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Es braucht den gemeinsamen Effort

Cécile Vilas, Direktorin Memoriav
16. November 2018

Cécile Vilas

Audiovisuelles Kulturgut ist ein fragiles Kultur­erbe, für das wir uns alle mehr als bislang einsetzen müssen. Besonders jetzt, im Jahr von #kulturerbe2018, kann man das nicht genug hervorheben! Historische Filme oder über hundertjährige Fotografien sind ebenso wertvoll für das Gedächtnis der Schweiz wie bemerkenswerte Bauten, archäologische Funde oder Objekt- und Textsammlungen. Dank all diesen Kulturgütern können wir unsere Geschichte erforschen, besser verstehen und erzählen. 


 Audiovisuelles Kulturgut besonders fragil 

 Ein gutes Beispiel dafür sind die nun neu auf www.memobase.ch und swiss-archives.ch aufgeschalteten Ausgaben der Schweizer Filmwochenschauen der 1960er Jahre: Hier kann die «Schweiz», gegen die sich die Schweizer 68er-Jugend erhob, zeittypisch erlebt, dokumentiert und analysiert werden. Das audiovisuelle Kulturgut ist aufgrund seiner Materialität, der mangelnden Überlieferungspraxis oder der Alterung der Abspielgeräte besonders fragil. Aber auch das fehlende Bewusstsein oder Verständnis für seinen historischen Quellenwert gefährden es. Wir riskieren, dass es für künftige Generationen nicht mehr greifbar ist, wenn keine konservatorischen Massnahmen ergriffen und keine stetige Sensibilisierung für seinen Wert für die Forschung und Bildung stattfinden. Bewirkt diese Gefährdung einen grossen Aufschrei in der Bevölkerung? Wohl eher nicht. Man ist zwar – im besten Fall - betroffen, dass audiovisuelle Bestände nicht mehr erhalten sind. Branchenintern ist die Sensibilisierung für den Wert des audiovisuellen Kulturguts sicher hoch, doch gilt dies leider nicht für grosse Teile der Bevölkerung, obschon das Audiovisuelle das Medium unserer Zeit ist. Die UNESCO hatte das audiovisuelle ­Kulturgut bereits 1992 in das Programm «Memory of the World» aufgenommen, verbunden mit Empfehlungen zu seiner Erhaltung. Der Verein Memoriav, 1995 gegründet, hat durch seine Tätigkeit die Erhaltung des audiovisuellen Kulturguts der Schweiz markant verbessert. Massnahmen wie Empfehlungen zur Erhaltung audiovisueller Dokumente, Unterstützung bei Erhaltungsprojekten, Weiterbildungen und Öffentlichkeitsarbeit haben wesentlich dazu beigetragen, dass wichtige Teile des audiovisuellen Kulturgutes – Foto, Ton, Film und Video – erhalten und besser zugänglich gemacht werden konnten. Doch bleibt noch viel zu tun, denn Fragen der Erhaltung sind durch die Digitalisierung noch komplexer geworden. 

Eine wichtige Rolle spielen Festivals 

Die Sensibilisierung für Erhaltungs- und Zugangsfragen ist deshalb nicht nur eine Aufgabe für Archive und Gedächtnisinstitu­tionen, sondern sollte durch alle audiovisuellen Branchen hindurch mitgetragen werden. Die Verbesserung von Produktionsbedingungen oder höhere Fördermittel sind vielen wohl ein dringenderes Anliegen, doch sollte der ganze Lebenszyklus eines audiovisuellen Dokuments auch im digitalen Zeitalter frühzeitig und nachhaltig im Auge behalten werden. Wichtig sind auch Inhaltsangaben und eine Verschlagwortung, damit Dokumente überhaupt auffindbar sind. Eine wichtige Rolle bei diesem Sensibilisierungs-Effort spielen die Filmfestivals. Locarno, die Solothurner Filmtage, das ZFF oder auch die Internationalen Kurzfilmtage in Winterthur haben die Attraktivität von Patrimoine-­Fenstern erkannt, bei denen restaurierte Filme neu entdeckt werden können. Ob es sich um den ältesten noch erhaltenen Dialektfilm aus dem Jahr 1935 handelt, oder um Filme aus den letzten Jahrzehnten, welche restauriert werden konnten: Das Publikum schätzt diese Vorführungen, die jeweils gemeinschaftlich mit Partnern wie der Cinémathèque suisse, Praesens Film oder SRF realisiert wurden. Ob Produzentin, Filmer oder Videastin – der Effort, das eigene audiovisuelle Gedächtnis zu erhalten und wieder zugänglich zu machen, muss von uns allen geleistet werden.


▶ Originaltext: Deutsch

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