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Optimist ohne Wahl

Oswald Iten
27. September 2019

Oswald Iten (Bild: zvg)

Als Sohn eines ambitionierten ­Hobby-Fotografen und -Filmers wollte Richard Grell schon als Kind Kameramann werden. Mit zwölf Jahren begann er, mit Fotos für die Fricktalerzeitung sein Sackgeld zu verdienen. Bald fotografierte er für Keystone, wo ihn der ­Basler Michael Kupferschmidt unter die Fittiche und mit ins Labor nahm. Dennoch war damals kaum vorauszusehen, dass Grell als Inhaber und Geschäftsführer der Kameraverleih- und Postproduktionsfirma cinegrell eines Tages das letzte photochemische Filmentwicklungs­labor der Schweiz betreiben würde.

Auf Anraten seines Vaters machte er zuerst eine Lehre als Maschinenmechaniker. Nach dem Militärdienst verwirklichte er schliesslich doch seinen Bubentraum und arbeitete einige Jahre als Fernsehkameramann. Erst als eine Nachfrage für Digitalkameras auf Spielfilm­produktionen entstand, gründete er 2005 die cinegrell GmbH, die als Ergänzung zu den etablierten Filmkamera-Verleihern Digital­geräte anbot. Heute sieht sich Richard Grell eher als Techniker und Unternehmer denn als ­Kreativer.

 

Persönliche Sammlung alter Kameras

Grells Faszination für filmtechnische Maschinen, bei denen er als gelernter Mechaniker gerne selbst Hand anlegt, manifestiert sich auch in seiner persönlichen Sammlung alter Kameras, von denen einige in den Firmenräumlichkeiten zu bewundern sind. Der grosse Teil dieser Räume ist seit der Übernahme der Egli Film AG 2013 zudem mit Entwicklungsmaschinen und Filmscannern bestückt. Trotz vieler heute nur noch selten benutzter Arbeitsgeräte kommt keinerlei Museumsstimmung auf. Dafür weht zuviel frischer Wind durch die modernen Büros. Dem Besucher präsentieren sich eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre und ein freundschaftlicher Umgang, ab und zu hört man kurzes Gelächter.

Richard Grell ist voll des Lobes für seine Mitarbeiter, die am Colourgrading aktueller Spielfilme oder an der aufwendigen Restauration von Klassikern wie «Ueli der Knecht» feilen. Er selbst unterstützt die Projektverantwortlichen bei Kundenverhandlungen und Offerten, kümmert sich um Investitionen und technische Probleme, testet aber auch mal einen neuen Scanner. Doch gleich schickt er hinterher, dass er zwar gerne «ein bisschen alles» mache, manchmal jedoch loslassen müsse.

 

Politischer Kampf ums Überleben

Nicht zu unterschätzen ist die politische Arbeit, denn gerade in der Schweiz braucht es einen ständigen Kampf, dass die Leistungen, die cinegrell im Bereich Postproduktion und Restauration bietet, anerkannt werden. «Damit wir überhaupt eine Überlebenschance haben, müssen wir für unsere Rechte auch politisch kämpfen», so Grell. Hier ist die gleiche Leidenschaft zu spüren wie bei der Führung durch das Nasslabor, für dessen Erhaltung er sich so einsetzt. Er glaubt daran, dass es dieses Labor braucht in der Schweiz, zur Erhaltung des vorhandenen Know-Hows als auch zur zukunftssicheren Archivierung auf analogem Filmmaterial. Harddiscs und Masterbänder von frühen digitalen Filmen sind ja bereits heute nicht mehr alle lesbar.

Trotz Quersubventionierung durch den Postproduktionsbetrieb fürchtet Grell, dass er das Labor wahrscheinlich Ende Jahr schliessen muss, sollte sich keine Langzeitlösung abzeichnen. Möglichkeiten lägen genügend auf dem Tisch: ob auf institutionellem Weg mit einem Trägerverein, über einen Dauerauftrag zur Archivierung (beispielsweise der Preisträger des Schweizer Filmpreises) oder über eine Subventionierung mit Leistungsauftrag – Grell kann sich Vieles vorstellen und meint ohne Verbitterung: «Da muss nicht cinegrell draufstehen. Die Frage ist vielmehr: Will die Schweiz so ein Labor haben oder nicht?»

 

Neues Berliner Labor 

Neben Digitalisierungsaufträgen von aktuellen Spielfilmen aus Dänemark, Russland und der Schweiz hat sich cinegrell mit sorgfältigen Restaurierungen einen ausgezeichneten Ruf erworben. Dies bestätigt Heinz Schweizer, der als Spielfilmredaktionsleiter von SRF bereits bei vielen Restaurierungen mit cinegrell zusammengearbeitet hat. Er schätzt Grell als engagierten Firmenchef, der mit viel Herzblut bei der Sache ist. Auch das Asian Film Archive in Singapur hat die anspruchsvolle Restaurierung des Kung-Fu-Films «They Call Him Chop-Suey» trotz vermeintlich hoher Schweizer Preise und Zölle an cinegrell vergeben. Das Resultat lässt sich auf der Website begutachten.

Unterdessen wurde Grell von Kodak damit beauftragt, in Berlin ein Labor aufzubauen, um analoge Filmrollen von Spielfilmen zeitnah entwickeln zu können. Und gerade kommt ein Auftrag der Cinemathèque suisse ins Haus. Worüber sich der unkomplizierte und optimistische Firmenchef sichtlich freut. Die analoge Fotografie, der er einen Grossteil seines Know-Hows verdankt, betreibt er ­hingegen nur noch als Hobby.

 

▶  Originaltext: Deutsch

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