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Treffpunkt: Sophie Toth

Teresa Vena
26. Mai 2023

Die Dreharbeiten für die dritte und vierte Staffel von «Tschugger» sind im Gang, im Mai beginnen sie für «L’Ultim Rumantsch». Produziert werden beide Serien von Shining Film. Wir trafen die verantwortliche Produzentin, die auf einem internationalen Niveau mitspielen will, am Set.

Schauen Sie selbst Serien, und was mögen Sie an diesem Format?

Ich schaue, seit ich Kind bin Serien. Mir gefällt, wie man in diesem Format Spannung und Aufmerksamkeit erzeugen kann. Eine meiner ersten Lieblingsserien war «Twin Peaks». Natürlich schaue ich auch Spielfilme, aber bei den Serien ist das Besondere, dass man mit den Figuren und der Handlung über eine längere Zeit hinweg mitleben kann. 

 

Sie bauen bei Shining Film die Abteilung Fiktion auf. Werden Serien dabei eine tragende Rolle spielen? 

Ich setze stark auf Serien, habe aber auch ein paar Spielfilmprojekte in Bearbeitung. Für mich definiert der Inhalt, welches Format das geeignetste für dessen Umsetzung ist. Es gibt beispielsweise Inhalte, die gut eine Miniserie geben könnten. Wenn man die Geschichte aber nicht zerstückeln kann, dann ist es ein Spielfilm. Das eine schliesst das andere aber nicht aus. Wir haben mit «Tschugger» mehrere Serienmarathons im Kino organisiert, was gut funktioniert hat. Ich denke für die Zukunft der Kinos ist es wichtig, sich zu öffnen und auch Serien zu zeigen.

 

Denken Sie bereits während der Herstellung an eine mögliche Auswertung im Kino?

Nicht explizit. Es ist aber toll, wenn man auch die Zuschauer im Kino begeistern kann. Wir produzieren so hochwertig wie möglich, und «Tschugger» hat cineastische Bilder, die sich im Kino gut machen.

 

In der Schweiz ist der Hauptpartner bei Serien bisher das Schweizer Fernsehen. Wie präsent ist es während des Produktionsprozesses?

Wenn wir entwickeln und schreiben, ist immer ein Redaktor des Schweizer Fernsehens dabei, der zu den Inhalten Rückmeldungen gibt, der berät, und sich konstruktiv einbringt. Dann haben wir einen Herstellungsleiter, der die ganzen rechtlichen und Budgetfragen betreut. Und natürlich sind die Hauptverantwortlichen für Fiktion und Serien unsere Begleiter.

 

Bei welchen Punkten kann es zu Reibungen oder konkreten Meinungsverschiedenheiten kommen?

Grundsätzlich habe ich die Zusammenarbeit immer konstruktiv und projektorientiert erlebt. Manchmal stellt der Redaktor oder die Redaktorin den Fäkalhumor im Drehbuch infrage oder fragt, ob es so viel Drogen und Sex in der Geschichte braucht. Das ist aber auch verständlich, da sich die Serie ja an ein breites Publikum richtet und das Schweizer Fernsehen einen öffentlichen Auftrag hat.

 

Was ist bei der dritten und vierten Staffel von «Tschugger» anders als bei der ersten beiden?

Die erste Staffel war unsere erste Serie und das erste derart umfangreiche Projekt überhaupt. Jede Staffel war ein Lernprozess. Es hat uns niemand gesagt, wie es geht. Bei der zweiten haben wir bereits vieles anders gemacht, wir waren viel effizienter. Und nun produzieren wir zwei Staffeln gleichzeitig, was fast 60 Drehtage sind. Nach der ersten Drehwoche hatten der Regisseur David Constantin und ich das Gefühl, dass wir es langsam im Griff haben. Doch dann waren wir neulich im Kino und haben im Abspann des Films gesehen, wie klein unser Team im Vergleich dazu ist. Das Grip-Department der zweiten Unit war fünfmal so gross wie unsere gesamte erste Einheit. Es geht also auch noch grösser. Was uns betrifft, wir wollen uns von Projekt zu Projekt, inhaltlich wie qualitativ, weiterentwickeln. So haben wir weiterhin Spass daran.

 

Nachdem Sie sich mit dem Sonderfall Walliser Deutsch auseinandergesetzt haben, waren Sie dafür prädestiniert, sich bei «L’Ultim Rumantsch» auch mit dem Rätoromanisch zu beschäftigen?

