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Die Quotenfrage im Schweizer Film

Kathrin Halter
21. Juni 2019

Die Investitionspflicht für Plattformen könnte das Filmschaffen ankurbeln. Wie in Österreich, wo ORF und Netflix gegenwärtig «Freud» produzieren.

Die neue Kulturbotschaft 2021-2024 nimmt eine bekannte Forderung auf: Eine Förderabgabe für Online-Dienste. Umstrittener ist die Frage, ob es für den Schweizer Film eine Quote braucht – und wie hoch diese sein soll.  

Die Idee ist ja nicht neu. Vor bald zwei Jahren lancierte Cinésuisse die Idee einer «Netflix-Steuer» – die Forderung also, dass nationale wie internationale Online-Plattformen vier Prozent ihres in der Schweiz erzielten Umsatzes in den Schweizer Film investieren oder ersatzweise eine Abgabe entrichten sollen. Gleich viel also, wie dies auch für private Fernsehanbieter mit Sitz in der Schweiz gilt.

Cinésuisse möchte einen entsprechenden Passus im neuen Gesetz über elektronische Medien, das vom Bund derzeit ausgearbeitet wird und dessen Vernehmlassung im letzten Herbst zu Ende ging. Im Entwurf zum Mediengesetz finden sich jedoch keinerlei Regelungen für  Streaming-Plattformen (siehe dazu den Bericht Seite 19); ob die Forderung doch noch Eingang findet, ist völlig offen.

Dafür wird die Abgabe nun im Entwurf zur neuen Kulturbotschaft aufgenommen und soll im revidierten Filmgesetz festgeschrieben werden. Ivo Kummer, der von einer «Investitionspflicht» spricht, hat diese Anpassung bereits in Solothurn angekündigt. Vielleicht gelingt es auf diesem Weg, beträchtliche neue Mittel für den Filmkredit zu gewinnen. Ausserdem sollen Streaming-Plattformen in der Schweiz künftig 30 Prozent europäische Inhalte anbieten müssen, so steht es im Vernehmlassungsentwurf. Damit würde sich die Schweiz der EU anpassen, die diese Quote zum Erhalt der kulturellen Vielfalt bereits beschlossen hat.

 

Die Quote könnte einen Digitalisierungschub auslösen

Die Branche denkt da allerdings schon weiter – und verlangt eine 20-Prozent-Quote speziell für Schweizer Filme. Begründet wird die Forderung in einem Papier, das vom Swiss Fiction Movement ini­tiiert und von allen drei Produzentenverbänden sowie vom ARF/FDS unterschrieben worden ist. Die Quote schaffe die Grundlage für einen langfristig gesicherten Zugang zum Schweizer Filmschaffen auf allen Auswertungskanälen, liest man dort. Sie würde VoD-Plattformen, das Fernsehen und Pay-TV, aber auch das Kino betreffen.

Das mit diversen Studien belegte Papier dürfte noch zu Diskussionen führen. Zum Beispiel mit den Kinobetreibern – zumal auch Strafmassnahmen für jene Betriebe vorgeschlagen werden, die sich nicht an Vorgabe halten wollen oder können.

Und im Online-Bereich? 20 Prozent, das wäre für kleinere Schweizer Plattformen wie Cinéfile oder LeKino leicht zu schaffen. Für internationale Anbieter wie Netflix mit einem Schweizer Katalog von annähernd 5ʼ500 Titeln würde dies bedeuten, über tausend Schweizer Filme bereitstellen zu müssen. Wo nimmt man die her?

Joël Jent, Produzent von Dschoint Ventschr und Verfasser des Papiers, sieht darin kein Problem. Schliesslich gebe es in der Filmgeschichte unseres Landes weit mehr als tausend Filme. Dass viele davon nicht digitalisiert sind, lässt er nicht gelten: Eine Quote biete gerade die Chance, diese Aufgabe endlich anzupacken und einen längst fälligen Grundsatzentscheid zu fällen. Jent findet es stossend, wie wenig Schweizer Filme online verfügbar sind – und wie wenig dafür getan werde, das Filmerbe besser sichtbar zu machen, zum Beispiel für Schulen und mithilfe einer attraktiven Öffentlichkeitsarbeit. Mit einer Quote könnte man auch gegenüber der Politik leichter Forderungen stellen. Es brauche dringend Regulationen – das habe gerade Deutschland gezeigt, das sich gegen Netflix durchgesetzt habe.

Bei Cinésuisse kommt der Vorschlag jedenfalls schon mal gut an, auch wenn die 20 Prozent eher als Zielvorgabe behandelt werden. «Wollen wir beim europäischen Kulturförderungsprogramm Creative Europe wieder einmal mit dabei sein, müssen wir diese 30 Prozent (europäische Filme, AdR) garantieren. Viel wichtiger ist der Schweizer Filmbranche jedoch, dass mindestens die Hälfte dieser 30 Prozent Schweizer Filme sind», so der Dachverband in einer ersten öffentlichen Reaktion auf den Entwurf der Kulturbotschaft.

 

▶  Originaltext: Deutsch

 

 

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