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Der 4-Prozent-Schock

Samir, Regisseur und Produzent
09. November 2020

Im Bundeshaus wird um 4 Prozent Investitionspflicht gestritten. © bern.ch

Als im Nationalrat die Investitionspflicht von 4 auf 1 Prozent gekürzt wurde, war das für viele ein Schock. Vielleicht ein heilsamer, wenn nun auch jüngere Filmschaffende aufgeweckt werden: Einmischung tut not!

Wir haben ein Problem: In der Schweizer Filmbranche haben offensichtlich die meisten Kollegen und Kolleginnen das Gefühl, dass Filmpolitik sie nichts angeht. Mit Ausnahme einer Handvoll junger ProduzentInnen gilt das Engagement der jüngeren Filmschaffenden vor allem ihren eigenen Filmen. Dabei geht es um die Zukunft dieser jungen Generation. Und das alles in einem Moment, in dem wir vor der gewaltigen Aufgabe stehen, die Herausforderung der digitalen Umwälzungen in der globalen Filmindustrie zu analysieren und Instrumente zu finden, damit wir in unserem kleinen Land mithalten können.

Wir alle wissen um das alte Problem der Auswertung kleiner Kinofilme, die angesichts der Mainstream-Konkurrenz unterzugehen droht. Wir wissen auch, dass die SRG das Budget für Kinofilme nicht mehr erhöhen will, sondern lieber in Serien investiert. Hinzu kommt die Dominanz der neuen digitalen Plattformen (Netflix, Disney+, AppleTV etc.). Dazu eine Zahl: Netflix hat inzwischen 2 Millionen Abonnenten in der Schweiz! Ein Abo kostet momentan zwischen 12 und 22 Franken pro Monat. Rechne! Und natürlich sind da noch die grossen Schweizer Player wie SwisscomTV (neu Blue TV) und die UPC-Cablecom mit ihrem Filmangebot.

 

Einmischung ist dringend nötig

Swisscom und Netflix kaufen zwar ab und zu einige unserer Filme, aber sie investieren nicht in unsere Stoffe. Die ProduzentInnen können ein Klagelied singen, wie oft sie bei Netflix mit Film- oder Serien-Ideen aufgelaufen sind. Offensichtlich ist die Schweiz ein gutes Geschäft für Netflix, aber nicht von Interesse als produktiver Filmmarkt.

Das neue Filmgesetz, das vom BAK und den Branchenverbänden ausgearbeitet wurde, hat deshalb einige neue und gute Vorschläge, um den Schweizer Film auf Plattformen konkurrenzfähig zu machen und die finanziellen Möglichkeiten für die Filmbranche zu verbessern. Eine davon ist die 4-Prozent-Investitionspflicht für grosse nationale und internationale Streaming-Plattformen.

Anfang Jahr bereiteten sich die Filmverbände in der Cinésuisse auf die Lobby-Arbeit im Parlament vor, unterstützt von Bundesrat Berset. Alle waren optimistisch. Doch dann kam die Überraschung in der WBK des Nationalrats: Einige wenige bürgerliche Nationalräte hatten gegen die Investitionspflicht Stellung bezogen. Nur dank grossem Engagement durch SP-Nationalrat Matthias Aebischer konnte die Kommission umgestimmt werden. Offensichtlich hatten Netflix und auch die Swisscom bei etlichen Nationalräten lobbyiert, um sie gegen die Filmgesetz­änderung aufzubringen.

Das hätte für die ganze Filmbranche eigentlich ein Signal sein sollen, dass es dringend nötig ist, sich einzumischen und für unsere Anliegen einzustehen. Leider war dem nicht so. Selbstkritisch muss ich sagen, dass wir den Sommer verlauert haben und erst erwachten, als im September CVP-Nationalrat Philipp Kutter im Parlament einen Blitz-Antrag durchdrückte, um die 4 Prozent auf 1 Prozent zu kürzen.

Erst da wurde den meisten KollegInnen klar, dass wir in eine Katastrophe laufen. Denn mit der bisherigen Investitionspflicht von 4 Prozent für nationale Fernsehanbieter musste der Teleclub (Swisscom) insgesamt 1 Mio. in Schweizer Filme stecken. Mit 1 Prozent müsste sich die Swisscom in Zukunft nur noch mit insgesamt 250ʼ000 an Schweizer Filmen beteiligen!

 

Eine letzte Chance

Nun haben wir alle noch eine letzte Chance, um unsere Forderung durchzusetzen: Wenn die WBK-Kommission des Ständerat nicht dem Vorschlag des Nationalrats folgt, dann geht das Geschäft nochmals zurück an den Natio­nal­rat. Und dort müssen wir es schaffen, die Stimmung zu unseren Gunsten umzukehren. Wenn dies nicht klappt, ist es fraglich, ob wir es in vier Jahren bei einer Neuverhandlung des Filmgesetzes schaffen, die 4 Prozent durchzubringen.

Noch einmal Klartext: Wenn wir die 4 Prozent im Nationalrat durchsetzen können, bedeutet das für die ganze Filmbranche eine zusätzliche Förderung von mindestens 20 Millionen Franken.

Es ist davon auszugehen, dass dieses zusätzliche Geld nicht in Kinofilme fliessen wird. Dafür könnten, wie wir es schon in andern Ländern wie Dänemark gesehen haben, die digitalen Plattformen in eigene exklusive Schweizer Serien investieren. So gesehen, wäre eine kreative Konkurrenz zum Schweizer Fernsehen für die Filmbranche auch nicht schlecht. Von einem solchen Investitionsschub könnten vor allem junge Regie-Talente, AutorInnen und FilmtechnikerInnen profitieren.

Das ist doch eine schöne Aussicht. Und ein guter Grund, sich vermehrt in den eigenen Filmverbänden zu engagieren!

 

▶  Originaltext: Deutsch

 

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