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Kreative Ideen gesucht

Adrien Kuenzy
01. November 2022

Prächtiger Saal im Basler Kino Küchlin. © Oliver Lang

Mehr Begleitveranstaltungen in die Kinosäle bringen? Stärker mit Streaming-Plattformen zusammenarbeiten? Auf Verteiler- und Betreiberseite herrscht darüber keine Einigkeit.

In Diskussionsrunden taucht das Thema immer wieder auf: Events müssen her, um das Kino vor dem Untergang zu bewahren… Funktioniert das auf Festivals nicht bereits gut? Seit der Lancierung einiger Transformationsprojekte (lesen Sie dazu unsere Juni-Ausgabe 533) zeigen sich Kinobetriebe von ihrer kreativen Seite, erfinden sich neu. Auch mit Sondervorführungen wie den Jubiläumsprogrammen der Zauberlaterne, die in zwei Monaten mehr als 15’000 Zuschauer anzogen und zu mehr Abonnements führten. An Beispielen fehlt es nicht in der Schweiz, Gastronomie-Events und Opernaufführungen im Kino inbegriffen.

Laut Xavier Pattaroni sind das «Versuche, es allen recht zu machen, indem man beispielsweise Ciné-Brunchs organisiert». Der Programmchef der Cinemotion-Säle gibt sich vorsichtig. «Diese Veranstaltungen braucht es, aber sie dürfen den Kinoalltag nicht dominieren, das wäre der falsche Weg.» Andere sind umso fantasie­reicher in ihrem Bestreben, Publikum anzulocken, etwa mit Game-Anlässen und Karaoke-Sessions, angegliederten Bowlingbahnen und Grossbildschirmen für Sportübertragungen, wie sie blue Cinema anbietet. Für Laurent Dutois, bei Agora Films im Verleih tätig und Betreiber der Kinos Les Scala, Le City und Le Nord-Sud in Genf, «schaufelt das Kino mit solcher Diversifizierung des Angebots nur weiter am eigenen Grab. In unseren Sälen liegt der Anteil der Sonderprogramme bei acht Prozent. Ich finde es illusorisch zu glauben, den Rückgang der Besucherzahlen mit derlei Veranstaltungen kompensieren zu können.»

Frank Braun, Mitglied der Geschäftsleitung der Neugass Kino AG mit ihren Zürcher Kinos Riffraff und Houdini, zählt weitere publikumswirksame Massnahmen auf. Spezial-Events mit eingängigen Titeln wie «Sneaky Sunday». Oder eine «Halloween Night» für Nachtschwärmer. Aber abgesehen davon, dass solche Veranstaltungen nicht immer das Stammpublikum vergrössern, «liegt die Zukunft der Kinos in der Sorgfalt bei der Programmgestaltung. Die Leute reissen sich heutzutage nicht mehr um eine Kinokarte. Man muss geduldig sein und die Entwicklung genau verfolgen – nur so haben die Filme eine Chance.»

Tatsächlich gibt es Produktionen, die ihre eigentliche Zugkraft erst mit der Zeit entfalten – ein stetes Va-banque-Spiel für den Betreiber. Erfolgreich war es im Fall von «Drive My Car», der sich 25 Wochen lang auf der Leinwand hielt und am Ende für 5154 verkaufte Karten allein im Riffraff sorgte (in der Schweiz waren es laut ProCinema insgesamt 17’868). «Man muss optimistisch bleiben. Es heisst immer, das Publikum komme nicht zurück, aber wir dürfen nicht vergessen, dass zwischen 60 und 70 Prozent der Zuschauer wieder in den Kinos sind, das sollte man auch mal zur Kenntnis nehmen. Auch wenn die Zeiten angesichts der Gewinnmarge, die die Kinos bei den Einnahmen erzielen, zweifellos hart sind.»

 

Mit vereinten Kräften vorgehen

Wie das Transformationsprojekt, für das die Unternehmen Kosmos-Kultur AG (Kinos Kosmos) und Neugass Kino AG (Kinos Riffraff, Houdini, Bourbaki) sich zusammengetan haben, im Detail aussieht, wird in Kürze bekannt gegeben. «Es handelt sich um eine Online-Plattform, bei der die Filme im Mittelpunkt stehen. Der Zuschauer kann wählen, ob er sie in einem unserer Kinos oder auf unserer Online-Plattform sehen möchte, oder auch beides», erklärt Frank Braun, seinerseits fürs Bespielen von 20 Leinwänden zuständig.

Eine verstärkte Kooperation mit den Streaming-Plattformen gehört ebenfalls zu den Ideen der Branche zur Ankurbelung der Kinobetriebe, und dies umso mehr, als die Auswertungskaskade fortwährend in Bewegung ist. «Für die Streamer ist es eine gute Werbung, wenn sie ihre Filme für kurze Zeit in den Kinos zeigen, bevor sie online gestellt werden», meint Xavier Pattaroni. «Diese Verkürzung der Auswertungsfenster sendet jedoch kein gutes Signal.» Frank Braun steht der Entwicklung positiver gegenüber. «Wenn ein Netflix-Film online geht, nachdem er in unseren Kinos gezeigt wurde, merkt man bei uns keinen Rückgang der Besucherzahlen.» Aus unternehmerischer Sicht enttäuscht ihn dennoch, dass der Streaming-Gigant Filme, die für die Grossleinwand vorgesehen sind, in der Schweiz oft zurückhält. «Bislang macht das alles aus finanzieller Sicht nicht viel aus, wenn man die Gesamtzahl unserer Abschlüsse betrachtet. Aber wir halten lieber die Augen offen und verfolgen, wie sich die Nachfrage entwickelt, damit wir für Veränderungen gerüstet sind.»

 

Originaltext Französisch

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