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Editorial

Geviertelt, aber noch am Leben

Die Freisinnigen und die Deregulierer warnten vor «Pflichtkonsum» (Christian Wasserfallen, FDP). Philipp Kutter von der CVP beschwor gar eine «Beschädigung der Medienlandschaft Schweiz» herauf, sollte das geänderte Filmgesetz angenommen werden. Da konnten Bundesrat Alain Berset oder Ciné­suisse-Präsident Matthias Aebischer noch so beschwichtigen und die Argumente und Vorteile einer Investitionspflicht für in- und ausländische Streamingdienste in Schweizer Produktionen ausführen. (Zum Beispiel ist es falsch, dass die Abgaben im Ausland zu höheren Abogebühren bei Netflix geführt haben). Es half nichts: Zuletzt wurden die Pflicht von 4 auf 1 Prozent gestutzt, mit 97 gegen 91 Stimmen, bei 3 Enthaltungen und gegen den Willen der Ratslinken. Zudem werden grössere regionale Schweizer Fernsehsender sowie Kabelnetzbetreiber wie die Swisscom und UPC Cablecom ganz von einer Abgabe befreit. Die 30-Prozent-Quote für europäische Produktionen wurde immerhin angenommen.

Optimisten sehen es so: Dem Nationalratsbeschluss vom ­7. September ging ein ungewöhnlich intensives Lobbying voraus (so hat zum Beispiel Netflix Mitglieder der CVP-Fraktion getroffen). Insofern sei das Ganze noch halbwegs glimpflich abgelaufen: Die Filmgesetzänderung ist schliesslich nicht zurückgewiesen und an den Bundesrat zurückgeschickt worden, und das Prinzip der Besteuerung in- und ausländischer Streamingdienste dürfte nun wenigstens gesetzlich veranktert werden, falls der Ständerat mitzieht.

Eine Viertelung der Abgabehöhe ist trotzdem nicht gerade das, was sich die Filmbranche erhofft hat. Alleine Netflix hätte pro Jahr geschätzt fünf bis sieben Millionen Franken in Schweizer Produktionen investiert – nun werden es wohl weniger als zwei Millionen Franken sein. Und nun? Als nächstes wird sich der Ständerat mit dem Gesetz befassen; zwischen Herbst und der Wintersession gelangt das Geschäft in die WBK des Ständerats. 

Während die digitale Umwälzung der Film- und Medienlandschaft politisch verhandelt wird, bereitet sich auch die SRG auf ihre Zukunft vor: Im November wird Play Suisse, die Streaming-Plattform der SRG, in Betrieb genommen. Cinébulletin hat schon jetzt mit Verantwortlichen gesprochen. Zentral bei den Verhandlungen der SRG mit der Branche waren natürlich VoD-Übertragungsrechte und Urheberrechtsfragen von Pacte-Produktionen. Tatsächlich verwendet die SRG nun «einen grossen Teil» ihres Ankaufbudgets für den Erwerb der ­Streaming-Rechte an Schweizer Koproduktionen.

Um Rechtefragen geht es auch in den neuen Filmförderkonzepten des Bundes: Bekanntlich sollen Filme, die vom Bund gefördert werden, für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Wie dies konkret geschehen soll, ist vor allem bei älteren Filmen noch unklar, auch wenn aus dem BAK erste Ideen kommen, wie unser Beitrag zeigt.

Dass sich die verschiedenen VoD-Angebote nicht nur ergänzen, sondern auch konkurrieren, ist ein Dilemma. Die Filmschaffenden wiederum wollen ihre – auch älteren – Filme vor dem Vergessen bewahren und möglichst breit verfügbar machen. Sie möchten damit aber auch noch etwas verdienen können, selbst wenn die Angebote für Zuschauer günstig oder gratis sind.

Da auf Netflix zu hoffen, dürfte hingegen ein Trugschluss bleiben: «Wolkenbruch» ist eine der seltenen Ausnahmen, die es in den Katalog geschafft haben. Umso interessanter wären Koproduktionen, auch minoritäre, mit dem Internetriesen. Die kleine Investitionspflicht von 1 Prozent ist jetzt zumindest ein Anfang.

Kathrin Halter

 

▶  Originaltext: Deutsch

Bild: Aufwändige Koproduktionen wie die sechsteilige SRF-Serie «Frieden» von Michael Schaerer und Petra Volpe könnten auch für Netflix entstehen. © SRF/Sava Hlavacek

 

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