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Schlecht bezahlt!

Pascaline Sordet
22. Juli 2021

Der zweite Teil der Studie über die Bezahlung der Drehbuch- und Regiearbeit bestätigt das Resultat des ersten Teils: Im Vergleich zur Arbeitszeit verdient man in diesen Berufen nur wenig, unabhängig vom Gesamtbudet und vom künstlerischen Erfolg der Filme.   

 

 

Für praktisch alle Berufsgruppen der Filmbranche gibt es Vereinbarungen hinsichtlich der Art und Weise, wie Arbeitstage oder –wochen angemessen bezahlt werden sollen. Das gilt jedoch nicht fürs Drehbuch und die Regie (übrigens auch nicht für Produzent­Innen, die als UnternehmerInnen gelten), und der ARF/FDS möchte diesen Notstand nun endlich beheben.

Nach einer ersten, 2020 in Solothurn vorgestellten Studie stellt der Verband Filmregie und Drehbuch Schweiz in Locarno den zweiten Teil seiner Umfrage zur Entschädigung der AutorInnen vor. Sie konzentriert sich dieses Mal ausschliesslich auf Filme, die 2020 und 2021 für einen Schweizer Filmpreis nominiert worden sind oder zwischen Herbst 2019 und Januar 2021 einen regionalen Filmpreis erhalten haben. Ziel sei es, erklärt Lisa Blatter, Vorstandsmitglied beim ARF/FDS, herauszufinden, wie und in welchen Arbeitsphasen bei Filmen, deren künstlerische Qualität von einer Jury bestätigt wurde, Entschädigung und investierte Arbeitszeit auseinanderklaffen.

Um genauere Ergebnisse zu erzielen wurde die Methodik verfeinert, und die Arbeitsphasen wurden in viel mehr Einzelschritte aufgeteilt: 35 Phasen bei Spielfilmen, davon 8 für das Verfassen des Drehbuchs, und 42 Phasen bei Dokumentarfilmen.

 

Mehr Erfolg – aber nicht mehr Geld

Wenig überraschend haben die prämierten Filme in der Regel von intensiverer Arbeit profitiert. Im Dokumentarfilmbereich nehmen Montage und Postproduktion 22 Prozent mehr Zeit in Anspruch; was die Spielfilme anbelangt, ist die Vorbereitung der Dreharbeiten um 34 Prozent aufwendiger. Der Knackpunkt dabei ist, dass die dafür gezahlten Honorare und Löhne nicht mitgestiegen sind. Die prämierten Filmemacher verdienen also im Endeffekt schlechter als solche, deren Filme keine landesweite oder regionale Nominierung erhalten haben.

Um pauschal gesehen ein höheres Erwerbseinkommen zu erzielen, müssten die AutorInnen schneller arbeiten. Lisa Blatter zieht allerdings den umgekehrten Schluss aus der Studie: Anspruchsvolle Filme bedeuten ein Mehr an Arbeit, also muss auch mehr Geld für sie ausgegeben werden. Irene Loebell, die die Studie von Anfang an geleitet hat, sieht das genauso: «Seit der Solothurner Studie wissen wir, dass unsere Einnahmen niedrig sind. In welchem Ausmass manche DrehbuchautorInnen und RegisseurInnen preisgekrönter Filme für ihren erhöhten Arbeitsaufwand zugunsten besserer Filme bestraft werden, hat uns dennoch überrascht».

Eine weitere Überraschung: Gut finanzierte Filme bedeuten keine höheren Löhne… Ein Budget von 3,5 Millionen kann sich in einem Tagessatz von 400 Franken oder auch bloss 160 Franken niederschlagen. Ob es um Drehbuch oder Regie geht, um Spiel- oder Dokumentarfilme, das Gesamtbudget des Films hat keinerlei Einfluss auf die Bezahlung. Ein Befund, der der landläufigen Annahme widerspricht, Filme mit kleinen Budgets seien für das finanzielle Überleben ihrer AutorInnen besonders problematisch.

