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«Meist geht es um die Beziehung zum Publikum»

Kathrin Halter
22. Juli 2021

Lisa Fuchs ist stellvertretende Leiterin der Fachstelle ­Kultur beim Kanton Zürich. © zvg

In Zürich konzentriert sich die Filmszene der Deutschschweiz, hier gibt es besonders viele Unternehmen, die Transformationsprojekte planen. Lisa Fuchs, Verantwortliche für die Covid-Finanzhilfen beim Kanton Zürich, über Eingaben aus dem Film, das verfügbare Geld und den Sinn von Kooperationen. 

 

Wieviele Gesuche zu Transformationsprojekten (TP) hat die Fachstelle Kultur des Kantons Zürich bisher erhalten?

Insgesamt 64 Gesuche aus allen Kultursparten. Bemerkenswert ist, wieviel aus dem Film kommt: Acht Gesuche sind schon bei uns eingegangen, zu zehn weiteren fanden Beratungsgespräche statt. Die Anfragen aus dem Filmbereich betreffen die gesamte Auswertungskette von der Produktion über den Verleih, Vertrieb und den Kinos bis hin zu Dienstleistungsanbietern.

 

Wurden schon Gesuche aus der Filmbranche bewilligt?

Nein, Entscheide für Gesuche wurden bisher noch keine kommuniziert. Die Resonanz auf die Transformationsprojekte in dieser Branche ist sehr gross und wir gehen im Augenblick davon aus, dass noch weitere Gesuche eingereicht werden. Deshalb haben wir beschlossen, uns zuerst mit der Zürcher Filmstiftung und der Stadt abzusprechen und eine Auslegeordnung zu machen, bevor wir entscheiden, wie wir damit umgehen wollen. Weil der Kanton Zürich der grösste ist, vermuten wir, dass wir die allermeisten Filmgesuche aus der Deutschschweiz erhalten. Voraussichtlich ab der zweiten Augusthälfte wollen wir dann, wie der Kanton Bern auch, die Entscheide fortlaufend mitteilen und auf unserer Website veröffentlichen.

 

Es gibt ja zwei Kategorien von TP: Solche, die ein Unternehmen neu ausrichten und solche, die ein erweitertes Publikum (wieder-)gewinnen wollen. Welche Kategorie wird bei Filmprojekten bevorzugt?

Eindeutig die zweite, das gilt übrigens für alle Kultursparten. Bei den uns aktuell bekannten Transformationsprojekten aus dem Filmbereich geht es mehrheitlich um die Beziehung zum Publikum. In sämtlichen Gliedern der Auswertungskette sollen Publikumssegmente direkter und vor allem gezielter angesprochen werden, etwa mit kuratierten Programmen. 

 

Die Projekte bezwecken eine «Anpassung von Kulturunternehmen an die durch die Pandemie veränderten Verhältnisse». Wie soll das gehen, wenn sich die Gesundheits-Situation laufend verändert? 

Die Verbindung zu Corona ist ja nur eine von verschiedenen Vorgaben. Wir versuchen diese jedenfalls grosszügig auszulegen, sonst würde es wahnsinnig kompliziert. Oberstes Ziel ist es, die Unternehmen mithilfe eines Transformationsprojekts fit zu machen für die Zeit nach Corona. Es geht nicht um sogenannte «Überlebensprojekte», mit denen die aktuellen Folgen der Pandemie kurzfristig überbrückt werden sollen. Die Transformation soll also nachhaltig sein und auf die Zeit danach fokussieren, und es sollte glaubhaft werden, dass das Projekt das Unternehmen in seiner langfristigen Planung und Positionierung stärkt. Die digitale Umwälzung zum Beispiel begann ja schon lange vor der Pandemie, sie wurde dadurch lediglich verschärft. Das gilt auch für die Filmbranche.

 

In Zürich hat es deutlich mehr Filmunternehmen als in anderen Deutschschweizer Kantonen. Genügt das vorhandene Geld?

Der Regierungsrat hat festgehalten, dass 20 Prozent der Mittel, die für Covid-Finanzhilfen im Kulturbereich im Kanton Zürich zur Verfügung stehen, für TP genutzt werden sollen. Das sind insgesamt rund 10 Millionen Franken. Entsprechend gross ist unser Interesse an soliden und nachhaltigen Projekten. Wir sehen darin, gerade auch im Hinblick auf all die Veränderungen, die die Pandemie im Kulturbereich ausgelöst hat, eine grosse Chance. Deshalb haben wir unsere Kommunikation intensiviert, machen Online-Veranstaltungen für alle Interessierten zu den Transformationsprojekten oder Beratungsgespräche mit Kultur­unternehmen, um ihre Ideen und Konzepte vor der Gesuchseingabe zu besprechen. Das hat sich bewährt, die Feedbacks aus der Branche sind sehr positiv. 

 

Die Beratungsgespräche sind also dazu da, die Chancen der Projekte zu erhöhen?

Genau. Die Gesuchseingabe, so wie sie vom Bund vorgegeben wird, unterscheidet sich deutlich von der Beantragung regulärer Fördergelder. Die transformativen Aspekte eines Projektes müssen herausgearbeitet, deren Zielsetzungen klar definiert werden. Das erfordert ein Nachdenken über die strategische Ausrichtung einer Kulturinstitution. Das ist komplexe und aufwendige Arbeit! Die Idee der Transformation kommt stark aus dem Management und besagt, dass ein Unternehmen, das marktfähig sein will, sich laufend an sein Umfeld und die Bedürfnisse der Interessengruppen anpassen, gewissermassen konstant in Bewegung bleiben muss. 

