommen, wenn sich Autorinnen und Autoren nicht einig wurden über ihren kreativen Anteil am Drehbuch. Dieser Anteil hat natürlich Auswirkungen darauf, wieviel man einnimmt dank Urheberrrecht – und darauf, wie man im Vor- und im Abspann genannt wird. Bis zu sechs Anfragen pro Jahr sind an den ARF/FDS, die SSA oder die Suissimage gelangt.

Nun haben diese Verbände gemeinsam mit der SRG eine Begutachtungs­stelle geschaffen, die bei solchen Konflikten klären und schlichten soll. Und so geht es: Unabhängige Expertinnen und Experten lesen die anonymisierten Drehbuchversionen und schreiben ein Gutachten. Dieses soll bei allfälligen Verhandlungen als Basis dienen. Die Abwicklung von Gesuchen und Gutachten übernimmt die Anwaltskanzlei Fuhrer Marbach & Partner in Bern, womit ein möglichst unparteiisches Verfahren gewährleistet werden soll.

 

Wenn Autoren nacheinander arbeiten

Aber wie genau soll so ein Gutachten entstehen? Und lassen sich kreative Prozesse überhaupt vermessen? Die Fragen gehen an Christa Capaul, Drehbuchautorin und Vizepräsidentin des ARF/FDS.

Die Begutachtungsstelle biete sich ausschliesslich für Konflikte an, in denen Autorinnen und Autoren unabhängig voneinander und nacheinander an einem Drehbuch gearbeitet haben: Nur so lassen sich zwei Fassungen miteinander vergleichen. Nicht geeignet ist das Schlichtungsverfahren, wenn der Text im Teamwork entstanden ist oder nach dem Pingpong-Prinzip (abwechselndes Überarbeiten). Das ist vor allem in Serien der Fall, wo diese Arbeitsweise häufig vorkommt, ­es sei denn, die Autorinnen arbeiten nacheinander.

Christa Capaul erinnert sich an einen Fall aus der Romandie, wo eine Teamwork-Serie hinsichtlich der Urheberrechte analysiert wurde. Die Head-Autorin, die das Vertrauen ihrer KollegInnen besass, brauchte dafür einen Monat – ein Riesenaufwand. 

Auch für Dokumentarfilme ist die Schlichtungsstelle nicht vorgesehen, da dort gänzlich andere Beurteilungskriterien als bei einem Spielfilm gefragt wären; ein solcher Streitfall ist Capaul bislang auch nicht bekannt. Vermutlich auch, weil im Dokumentarfilm Teamwork bei der Drehvorlage eher selten ist und Drehbuch und Regie oft von derselben Person verantwortet wird.

 

Wie Textversionen verglichen werden

Wie nun werden, wenn es dazu kommt, die Drehbuchversionen verglichen? Die Experten sollen eine Reihe von Kriterien berücksichtigen, die von Christa Capaul und der Drehbuchautorin und Filmemacherin Eva Vitija entworfen und anschliessend von den Träger­organisationen ergänzt worden sind. Dazu zählen Figuren und Figuren­konstellationen («Hat sich die Zusammensetzung der Figuren und ihrer Beziehungen untereinander entscheidend verändert?»), Plot und Story («Ist der Plot/die Story grundlegend anders?»), Dramaturgie («Wird der Plot grundlegend anders erzählt?»), Dialoge, Rhythmus oder Tonfall und Stil («Sind der Tonfall und der Film- und Schreibstil anders?»).

Wie aber kann der schöpferische Anteil einer Partei beziffert oder gar prozentual gemessen werden, zumal die Experten diese Anteile am gemeinsamen Werk «in Form einer Prozentangabe eindeutig festlegen» sollen, wie es im Reglement heisst? Da jede Änderung am Drehbuch Konsequenzen hat und meist weitere Anpassungen nach sich zieht, könne man die Wirkung einer neuen Entscheidung durchaus bemessen, so Capaul. So dürften Änderungen im Plot deutlich stärker gewichtet werden als Dialoge, da sich Geschichten im Spielfilm mehr über das Handeln der Figuren erzählen. Capaul: «Gute Geschichten werden in der Regel nicht von Dialogen getragen.» Ebenso dürfte eine neue Hauptfigur fürs Ganze gravierender sein als die Einführung neuer Nebenfiguren. Und so weiter.

Die Gewichtung der Kriterien bleibt dabei den Expertinnen und Experten überlassen – neun französisch- und deutschsprachigen Script-Coaches und Drehbuchberatern, die teilweise auch Italienisch und Englisch beherrschen. Wer ein Gesuch stellt, darf eine Expertin oder einen Experten des Pools wegen Befangenheit ausschliessen, erfährt aber nicht, wer das Gesuch am Ende beurteilt. Ein Anwalt von Fuhrer Marbach & ­Partner sorgt für den formal korrekten Ablauf. Und ja: Die Kosten sind niedrig: Sie betragen 300 Franken pro Partei, denn die Hauptkosten übernehmen die Trägerorganisationen.

 

 

▶  Originaltext: Deutsch

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