 

Bezahlung weit unter dem Schweizer Durchschnitt

Nur 19 Prozent der in den beiden Erhebungen erfassten DrehbuchautorInnen verdienen 300 Franken oder mehr pro Arbeitstag, was einem Gehalt von 6ʼ300 Franken im Monat entspricht.  Der Durchschnitt liegt unter 3ʼ000 Franken. Für jene, die nicht selber realisieren, stellt sich die Lage etwas besser dar: 36 Prozent fallen darunter, der Durchschnitt liegt bei 4ʼ200 Franken.

Was die Spielfilm-Regie anbelangt, verzeichnet die erste Erhebung einen Durchschnitt von 4ʼ600 Franken, die zweite kommt auf 3ʼ800 Franken. Zum Vergleich: 2018 lag das Schweizer Durchschnittseinkommen bei 6ʼ500 Franken. Die Vergütung erfolgt indessen häufig pauschal für den gesamten Film; die beiden Befragungen errechnen dafür einen Mittelwert von 77ʼ500 Franken.

Noch schlechter stellt sich die Situation für den Dokumentarfilm dar. Beide Befragungen zusammengenommen verdient nur eine von 37 Personen mehr als 300 Franken am Tag. Von den AutorInnen der ausgezeichneten Filme niemand. Das Durchschnittseinkommen im Dokumentarfilmbereich liegt bei 2ʼ500 Franken, während der niedrigste Referenzlohn für FilmtechnikerInnen (etwa bei einer Regieassistenz in Ersteinstellung) heute bei 4ʼ300 Franken liegt, also fast doppelt so hoch.

 

Fokus auf der Arbeitszeit

Infolge der Pandemie hat die erste Studie zu keiner breiten Diskussion geführt. Dennoch stellen die beiden Frauen unter den Mitgliedern des ARF/FDS eine Sensibilisierung fest. Diese wenden sich häufiger vor einer Lohnverhandlung an den Verband, um herauszufinden, was man fordern kann und wo man Stopp sagen muss.

Zu diesem Ziel bereitet der Verband einen vorläufig so genannten «Aufwandrechner» vor, der die Arbeit in zahlreiche Abschnitte zerlegt und für jeden eine Richtarbeitszeit vorschlägt. Der Plan dabei: Filmemacher und Produktion gehen das Ganze gemeinsam durch und tauschen so genauere Informationen über die veranschlagte Arbeitszeit aus. Das erleichtert nicht nur die Honorarverhandlungen, es sollte auch zu einem engeren Austausch über die beiderseitigen Erwartungen führen. Irene Loebell: «Wir möchten, dass die Lohnverhandlungen einen vernünftigen Ausgleich zwischen Arbeitszeit und Pauschale bewirken. Vor kurzem ging ein Dossier für einen Dokumentarfilm mit einer Pauschale in Höhe von 35ʼ000 Franken für zwei Personen für die gesamte Umsetzung über meinen Schreibtisch. Das ist kein professioneller Rahmen für eine Arbeit von zwei Jahren».

Lisa Blatter möchte klarstellen: «Wir sagen nicht, dass es keine Filme mit Minimalbudget geben darf, trotz aller Schwierigkeiten bei der Finanzierung haben sie ein Existenzrecht. Aber wenn ein Film zu 100 Prozent finanziert ist, müssen die RegisseurInnen und die AutorInnen korrekt bezahlt werden».

 

▶  Originaltext: Deutsch

 

«Erfolg hat seinen Preis!»

Präsentation der Studie

Donnerstag 6. August, 17h

Branchenpodium und Apéro
mit den Solothurner Filmtagen.

Sport Café Locarno – Via della Posta 4 –

Locarno

 

Die Studie ist ab 6. August auf der Website des ARF/FDS  verfügbar.

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