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Der Bandleader

Kathrin Halter
06. Januar 2020

Micha Lewinsky, Drehbuchautor und Regisseur

Es gibt bei Micha Lewinsky diese scheuen, unauffälligen Männer, die sich immer etwas ungeschickt anstellen und die man glatt übersehen würde, wenn ihnen nichts Ungewöhnliches zustossen würde. Es sind dann meist die selbstbewussteren Frauenfiguren, die den aktiven Part übernehmen und die Männer zwingen, Farbe zu bekennen.

Der Prototyp dieser meist komödiantisch ausgeprägten Lewinsky-Figur ist Philippe Graber in «Der Freund» (2008), ein schon fast krankhaft scheuer Student, der noch bei Mutter lebt und sich nie getraut, eine begehrte Sängerin anzusprechen, bis ihn diese für ihre Zwecke benutzt und damit gewissermassen ins Leben katapultiert. In «Nichts ­passiert», Lewinsky Drama von 2015, wird das Lebensprinzip des Nichtstuns und Aussitzens dann ins Düster-Groteske gewendet.

 

Der Anruf bei der russischen Botschaft

Und nun also «Moskau Einfach!», eine einfallsreiche, gut getimte Observations- und Verwechslungskomödie über die Fichen­affäre, die als Eröffnungsfilm an den Solothurner Filmtagen läuft und, grobe Schätzung, dem Autoren-Regisseur einen Publikumserfolg wie dereinst bei der «Standesbeamtin» (2009) bescheren dürfte. Auch hier taucht er wieder auf, der Mann auf verlorenem ­Posten. Philippe Graber spielt einen Polizeibeamten, der in eine Produktion am Schauspielhaus Zürich infiltriert wird, wo er imaginierte linke Umtriebe bespitzeln soll. Natürlich läuft bald alles aus dem Ruder, nicht zuletzt, weil sich der Polizist in eine Schauspielerin verliebt. Eine aufgeweckte, natürlich. Nicht von ungefähr denkt man da sofort an «Die Schweizermacher».

Frage an Micha Lewinsky: Woher rührt eigentlich seine Liebe zur Komödie – und woher sein Faible für besagten Männer-Typus? Haben diese etwa mit ihm selber zu tun? Natürlich tun sie das! ruft Lewinsky und lacht. Dann ernster: «Ich bin sicher jemand, der Unsicherheit und Selbstzweifel hat und diese auch zulässt.»

Zumindest ist Micha Lewinsky nicht jemand, der sich gerne reden hört. ­Lieber spricht er über seine Arbeit. Die Komödie sei wohl «seine Ausdrucksart», «jene Tonalität, zu der ich, gar nicht so bewusst, immer wieder finde». Wenn ein Film oder ein Buch keinen Humor habe, verliere er schnell den Draht dazu; wenn umgekehrt Schreckliches mit Humor und Wärme erzählt wird, berührt ihn das umso stärker.

Manchmal braucht es vielleicht auch genug zeitliche Distanz zum Stoff. Über die Absurditäten des Fichen- und Überwachungsstaats lässt sich heute leichter lachen als damals. Als der PUK-Bericht 1989 vorgelegt wurde, war Lewinsky Siebzehn. Auch er wurde abgehört, als er mit Dreizehn wegen eines Schulaufsatzes über die Transsibirische Eisenbahn bei der russischen Botschaft anrief, um nach einem Prospekt zu bitten. Das bescherte ihm eine Fiche: «Es war wie ein Ritterschlag!» So ernst wurde man genommen.

 

Mit Neun die erste Band

Aufgewachsen ist Micha in Zürich Seebach. Die Mutter Ruth Lewinsky war Grafikerin und Illustratorin, der Vater Charles, den er manchmal in der Kantine des Schweizer Fernsehens besuchte, «stellte für die Unterhaltungsbranche Humor her», verfasste neben TV-Drehbüchern aber auch Theaterstücke (die Bücher kamen später). Ein kulturaffiner Haushalt.

Mit Neun spielte Micha in seiner ersten Band, von da an hat er immer wieder Musik gemacht, bis heute, als Gitarrist in wechselnden Bands und Formationen. Er hat für die Jugendzeitung Toaster geschrieben und die Redaktionsleitung übernommen, CDs für Kinder (die «Ohrewürm»-Sampler) produziert, für das Migros Kulturprozent das Kulturbüro in Zürich aufgebaut, ein Ort, wo man billig Kameras und andere Geräte mieten kann. Mit Dreissig dann fing er mit dem Drehbuchschreiben an. Sein kreativer Impuls beschreibt Lewinsky, ganz Understatement, so: «Ich habe keine Ausbildung abgeschlossen und nichts Richtiges gelernt, sondern immer Neues ausprobiert und Ideen umgesetzt. So, wie andere Modelleisenbahn bauen oder ein Töffli auseinandernehmen, wollte ich eines Tages wissen, ob ich es schaffe, ein Drehbuch zu schreiben.»

 

Selber ausprobieren

Er schaffte es; das dritte, «Weihnachten», wurde dann verfilmt. Neben den eigenen Büchern hat er immer auch für andere ge­schrie­ben, «Sternenberg» (2004) zum Beispiel von Christoph Schaub. Und was macht er lieber, Regie führen oder Schreiben? «Immer das andere!» kommt es schnell.

Die Produzentin Anne-Catherine Lang beschreibt ihn als Teamplayer, der zwar klare Vorstellungen mitbringt, sich aber gerne umstimmen lässt; ein vielseitig Kreativer, der wenn möglich Dinge selber ausprobiert. Er selber formuliert es so: Bis heute gehe es ihm in der Arbeit darum, das  gemeinschaftliche, unbeschwerte Erleben aus der Kindheit wiederzufinden. Er nennt es auch «das Gefühl, eine Band zu sein».

 

▶  Originaltext: Deutsch

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