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Editorial

Digitale Überlebensstrategien

 

Es war keine Absicht. Die Artikel dieser Ausgabe entstanden nach und nach, in Absprache mit den Autorinnen und Autoren, und waren zum Teil schon seit Monaten geplant. Und doch handeln sie alle in irgendeiner Form von ­Streaming. Vor dem Hintergrund der aktuellen Gesundheitskrise haben sich die Fragestellungen der letzten Jahre zugespitzt, und die traditionellen Akteure der Filmbranche müssen dringend Wege finden, um sich online – oder in anderer Form – neu zu erfinden.

Die Kinos befinden sich in einer schweren Krise. Der Sommer ist seit jeher ihre schwächste Jahreszeit, dieses Jahr fürchtet das Publikum zudem eine zweite Corona-­Welle. Zu Recht, denn manche Länder (oder Städte) wie Hongkong haben die Kinosäle wieder geschlossen. Die Festivals suchen weiterhin nach alternativen Veranstaltungsformen, allen voran Locarno, das seinen Treffpunkt für Fachleute online durchführt, jedoch Überraschungs- und Kurzfilme vor Ort zeigt. Andere setzen auf Risiko, wie Fantoche, das ein normales Festival plant, «eines der ersten, das physisch stattfindet». Drücken wir die Daumen, dass dies möglich sein wird.

Egal, welchen Weg man wählt, eines ist sicher: Die­jenigen, die früh auf den Zug aufspringen, haben bessere Chancen, sich in der rasant verändernden Welt durch­zusetzen. Verleiher Thierry Spicher sagt, dass Kinos wie das kult.kino in Basel, die schon vorher ein digitales Angebot hatten, während des Lockdown mit ihren virtuellen Kinostarts deutlich mehr Umsatz machten als andere.

Vor dem Hintergrund dieser Divergenz werden Frage­stellungen rund um den Wert eines Kinostarts – aus wirtschaftlicher und künstlerischer Sicht, aber auch in Bezug auf Prestige und Sichtbarkeit – sowie um Vertriebs­strategien und Verwertungsketten immer wichtiger. Sie sind das Thema einer von Cinébulletin mitveranstalteten Gesprächsrunde in Locarno.

Damit der Wandel gut überstanden werden kann, müssen Politik, Filmförderung und Fernsehen den Veränderungen im Konsumverhalten und folglich im Vertriebssystem Rechnung tragen und die Förderinstrumente entsprechend modernisieren, zum Beispiel indem sie «virtuelle Kinostarts» wie klassische Kinostarts und nicht als Streaming behandeln. Wir sind auf dem richtigen Weg: Nach der Verabschiedung durch den Bundesrat hat die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats die Kulturbotschaft 2021-2024 gutgeheissen, einschliesslich der Abgabe von vier Prozent für ­Streaming-Dienste, Telekomanbieter und Privatsender, mit der diese zu Investitionen in den Schweizer Film bewegt werden sollen. Nun müssen nur noch die ­Systeme von Succès Cinéma und Succès Passage Antenne angepasst werden, damit auch ausschliesslich online veröffentliche Werke gefördert werden können.

Das Publikum kennt diesbezüglich keine Hierarchie – nun ist es an uns, es ihm gleichzutun.

Pascaline Sordet

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