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Jede Arbeit verdient Lohn, aber welchen?

Pascaline Sordet
18. Februar 2020

«Der arme Poet» (1839) von Carl Spitzweg

Welcher Lohn ist gerecht, und für wieviel Arbeit? Für Regisseurinnen und Regisseure, Autorinnen und Autoren gibt es ­keine verbindlichen Vorgaben. Eine Studie des ARF/FDS  blickt in ihr Portemonnaie.

Drehbuchautorinnen und -autoren, Regisseurinnen und Regisseure gehören – im Durchschnitt betrachtet – zu den Working Poor. Gemäss einer Studie, die der ARF/FDS an den Solothurner Filmtagen vorstellte, beträgt ihr Brutto-Monatseinkommen zwischen 3000 und 4200 Franken. Eva Vitija, Co-Leiterin des Projekts, meinte dazu am Panel im Anschluss an die Studien-Präsentation: «Die Löhne der Regisseurinnen und Regisseure, Autorinnen und Autoren sind ein Tabuthema. Es gibt keine Vorgaben, nur Empfehlungen. Zudem wird in unserem Bereich meistens mit Pauschalen gearbeitet, und niemand weiss genau, wie lange wir von diesen Pauschalen leben müssen.»

Die Studie des ARF/FDS stützte sich nicht auf Budgets oder Finanzierungspläne, sondern auf die tatsächliche Arbeitszeit, die von den Befragten geleistet wurde, und stellte diese in ein Verhältnis zum Lohn, um so den Tagesverdienst zu berechnen. Aus der Studie geht hervor, dass die finanziellen Bedingungen die Chancen von weniger Privilegierten und Filmschaffenden mit Kindern mindern, was wiederum der Diversität in der Filmbranche schadet. Stefan Haupt («Zwingli») erklärte: «Allein mit meinem Verdienst als Autor-Regisseur könnte ich meine Familie nicht ernähren. Die Stundenlöhne sind illusorisch, denn alles dauert immer länger als geplant. In der Filmbranche gibt es keine Achtstundentage oder Vierzigstundenwochen.» Drehbuchautorin Stéphane Mitchell («Quartier des Banques») bestätigt: «Als ich in diesem Beruf anfing, hatte ich zum Glück eine billige Wohnung, mehrere Nebenjobs und Arbeitslosengeld. Das ist auch ein Tabuthema, aber ohne Arbeitslosengeld hätte ich den Einstieg nicht geschafft.»

 

Die Rollen trennen

Eine weitere wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass die Filmschaffenden faktisch zur Finanzierung ihrer Projekte beitragen, indem sie «Schatten-Investitionen» leisten: all die Arbeitsstunden, die niemand aufrechnet, weil jeder einen möglichst guten Film machen will. Fanny Bräuning («Immer und Ewig») formuliert es fatalistisch: «Unsere Arbeit beginnt lange vor der ersten Lohnzahlung, und es ist wichtig, mit der Produzentin oder dem Produzenten klar über den Arbeitsaufwand zu sprechen. Doch irgendwann kapituliert man innerlich und hofft einfach, dass man irgendwie durchkommt.» Oder anders gesagt: Die Filmschaffenden tragen ein erhebliches unternehmerisches Risiko.

«Diese Zahlen entsprechen nicht der Realität meiner Produktionen», hielt Jean-Marc Fröhle («Quartier des Banques»), Produzent bei Point Prod, dagegen. Als möglichen Grund für die langen Arbeitszeiten nennt er unter anderem das Fehlen einer Drehbuch-Ausbildung in der Schweiz und die Doppelrolle der Autorinnen-Regisseurinnen und Autoren-Regisseure. Dies koste Zeit und sei der Professionalisierung nicht förderlich. Stéphane Mitchell bestätigt dann auch, dass ihr Verdienst für «Quartier des Banques» über dem Durchschnittswert der Studie lag, weil das Autorenteam sehr gut organisiert war.

Die Filmschaffenden verdienen zwar wenig, «doch ich denke nicht, dass sich andere auf ihre Kosten bereichern», unterstrich Gérard Ruey zu Recht. Das Problem liege anderswo: «Dieses Jahr werden in Solothurn 120 Schweizer Langfilme gezeigt, bei einem Förderbudget von insgesamt 60 Millionen. Das Problem ist die Menge.» Der Generalsekretär von Cinéforom hat einen Lösungsvorschlag: weniger Filme und dafür mehr finanzielle Mittel pro Film. Eine andere Möglichkeit wären Mindestlöhne, wie es sie für Technikerinnen und Techniker bereits gibt. Die Fördereinrichtungen könnten dann Projekte ablehnen, die diese nicht einhalten. Es lohnt sich sicher, diese Idee weiterzuverfolgen, doch die Lust, Filme zu machen, wird immer stärker sein als finanzielle Aspekte. Schliesslich steht es jedem frei, selbst ohne oder mit unzureichenden Mitteln einen Film zu drehen – zuweilen entstehen daraus sogar kleine Meisterwerke.

▶  Originaltext: Französisch

 

Brutto-­ Monats­einkommen

AutorInnen im Kinospielfilm:

3ʼ633 CHF

AutorInnen-RegisseurInnen im Kinospielfilm:

3ʼ318 CHF

Kino-DokumentaristInnen:

3ʼ045CHF

Fernseh-DokumentaristInnnen:

4ʼ221 CHF

 

Ein grosser Teil der Kino-Dokumentarfilmerinnen und -filmer, die an der Umfrage teilnahmen, sind auch an der Produktion ihrer Filme beteiligt, was das Einkommen, aber auch die Arbeitslast erhöht. Im Bereich der TV-Spielfilme waren die Daten zu spärlich, um repräsentativ zu sein, und wurden deshalb weggelassen. Weiter ist zu beachten, dass die Entlohnung in Form von Honoraren höhere Nebenkosten (Sozialversicherungen, Buchhaltung) verursacht als ein Angestelltengehalt. Die Urheberrechtsentschädigungen wurden in der Rechnung nicht berücksichtigt, obwohl sie eine aufgeschobene (aber schwer vorhersehbare) Vergütung darstellen.

 

Die vollständigen Ergebnisse der Umfrage sind auf der Website des ARF/FDS verfügbar.

 

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