Die Eigenständigkeit und das Urtümliche dieser Dialekte gefällt mir. Es liegt eine Wärme und Kraft darin. Ich finde, es ist etwas, das man erhalten muss. Jedes Projekt, das damit spielt und diese kulturellen Eigenschaften und Eigenheiten in die Welt hinausträgt, beteiligt sich auch an deren Erhalt, an dem Erhalt der Kultur. Deswegen finde ich es wichtig, dass man nicht einen verwaschenen Bahnhof-Olten-Brei macht, sondern auf die lokalen Eigenheiten der Leute eingeht.

 

Es gibt bereits eine Serie auf Rätoromanisch, «Metta da fein». Die Darsteller sind Muttersprachler, natürlich, aber haben sich auf eine gemeinsame Sprache geeinigt. Wie lösen Sie das bei «L’Ultim Rumantsch»?

Wir spielen genau damit, dass es in der Realität nicht so ist. Es ist schön, dass die SRG und das RTR uns da die Freiheit lassen, diese Realität abzubilden. Mein Anliegen war immer, dass es authentisch ist. Auch bei den Wallisern. Ich wollte nicht, dass man den Figuren eine Sprache in den Mund legt, die aufgezwungen ist. Es gibt Filmprojekte in der Schweiz, in denen die Darsteller einen anderen Dialekt sprechen müssen, weil es inhaltlich so verankert ist. Wenn ein Darsteller einen anderen Dialekt spricht, kann man auch damit spielen. Damit ein Darsteller sich einen anderen Dialekt aneignen kann, braucht es viel Vorbereitung mit einem Sprachcoach, auch am Set.

 

Was macht eine Schweizer Serie international konkurrenzfähig?

Das Angebot und damit die Konkurrenz sind international so gross, dass man eine eigenständige Geschichte braucht, aber auch eine qualitativ hochwertige Produktion. Wir schauen alle Netflix, Sky, Amazon, HBO und alle anderen Streamer. Gut produziert heisst übrigens nicht per se teuer, das geht auch mit einer einigermassen schlanken Produktion. Wichtig ist die gute Idee, die Geschichte.

 

Was erwarten Sie als Produzentin von der Umsetzung der «Lex Netflix»?

Es wird mehr Budget geben, mehr internationale Koproduktionen und an sich mehr Möglichkeiten, auch in der Zusammenarbeit mit dem Schweizer Fernsehen.

 

Ist die Schweizer Filmbranche darauf vorbereitet?

In allen Abteilungen fehlt es an Fachkräften. Für gewisse Positionen gibt es nicht mal eine handvoll gute Leute in der Schweiz, und wenn zwei Fiktionsproduktionen parallel laufen, wird es sehr schnell eng. So sind Produktionen immer wieder gezwungen, Mitarbeiter aus dem Ausland zu engagieren.

 

Was muss zur Entspannung der Situation getan werden?

Es brodelt seit ein paar Jahren an verschiedenen Stellen und einzelne Aktionen wurden schon unternommen. Im Rahmen der IG Unabhängige Schweizer Filmproduzenten haben wir als Erstes eine Übersicht über diese Aktivitäten erstellt. Wir sind mit der Branche im Gespräch sowie mit allen möglichen Institutionen wie der RAV (Regionale Arbeitsvermittlung), den Schulen und Verbänden. Auf einer neuen Plattform sollen einerseits die Berufe vorgestellt, andererseits Stellen ausgeschrieben werden. Wir hoffen, dass wir den Nachwuchs fördern, aber auch die Arbeitsbedingungen für die bestehenden Filmschaffenden verbessern, und schliesslich Quereinsteiger gewinnen können. Salopp gesagt kann ein Schreiner beispielsweise sehr gut in der Ausstattung aufgehoben sein, ein Mechaniker kann beim Licht einsteigen, ein Logistiker in der Produktion.

Biografie

2000-2005 Studium der Publizistik, Film-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte; Interne Produzentin Postproduktion in Zürich

2005-2007 Interne Produzentin in den Niederlanden

2006 Geburt ihres Sohnes

2007 Rückkehr in die Schweiz, Betreuung von «Product Placements» für SRF

2008-2013 Freiberufliche Produzentin

2013 Festanstellung bei Shining Pictures, Produktion zahlreicher Auftragsfilmproduktionen

2015-2019 Produktion der Webserien «Rocco» und «Hamster» für Swisscom, «Mitsch Dri» für Openair Gampel

2020 Partnerin und Ausführende Produzentin bei Shining Film, Aufbau des eigenen Bereichs Fiktion

2020-2022 Produktion der 1. und 2. Staffel der TV-Serie «Tschugger» für SRF/Sky

2022-2024 Produktion der TV-Serien «Mindfuck Yourself», 1. Staffel, für SRF; «L‘Ultim Rumantsch», 1. Staffel, für RTR; und der 3. und 4. Staffel von «Tschugger» für SRF

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