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Ein passionierter Vermittler

Vincent Adatte
27. September 2019

Freddy Buache nährte die Legende um die eigene Person. © Sammlung Cinémathèque suisse

Der kürzlich verstorbene Freddy Buache (2024-2019) hat Wesentliches zur Cinémathèque suisse beigetragen. Porträt eines Pioniers. 

Ich weiss nicht, was Freddy Buache von John Fords «The Man Who Shot Liberty Valance» hielt. Gegen Ende dieses erfrischend vieldeutigen Meisterwerks weigert sich der Chefredaktor einer Zeitung, das Interview zu veröffentlichen, in dem sein Gesprächspartner verrät, dass nicht er der Urheber der Tat ist, die ihn Jahr­zehnte zuvor zu einem Helden machte und ihm den Weg zu einer schillernden politischen Karriere im Dienste des Gemeinwohls ebnete. Der Redaktor sieht es so: «Wenn die Legende zur Wahrheit wird, druck die Legende!». In seinem Western zeigt Ford sowohl die rohen Fakten als auch die Legende und überlässt den Zuschauern das Urteil.

 

Die Liebe zum Film geweckt

Für mich war Freddy Buache zunächst eine Legende, mächtig genug, um beim Vorpubertierenden eine Berufung zum Film zu wecken. Wie viele andere entdeckte ich Buache in den 1970er-Jahren im Fernsehen, in der Sendung Spécial Cinéma von Christian Defaye. Wir schauten sie im Kreis der Familie und warteten gespannt auf die feurigen Voten von ­Buache, der als engagierter Kritiker eingeladen war. Als ich sah, wie vehement er sich über die ­Mittelmässigkeit der gängigen Filmproduktion auslassen konnte, merkte ich, dass Kino etwas ganz Besonderes sein musste, wenn es jemand derart hitzig ver­teidigte.

Eine weitere Episode, die diese Legende nährte, erlebte ich während einer Filmvorführung in seiner Anwesenheit im Ciné-Club des Gymnasiums in Neuenburg. Mit seiner Begeisterung und Redefertigkeit brachte uns Buache tatsächlich dazu, uns für einen alten Schwarz-Weiss-Film zu begeistern: «Romeo und Julia auf dem Dorfe» (1941) von Hans Trommer und Valerian Schmidely, ein verkanntes Meisterwerk der Schweizer Filmgeschichte. Wenig später gelang ihm dies auch mit «Heute Nacht oder nie» (1972) von Daniel Schmid, was von seiner Weitsicht und seinem Vertrauen in die studentische Neugier zeugt. Davon angespornt, bemühte ich mich um ein Treffen mit Buache, und tatsächlich empfing er mich in seinem Büro an der Place de la Cathédrale in Lausanne. Ich bat ihn um Rat für eine Karriere als Drehbuchautor, meiner Wunschvorstellung, worauf er mir einige Kopien von Drehbüchern renommierter Autoren gab mit der Empfehlung, mir nach der Lektüre die Filme anzuschauen, die daraus entstanden waren. Wobei er noch anfügte, dass sich dieser Beruf in keinem Handbuch erlernen lasse.

Weitere Erfahrungen trugen, aus meiner Sicht, im Lauf der Jahre zu seinem Ruf als engagierter Vermittler bei. 1993, wir hatten in Neuenburg gerade die Zauberlaterne gegründet, leistete Buache einen entscheidenden Beitrag zu deren landesweiter Lancierung, indem er den damaligen Besitzer von Métro Ciné, Miguel Stucky, dazu überredete, unseren Filmklub für Kinder in seinen Säle zu beherbergen – und dies kostenlos, bitte sehr! Ausserdem erlaubte er uns, in Penthaz eine Reihe von Filmen anzuschauen und ein Programm zusammenzustellen, wovon wir zuvor nicht zu träumen wagten.

 

In den konformistischen Fünfzigerjahren

In Penthaz hörte ich dann auf den Gängen auch von  den – sagen wir  – kantigeren Seiten Buaches. Doch als ich ihn aus seinem Leben erzählen hörte, kam es mir vor, als ob dieser Ruf zum Los aller wahren Pioniere gehörte. Er wirkte in der konformistischen Schweiz der 1950er-Jahre, das erklärt seinen permanent aufrührerischen Tonfall, der allen Halbherzigen missfallen haben dürfte. Und von diesen gab es zweifellos viele in den ländlichen Waadtländer Gemeinden, die er mit anderen besuchte, um zu erklären, weshalb der Film in der Bundesverfassung verankert gehört. Später begannen sich einige gegen ihn zu verschwören. Sie gingen sogar so weit, ihn aus der Armee ausschliessen zu wollen, unter dem Vorwand, er fördere den Film aus dem Ostblock, sei ein gefährlicher Spion und Verfechter einer bedrohlichen Ideologie. Ein Blödsinn,  wo doch diese Filme das sowjetische Modell kritisierten …

Hätte eine solche Persönlichkeit heute noch ihren Platz? Kaum, und das macht Freddy Buache noch bedeutender. Die Cinémathèque suisse ist zur unverzichtbaren Institution geworden, wie er sie sich gewünscht hatte, doch sie braucht heute einen pragmatischen Direktor, was er nicht sein konnte, und einen begeisterten Vermittler, der er durch und durch war. Man erinnere sich an die leuchtenden Augen der Zuhörer, als er Filme wie «Lazzaro felice» von Alice Rohrwacher präsentierte. Frédéric Maire war einer von ihnen.

Übrigens: Der Cowboy und Pionier par excellence aus «The Man Who Shot Liberty Valance» zieht fort, nachdem er den Gesetzlosen erschossen und dem Recht Geltung verschafft hat.

 

▶  Originaltext: Französisch

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