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Editorial

Gegen die Ohnmacht 

 

Ich weiss nicht, wie es Ihnen ergeht, aber das aus der Pandemie vertraute Gefühl, ein Stück weit ausgeliefert zu sein, sich auch im Privaten schützen zu müssen, greift gerade wieder um sich. Klimanotstand, Energienotstand, der Terror des Krieges, man mag es kaum noch lesen. Hinzu kommt das leise beschämende Gefühl hinzu, in der Schweiz gegenüber anderen Ländern immer noch sehr privilegiert zu sein. 

Gegen Gefühle der Ohnmacht hilft bekanntlich Handeln. Vor zwei Jahren entstand, initiiert von der Zürcher Filmstiftung, eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel, das Film- und Kulturschaffen in der Schweiz viel nachhaltiger zu gestalten. Auf ihrer im Januar vorgestellten Website sustainablearts.ch warten die beteiligten Institutionen nun mit einer wichtigen Neuerung auf: Bald soll ein für die Schweiz einsetzbarer CO2-Rechner bereitstehen, der die Emissionen von Filmproduktionen messen soll. Weshalb das mehr ist als Symbolpolitik und inwiefern solche Instrumente zu konkreten Verbesserungen führen sollen, erfahren Sie in unserem Beitrag in diesem Heft. 

Solche Anstrengungen sind natürlich keine Schweizer Erfindung, das belegt eine Nachricht von letzter Woche: So vermeldet das Filmfestival San Sebastian (16.–24. September), dass es seinen umweltschädigenden Fussabdruck durch diverse Massnahmen bisher um 62 Tonnen CO2-Äquivalente reduziert hat. Das Festival, das dieses Jahr seine 70. Ausgabe feiert, hat sich zum Ziel gesetzt, klimaneutral zu werden. 

Komplexer wird es, wenn Veranstalter oder Förder-Institutionen gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen oder beschleunigen, Vorurteile und Verhaltensmuster ändern wollen, die nicht nur auf unsere (schlechten) Gewohnheiten, sondern auf verinnerlichte Vorstellungen, auf unser Denken und Fühlen zielen. 

 

Wandel von unten

Dazu hat auch Rachel Schmid etwas zu sagen, seit drei Jahren Focal-Direktorin, mit der wir ein langes Gespräch (auch) über Veränderungen und Erneuerungen innerhalb der Weiterbildungsinstitution geführt haben. Sie weist darin auch auf ungesunde Arbeitsbedingen beim Film hin, darauf, dass das Filmschaffen hierzulande immer noch sehr hierarchisch organisiert sei und oft überfordernd, wenn auf Phasen der Überarbeitung Phasen von Arbeitslosigkeit folgen. Laut Schmid müssten wir uns jedenfalls überlegen, wie das Arbeitsumfeld wieder attraktiver werden kann. Notwendiger Wandel sei hier ein strukturelles Problem, das man angehen kann, «ähnlich wie das Thema Nachhaltigkeit.»

Und doch lassen sich solche Änderungen wohl nur begrenzt mit den Hebeln der Filmförderung durchsetzen: «Es ist wie bei der Gleichberechtigung, die kann man auch nicht von oben einfordern.» Wandel geschehe eher von unten, so Rachel Schmid, zum Beispiel dank neuen Generationen. 

Das hat man auch bei der Zürcher Filmstiftung beobachtet: Es seien oft junge Filmschaffende, die von sich aus vermerken, wie sie sich bei der Umsetzung ihrer Filme in ökologischer Hinsicht verhalten wollen.

 

Nachtrag: Kurz vor Drucklegung erfahren wir, dass Jean-Luc Godard gestorben ist, nur gerade zwei Tage nach dem Tod von Alain Tanner. Obwohl ein Nachruf auf Godard nun zwangsläufig fehlt im Heft (eine Hommage finden Sie auf unserer Website), haben wir kurzentschlossen sein Bild auf das zweite Cover gesetzt. Um wenigstens eine Spur zu hinterlassen.  

 

Kathrin Halter
Redaktorin Deutschschweiz

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