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Ich schaue, seit ich Kind bin Serien. Mir gefällt, wie man in diesem Format Spannung und Aufmerksamkeit erzeugen kann. Eine meiner ersten Lieblingsserien war «Twin Peaks». Natürlich schaue ich auch Spielfilme, aber bei den Serien ist das Besondere, dass man mit den Figuren und der Handlung über eine längere Zeit hinweg mitleben kann.
Ich setze stark auf Serien, habe aber auch ein paar Spielfilmprojekte in Bearbeitung. Für mich definiert der Inhalt, welches Format das geeignetste für dessen Umsetzung ist. Es gibt beispielsweise Inhalte, die gut eine Miniserie geben könnten. Wenn man die Geschichte aber nicht zerstückeln kann, dann ist es ein Spielfilm. Das eine schliesst das andere aber nicht aus. Wir haben mit «Tschugger» mehrere Serienmarathons im Kino organisiert, was gut funktioniert hat. Ich denke für die Zukunft der Kinos ist es wichtig, sich zu öffnen und auch Serien zu zeigen.
Nicht explizit. Es ist aber toll, wenn man auch die Zuschauer im Kino begeistern kann. Wir produzieren so hochwertig wie möglich, und «Tschugger» hat cineastische Bilder, die sich im Kino gut machen.
Wenn wir entwickeln und schreiben, ist immer ein Redaktor des Schweizer Fernsehens dabei, der zu den Inhalten Rückmeldungen gibt, der berät, und sich konstruktiv einbringt. Dann haben wir einen Herstellungsleiter, der die ganzen rechtlichen und Budgetfragen betreut. Und natürlich sind die Hauptverantwortlichen für Fiktion und Serien unsere Begleiter.
Grundsätzlich habe ich die Zusammenarbeit immer konstruktiv und projektorientiert erlebt. Manchmal stellt der Redaktor oder die Redaktorin den Fäkalhumor im Drehbuch infrage oder fragt, ob es so viel Drogen und Sex in der Geschichte braucht. Das ist aber auch verständlich, da sich die Serie ja an ein breites Publikum richtet und das Schweizer Fernsehen einen öffentlichen Auftrag hat.
Die erste Staffel war unsere erste Serie und das erste derart umfangreiche Projekt überhaupt. Jede Staffel war ein Lernprozess. Es hat uns niemand gesagt, wie es geht. Bei der zweiten haben wir bereits vieles anders gemacht, wir waren viel effizienter. Und nun produzieren wir zwei Staffeln gleichzeitig, was fast 60 Drehtage sind. Nach der ersten Drehwoche hatten der Regisseur David Constantin und ich das Gefühl, dass wir es langsam im Griff haben. Doch dann waren wir neulich im Kino und haben im Abspann des Films gesehen, wie klein unser Team im Vergleich dazu ist. Das Grip-Department der zweiten Unit war fünfmal so gross wie unsere gesamte erste Einheit. Es geht also auch noch grösser. Was uns betrifft, wir wollen uns von Projekt zu Projekt, inhaltlich wie qualitativ, weiterentwickeln. So haben wir weiterhin Spass daran.
Die Eigenständigkeit und das Urtümliche dieser Dialekte gefällt mir. Es liegt eine Wärme und Kraft darin. Ich finde, es ist etwas, das man erhalten muss. Jedes Projekt, das damit spielt und diese kulturellen Eigenschaften und Eigenheiten in die Welt hinausträgt, beteiligt sich auch an deren Erhalt, an dem Erhalt der Kultur. Deswegen finde ich es wichtig, dass man nicht einen verwaschenen Bahnhof-Olten-Brei macht, sondern auf die lokalen Eigenheiten der Leute eingeht.
Wir spielen genau damit, dass es in der Realität nicht so ist. Es ist schön, dass die SRG und das RTR uns da die Freiheit lassen, diese Realität abzubilden. Mein Anliegen war immer, dass es authentisch ist. Auch bei den Wallisern. Ich wollte nicht, dass man den Figuren eine Sprache in den Mund legt, die aufgezwungen ist. Es gibt Filmprojekte in der Schweiz, in denen die Darsteller einen anderen Dialekt sprechen müssen, weil es inhaltlich so verankert ist. Wenn ein Darsteller einen anderen Dialekt spricht, kann man auch damit spielen. Damit ein Darsteller sich einen anderen Dialekt aneignen kann, braucht es viel Vorbereitung mit einem Sprachcoach, auch am Set.
Das Angebot und damit die Konkurrenz sind international so gross, dass man eine eigenständige Geschichte braucht, aber auch eine qualitativ hochwertige Produktion. Wir schauen alle Netflix, Sky, Amazon, HBO und alle anderen Streamer. Gut produziert heisst übrigens nicht per se teuer, das geht auch mit einer einigermassen schlanken Produktion. Wichtig ist die gute Idee, die Geschichte.
Es wird mehr Budget geben, mehr internationale Koproduktionen und an sich mehr Möglichkeiten, auch in der Zusammenarbeit mit dem Schweizer Fernsehen.
In allen Abteilungen fehlt es an Fachkräften. Für gewisse Positionen gibt es nicht mal eine handvoll gute Leute in der Schweiz, und wenn zwei Fiktionsproduktionen parallel laufen, wird es sehr schnell eng. So sind Produktionen immer wieder gezwungen, Mitarbeiter aus dem Ausland zu engagieren.
Es brodelt seit ein paar Jahren an verschiedenen Stellen und einzelne Aktionen wurden schon unternommen. Im Rahmen der IG Unabhängige Schweizer Filmproduzenten haben wir als Erstes eine Übersicht über diese Aktivitäten erstellt. Wir sind mit der Branche im Gespräch sowie mit allen möglichen Institutionen wie der RAV (Regionale Arbeitsvermittlung), den Schulen und Verbänden. Auf einer neuen Plattform sollen einerseits die Berufe vorgestellt, andererseits Stellen ausgeschrieben werden. Wir hoffen, dass wir den Nachwuchs fördern, aber auch die Arbeitsbedingungen für die bestehenden Filmschaffenden verbessern, und schliesslich Quereinsteiger gewinnen können. Salopp gesagt kann ein Schreiner beispielsweise sehr gut in der Ausstattung aufgehoben sein, ein Mechaniker kann beim Licht einsteigen, ein Logistiker in der Produktion.
2000-2005 Studium der Publizistik, Film-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte; Interne Produzentin Postproduktion in Zürich
2005-2007 Interne Produzentin in den Niederlanden
2006 Geburt ihres Sohnes
2007 Rückkehr in die Schweiz, Betreuung von «Product Placements» für SRF
2008-2013 Freiberufliche Produzentin
2013 Festanstellung bei Shining Pictures, Produktion zahlreicher Auftragsfilmproduktionen
2015-2019 Produktion der Webserien «Rocco» und «Hamster» für Swisscom, «Mitsch Dri» für Openair Gampel
2020 Partnerin und Ausführende Produzentin bei Shining Film, Aufbau des eigenen Bereichs Fiktion
2020-2022 Produktion der 1. und 2. Staffel der TV-Serie «Tschugger» für SRF/Sky
2022-2024 Produktion der TV-Serien «Mindfuck Yourself», 1. Staffel, für SRF; «L‘Ultim Rumantsch», 1. Staffel, für RTR; und der 3. und 4. Staffel von «Tschugger» für SRF
Die Fragen stellte Adrien Kuenzy
26 Mai 2023