 

Worin besteht die Rolle der Zürcher Filmstiftung?

Die Filmstiftung ist unsere Partnerin für alle Gesuche aus dem Filmbereich. Für die Prüfung der Transformationsprojekte haben wir einen neuen Prozess definiert. Sie werden zum einen aus der Management-Perspektive (Publikumsmanagement oder Organisationsentwicklung) geprüft, wofür wir zwei externe Expertinnen beigezogen haben. Zweitens wird jedes Gesuch aus kultureller Perspektive geprüft – dafür ist im Filmbereich die Zürcher Filmstiftung zuständig –, drittens aus finanzieller Perspektive. Entschieden werden die Gesuche von der Geschäftsleitung der Fachstelle Kultur. Die Gesuchseingabe ist für alle Kulturunternehmen offen, da werden gemeinnützige Unternehmen gleich behandelt wie kommerzielle. 

 

Sind Kooperationen ein Thema?

Auf alle Fälle. Wir sehen, dass gleiche Berufsgruppen – wie Verleiher­Innen oder KinobetreiberInnen – ähnliche Vorhaben planen. Da versuchen wir die Betriebe auf mögliche Kooperationen hinzuweisen. Bei Investitionen in die Software zum Beispiel kann es nicht die Aufgabe der öffentlichen Hand sein, jedem Verleih ein teures Programm zu finanzieren. Gespräche zeigen, dass viele die Branche primär als sehr kompetitiv wahrnehmen. Wir haben jedoch den Eindruck, dass die Gespräche über mögliche Kooperationsmodelle in den Köpfen etwas auslösen. Wie sehr sich das in den Projekten niederschlägt, und ob Synergien tatsächlich genutzt werden, wird sich zeigen. Uns würde es freuen, wenn die Filmbranche gestärkt aus dieser Pandemie herauskommt und mit ihr das eine oder andere langfristige Kooperationsprojekt. 

 

Wie gut ist der Austausch mit anderen Kantonen? 

Insgesamt funktioniert der Austausch sehr gut. Im Hinblick auf die Transformationsprojekte habe wir einen regen Austausch mit Basel und Bern. 

 

Braucht es nicht eine nationale Perspektive?

Ja, die ist notwendig. Da stehen viele Fragen an. Eine nationale Koordination hingegen ist Aufgabe des BAK.

 

Was hat die Pandemie in der Kultur bewirkt? Was wird sich deshalb längerfristig ändern?

Die Art und Weise des Kulturkonsums. Natürlich gibt es immer noch die grosse Lust auf gemeinschaftliche Erlebnisse. Gleichzeitig haben wir uns längst daran gewöhnt, dass wir von Fall zu Fall entscheiden, ob wir etwas online oder vor Ort erleben wollen. Wir erwarten, dass auch nach der Pandemie ein Literaturfestival eine Zoom-Lesung mit einer mexikanischen Autorin anbieten wird. Oder dass wir unseren Filmkonsum weiterhin autonom gestalten können und weniger als früher vom Kino-Angebot abhängen. Da geschieht etwas mit uns. Dass Kulturprojekte heute fast selbstverständlich auch digital angeboten werden, macht den Zugang für viele Menschen zugleich viel niederschwelliger. Das ist auch ein grosser Gewinn und eine Stärkung der kulturellen Teilhabe.

 

Ende 2021 enden die Ausfallentschädigungen. Eine Prognose für die Zeit danach?

In so instabilen Zeiten, wie wir sie gerade erleben, tue ich mich etwas schwer mit Prognosen. Was die letzten rund eineinhalb Jahre aber deutlich gezeigt haben: Der Staat, die Politik, respektive die Gesellschaft sind bereit, der Kultur mit unterschiedlichen Massnahmen das Überleben zu sichern. Wer etwas über die Landesgrenzen hinaus schaut, weiss, dass dies nicht selbstverständlich ist. Das ist ja die wichtigste Idee hinter den Transformationsprojekten: Dass die Unternehmen in der Post-Pandemie überleben, wenn es nach 2022 keine Ausfall­entschädigungen mehr gibt. 

 

▶  Originaltext: Deutsch

Transformationsprojekte

Kulturunternehmen mit Sitz in der Schweiz können für Kosten, die für Transformationsprojekte entstehen, Beiträge in Form einer nicht-rückzahlbaren Finanzhilfe beantragen. So sieht es die Covid-19-Kulturverordnung vor. 

Unterstützt werden zwei Kategorien von Projekten, welche die Anpassung von Kulturunternehmen an die durch die Pandemie veränderten Verhältnisse bezwecken: 

 

1. Anpassung und strukturelle Neuausrichtung des Kultur­unternehmens (Verschlankung, Kooperationen, Fusionen und ähnliches);

2. Projekte, welche die Wiedergewinnung von Publikum oder die Erschliessung neuer Publikumssegmente bezwecken.

 

Transformationsprojekte decken höchstens 80 Prozent der Kosten eines Projekts und betragen maximal 300ʼ000 Franken pro Kulturunternehmen. Gesuche können bis zum 30. November 2021 bei den von den Kantonen bezeichneten Stellen eingereicht werden. Der Bund beteiligt sich zur Hälfte am vom Kanton zugesagten Beitrag an das Transformationsprojekt. Die Projekte müssen bis zum 31. Oktober 2022 abgeschlossen sein. 

 

Beitragskriterien finden sich auf den Websiten des BAK sowie der Kantone.

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