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Globaler Kampf, lokaler Schutz. Teil 3: Die Schweiz. Fern der Front

Pascaline Sordet
21. Juni 2019

Sich gedulden und auf eine politische Antwort warten

Der Bund arbeitet zur Zeit ein Gesetz über elektronische Medien aus, welches das Radio- und Fernsehgesetz ablösen und den Service-public-Auftrag erweitern soll. VoD-Plattformen werden darin jedoch mit keinem Wort erwähnt. «Der aktuelle Gesetzesentwurf enthält keine Massnahmen in Bezug auf Streaming, die mit denen für lineare Angebote vergleichbar wären», bestätigt Oliver Gerber vom BAKOM. Er spricht damit die bereits im RTVG verankerte Pflicht an, 4% der Einnahmen in den Schweizer Film zu investieren. Die SSA prangert denn auch die «ungleiche Behandlung von Fernseh- und Online-Anbietern» an. Der Grund für diese auffallende Lücke im Gesetzesentwurf liegt in den divergenten Interessen.

Die Filmbranche mobilisierte all ihre Kräfte, um ihre Interessen zu vertreten und in der Vernehmlassung auf den fehlenden Weitblick des Entwurfs aufmerksam zu machen. Cinéforom zeigt sich dort erfreut, dass der Bund die Notwendigkeit erkennt, sich an neue audiovisuelle Nutzungsformen anzupassen, gibt aber zu bedenken, dass die Massnahmen am Ziel vorbeischiessen: «Als wir feststellten, dass dieser Punkt im Gesetz offenbar nicht konkretisiert werden soll, waren wir ernüchtert.» In ihrer Vernehmlassungsantwort schlägt Cinésuisse in die gleiche Kerbe. Die neuen Online-Medienangebote würden nur dann dem Gesetz unterliegen, wenn ein entsprechender Leistungsauftrag formuliert sei. Während für sämtliche linearen Fernsehprogramme ohne Leistungsauftrag immerhin noch Mindestanforderungen gelten, seien Onlinemedien der Auffassung, dass in ihrem Bereich auch aus kultureller Sicht nichts Derartiges notwendig sei. Eine Ungleichheit, die irritiert, zumal die Tendenz immer mehr in Richtung Delinearisierung geht, auch bei den traditionellen Angeboten.

 

«Hegemonistische Gelüste der SRG»

Anbieter wie Swisscom oder UPC kritisieren die Tragweite des Gesetzesentwurfs und die Macht, die dem Staat zuteilwürde. Der Verband für Kommunikationsnetze Suissedigital lehnt den Entwurf als Ganzes vehement ab und wirft dem Bund gar vor, er beuge sich den hegemonistischen Gelüsten der SRG. «Unter diesen Umständen stellt sich die Frage, weshalb es dieses neue Gesetz überhaupt braucht. Es ist jedenfalls in keiner Weise das lange angekündigte ‹neue Mediengesetz›; es ist eine den SRG-Bedürfnissen entsprechende Revision des geltenden RTVG.»

Die SSA bemerkt nicht ohne Ironie, dass das Geschäftsmodell dieser Unternehmen auf der Verfügbarkeit von audiovisuellen Inhalten beruht. «Folglich wäre es nur angemessen, wenn sie auch zur Diversität des Angebots beitragen müssten.» Dies lässt die Grösse der Kluft erahnen, die sich zwischen den Kontrahenten auftut.

 

Die Rolle von BAKOM und BAK

Die Filmbranche beklagte sich bereits 2017 zu Recht über ihre fehlende Vertretung in der Arbeitsgruppe, die sich mit dem Gesetzesentwurf befasste. Im Austausch zwischen der Branche und ihrem hauptsächlichen Ansprechpartner beim Bund, dem Bundesamt für Kultur, ist Streaming durchaus ein Thema.Man hatte bisweilen den Eindruck, dass das BAK und das BAKOM nicht kommunizieren. Jedenfalls unterscheidet sich der Vorentwurf, der in die Vernehmlassung geschickt wurde, deutlich von den Standpunkten, die das BAK in den vergangenen Monaten vertrat. Ivo Kummer, Leiter der Sektion Film, kündigte schon bei den Solothurner Filmtagen 2019 an, dass Streaming-Dienste 4% auf in der Schweiz erzielte Einnahmen in den Schweizer Film investieren sollen. Dies ist doppelt so viel wie in Europa. Demgegenüber sieht der Gesetzesentwurf des BAKOM eine solche Regelung zurzeit in keiner Weise vor. Oliver Gerber vom BAKOM weist aber darauf hin: «Das Vorgehen bei Gesetzesentwürfen sieht immer eine Ämterkonsultation vor.» So ist die Regelung nun in den Entwurf zur Kulturbotschaft eingegangen.

Ein Anliegen beschäftigt alle Akteure der audiovisuellen Branche gleichermassen: die Kompatibilität mit der europäischen Richt­linie. «Der Gesetzesentwurf sieht vorerst keine vollständige Kompatibilität mit der EU-Richtlinie vor», erklärt Oliver Gerber, «was aber nicht bedeutet, dass dies nicht thematisiert wird.» Verhandlungen der Schweiz mit der EU sind momentan schwierig, aufgrund ihrer Beziehung wegen des  Rahmenabkommens. Die fehlende Gleichbehandlung wird die Wiederaufnahme der Verhandlungen über eine mögliche Beteiligung der Schweiz am Programm Kreatives Europa, dem Nachfolgeprogramm von MEDIA, wohl zusätzlich erschweren.

Das Vernehmlassungsverfahren ist beendet. Das BAKOM muss nun die 253 Stellungnahmen auswerten und wird dann in einem Bericht die Ergebnisse bekanntgeben. Der Regierungswechsel hat den Prozess verlangsamt, doch der Bundesrat sollte sich noch vor Ende des Jahres dazu äussern. Auch wenn es in dieser Sache vorangeht, gibt es noch viel zu tun, und wer auf eine politische Antwort auf Netflix und die GAFA  hofft, muss sich weiter gedulden.

▶  Originaltext: Französisch

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