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Der Unbeugsame

Kathrin Halter
20. Mai 2018

Patrick Huber


Das Büro verbirgt sich in einem erhöhten Einbau im Kunstraum Walcheturm. Dort öffnet sich eine Abfolge von Arbeitsplätzen, klausenhaft verwinkelt mit niedriger Decke, sein Pult ist übersät mit Papieren und Büchern. Daneben arbeiten drei Mitarbeiter. Schon bald, am 26. Mai, beginnt die ­­20. Ausgabe von Videoex.

Patrick Huber leitet das «einzige Festival der Schweiz für Experimentalfilm und Video» seit der ersten Ausgabe von 1998. Damals fragte ihn Salome Pitschen vom Xenix, ob er mit ihr zusammen das Experimentalfilm- und Viper-Fenster des Kinos weiterführen wolle; Patrick Huber schlug stattdessen ein Festival vor. Seit 2000 ist das Festivalzentrum im Zürcher Kasernenareal beheimatet, wo er seitdem auch den Kunstraum Walcheturm leitet. Kunst und Film also – für sein Verständnis gehört das unteilbar zusammen.


Bereitschaft zum Schauen

Schon am Telefon macht der Kurator klar, dass er eigentlich nur über seine Arbeit reden möchte und nicht über sich selber. Aber da ein Porträt vorgesehen ist und er weiss, «wie es läuft», spielt er das Spiel mit. Fragen zu seiner Biografie schiebt er diskret zur Seite, dafür kommt er bei jenen Themen ins Feuer, die ihn begeistern – oder aufregen: Die fehlende Anerkennung für experimentelle Werke etwa oder die Förderpolitik des BAK, dieses «Bollwerk des Traditionellen», das durch starre Genrebegriffe oft ausschlösse, was einem konventionellen Verständnis von Film widerspricht: Cross-over-Formen zwischen Kunst, Film und Genres etwa sowie das Ungewohnte, Experimentelle eben, das laut Huber eine grundsätzliche «Bereitschaft zum Schauen» verlangt. Der Schweiz attestiert Huber ein seltsam verkrampftes Verhältnis zum Experi­mentalfilm. Die Vorstellung sei oft verzerrt, da noch von den (radikalen) Siebzigerjahren geprägt.

Tatsächlich kann das Festival eine lange Liste renommierter Autoren aufführen, die hier gezeigt oder entdeckt worden sind. Peter Liechti zum Beispiel hatte hier 2003 seine erste Werkschau in der Schweiz. Ein Coup gelang Huber 2006, als Peter Greenaway als Video-Jockey sein Grossprojekt «The Tulse Luper Suitcases» präsentierte. Dieses Jahr ist mit William Kentridge im Südafrika-Schwerpunkt ein Bekannter aus der Kunstwelt vertreten, aus der Schweiz sind Pauline Boudry und Renate Lorenz eingeladen, zwei Künstlerinnen, die vor drei Jahren in der Kunsthalle Zürich gastierten. Gleichzeitig hat das Festival mit durchschnittlich 3ʼ200 Zuschauern in der Publikumsgunst seit der Gründung kaum zugelegt und muss seit ein paar Jahren ganz ohne Unterstützung vom BAK auskommen. Das Budget (ohne Eigenleistungen) beträgt gerade mal 130ʼ000 Franken, von Stadt und Kanton Zürich gibt es 45ʼ000 respektive 35ʼ000 Franken. Das funktioniert nur dank Projektpartnern und Querfinanzierung. Da ist Selbstausbeutung mit im Spiel, gepaart mit dem Unwillen, die Ausrichtung zu öffnen und sich der Gunst eines breiteren Publikums anzupassen.


Partys und Kunsträume

Trotzdem: Er mache genau das, was er machen will, sagt Huber. Man glaubt es ihm, auch wenn er meist von früh bis spät arbeitet. Eine Parallelwelt hat er dennoch, auf einer Insel in Italien.

Aufgewachsen ist Huber in Brindisi, wo sein Vater als Auslandschweizer in einer Firma für Maggi arbeitete. Die Familie kehrte in die Schweiz zurück, als Patrick dreizehn war. Später studierte er an der ETH Architektur, war Mitarbeiter von Vittorio Magnago Lampugnani, Professor für Geschichte des Städtebaus. Dann begann er Ende der Achtzigerjahre in leerstehenden Räumen in Zürich Partys zu veranstalten oder diese in Kunsträume zu verwandeln. So rutschte er schnell in die Kunst­szene hinein, es entstanden viele Freundschaften. Das Projekt «Chill Out, Field» von Costa Vece und Patrick Huber landete in der Ausstellung «Freie Sicht aufs Mittelmeer» im Kunsthaus Zürich und wurde 1999 als «skulpturale Videolounge» an die Biennale von Venedig eingeladen. Schon damals praktizierte Huber das, was er heute im Grunde immer noch tut: Die Querfinanzierung von Kunst durch Feste.

Leute, die mit ihm gearbeitet haben, beschreiben ihn als manchmal chaotisch, aber immer engagiert an der Sache dran. Seine Abneigung gegen Fragen des Marketings ist bekannt. Simon Maurer, Kurator des Zürcher Helmhauses, beschrieb ihn schon 2001 im Tages-Anzeiger als «politisch denkenden Menschen, der dem kommerziellen Kunstbetrieb gegenüber immer Distanz bewahrt» habe.

Seit es die Viper nicht mehr gibt, ist Videoex zumindest in der Deutschschweiz das letzte Festival, das primär auf Experimentalfilme setzt. Allerdings ist ihm mit dem «Bild­rausch» auch neue Konkurrenz erwachsen, gerade weil die Basler Veranstalter weniger puristisch programmieren und auch Autorenkino mit einbeziehen. Dass sich ein Festival, um zu überleben, auch verändern muss, hat Huber jedoch verstanden. Jedenfalls hat er schon mal mit Samir, dem Betreiber der Kosmos-Kinos, über eine mögliche Zusammenarbeit gesprochen. Dies wäre schon in Sachen Komfort ein Zugeständnis.


▶ Originaltext: Deutsch

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