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Corinna Glaus über E-Casting

Kathrin Halter
11. Februar 2021

«Stürm: Bis wir tot sind oder frei» (Regie: Oliver Rihs) wurde von Nina Moser und Corinna Glaus gecastet. Im Bild: Joel Basman und Marie Leuenberger.

Welche Rolle spielen E-Castings in ihrer Arbeit? Worin sehen Sie ihre Vor- und Nachteile?

E-Castings sind ­– international gesehen, aber zunehmend auch in der Schweiz –  ein fester Teil des Casting-Prozesses geworden. Die Vorteile sind offensichtlich: in einer ersten Casting-Runde kann man mehr Leute ansprechen, das kann für Schauspieler eine Chance bedeuten. Zudem fallen für Produktionsfirmen Reisespesen weg. Der Nachteil ist die Beliebigkeit, wenn Produktionen 50 oder 100 Leute anschreiben und entsprechend beliebige Videos erhalten. Ich versuche das seriös zu leiten, informiere die eingeladenen Schauspielerinnen und Schauspieler genauso wie für ein Live-Casting und erwarte, dass sie sich ebenso gut vorbereiten. 

 

Wieviele Leute werden im Schnitt zu einer ersten Runde eingeladen?

Das hängt von Projekten und Rollen ab. Für Hauptrollen gehen fünf bis höchstens zehn Einladungen an SchauspielerInnen und ihre Agenturen, bei Nebenrollen sind es ebenfalls max. 10 Personen pro Rolle – ausser wenn der Spielraum grösser ist, wenn für eine Männerrolle zum Beispiel auch Frauen in Frage kommen oder wenn auch Leute teilnehmen sollen, die wenig bekannt oder weniger gut dokumentiert sind. Offene Aufrufe, wie es sie im Internet gibt, machen wir hingegen keine – das wäre zu oberflächlich und beliebig. Direkte Einladungen sind viel effizienter und seriöser.

 

Finden Live-Casting während der Pandemie überhaupt noch statt? 

Ja, das kam vereinzelt vor, ist aber schrecklich (lacht). Man muss die Leute einzeln kommen lassen, man muss Begegnungen verhindern, oft lüften. Vorher gibt es Schnelltests, und die Masken werden nur kurz für das gemeinsame Spiel entfernt. Deshalb wird momentan meist auf Live-Castings verzichtet. In Deutschland sind die Regeln noch strenger, eine Planung mit deutschen Schaupielern ist momentan fast unmöglich.  

 

Werden E-Castings nach der Pandemie noch wichtiger sein als zuvor?

Sie werden sicher bleiben. In Zukunft wird es natürlich wieder Live-Castings geben – die direkte Begegnung zwischen Regie und Schauspielern muss einfach sein. Unabdingbar sind auch sogenannte Konstellations-­Castings, um zu merken, ob die Chemie zwischen Darstellern stimmt. 

 

Was bedeuten die Schauspielerportale für die Arbeit der Casterinnen und Caster? 

Es gibt Produktionen, die sich die Casting-Directors sparen wollen und Anfragen auf Plattformen oder auf Social Media lancieren, und natürlich gibt es weltweit Hunderttausende Schauspielerinnen und Schauspieler, die auf Arbeit warten… Ich hatte das wenige Male für eine Produktion gemacht: man muss dann 50 oder mehr Videos laden, anschauen, anschreiben, auswerten und antworten…. Es bedeutet ein grosser Mehraufwand und ist ineffizient, wenn man E-Castings nicht so sorgfältig pflegt wie Live-Castings. 

 

Schauspieler-Portale bedeuten für Caster also eine zunehmende Konkurrenz?

Ja, dem ist so, zumindest für einen Teil der Castingarbeit. Es gibt Portale, wo man ein Drehbuch eingeben kann sowie Rollenprofile mit diversen Merkmalen, worauf Algorithmen aufgrund der Datenbank Vorschläge «aus­spucken». Der Rückgriff auf solche Datenbanken ist bei No- und Lowbudget-Films auch völlig okay, bei grossen Produktionen droht Beliebigkeit und Oberflächlichkeit. Für uns sind Portale wie filmmakers.de aber auch ein Arbeitsinstrument, ich kann als Casterin dort Projekte anlegen und mich mit Regie und Produktion austauschen. 

 

Schauspieler kritisieren an E-Castings, dass damit Verantwortung und zusätzliche Arbeit an sie delegiert wird. 

E-Castings sind schon eine neue Anforderung, denn SchauspielerInnen müssen ja alles auf einmal verantworten, die Regie, die Kamera, das Schauspiel… Deshalb haben wir bei Focal auch Seminare dazu angeboten. Wir CasterInnen bieten teils direkte Hilfe an. Es braucht allerdings keine professionelle Kamera – ein Smartphone, ein Computer und ein Internetzugang genügen. Wichtig ist es, Spielpartner zu organisieren für die Dialog-Szenen, sonst funktioniert es nicht wirklich. Der Partner oder die Partnerin kann auch im Off sein oder nur angeschnitten sichtbar, man konzentriert sich ja auf die Schauspieler, um die oder den es geht. Jetzt während der Pandemie ist auch das Anspiel erschwert. Viele SchauspielerInnen haben aber auch viel Spass an dieser Form von Castings und sind sehr kreativ. 


▶  Originaltext: Deutsch

 

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