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Die Bandenchefin

Nina Scheu
25. Juni 2018

Elena Pedrazzoli

Überrascht sei sie gewesen, meint Elena ­Pedrazzoli, als die Anfrage sie erreichte, ob sie zusammen mit Jacob Berger das Co-­Präsidium der Gruppe Autoren, Regisseure, Produzenten (GARP) übernehmen würde. Und doch brauchte sie keine sehr lange Bedenkzeit. Das letzte Filmprojekt ist in Postproduktion, die nächsten sind erst in Entwicklung. Das gibt ihr etwas Zeit, sich neben der Arbeit in der Eidgenössischen Filmkommission für die Anliegen der Branche einzusetzen. Immerhin geht es in den nächsten Monaten um so wichtige Dinge wie das neue Mediengesetz, die Urheberrechtsrevision und – wieder einmal – um neue Konzepte zur Schweizer Filmförderung. Sie weiss, worauf sie sich einlässt: Elena Pedrazzoli war schon einmal, in den Jahren 2005 bis 2006, Präsidentin des GARP.

Dabei war sie in den 80er Jahren zwar nicht zufällig, aber doch eher wegen der Liebe ins Filmgeschäft eingestiegen. Die Liebe hiess Rolando Colla und studierte wie Elena französische Literatur an der Universität Zürich. Daneben drehte er Filme, vorwiegend Auftragsfilme für Industrie und Werbung – und das mit zunehmendem Erfolg. 1984 gründeten Peter Indergand und Rolando Colla die Peacock Film, und Elena Pedrazzoli half im Büro. Mit italienischen Eltern in Zürich aufgewachsen, sprach sie Italienisch, Deutsch, Französisch und Englisch. Daneben gefiel ihr aber immer auch die Welt der Zahlen und der Organisation. Neben Romanistik und spanischer Linguistik hatte sie darum auch Betriebswirtschaft studiert. Wie ideal diese unterschiedlichen Talente für die Filmproduktion waren, stellte sich bei Peacock schnell heraus.


Vom Auftrags- zum Spielfilm

Elena Pedrazzoli erinnert ein bisschen an Kurt Helds «Rote Zora». Man kann sich vorstellen, wie sie charmant sein und zugleich auf grossen Filmsets die Fäden zusammenhalten kann. Und dass sie neben der Arbeit und den im Filmgeschäft allgegenwärtigen Geldsorgen auch die wachsende Familie zu managen vermochte. Zwei Kinder lebten im Haus, in dem Wohnung und Büro auf zwei Stockwerken eng beieinander lagen, als Collas erstes Feature «Jagdzeit» in der Sektion «Pardi di domani» des Filmfestivals von Locarno Gold gewann. Zwei Jahre später wurde dort auch sein erster Langspielfilm «Le monde à l’envers» ausgezeichnet (von der Jury des jeunes). Nach und nach veränderte sich das Tätigkeitsfeld der Peacock Film: An die Stelle der Auftragsfilme rückten immer mehr Collas politisch engagierte, von Pedrazzoli produzierte Film- und Fernsehproduktionen und schliesslich ­«Giochi d’estate», für den die Peacock-Crew den Schweizer Filmpreis für Kamera, Drehbuch und besten Film gewann.

Seit 2003 ist Elena Pedrazzoli Mitglied der GARP. Sie sass auch in der Jury der «Pardi di domani» in Locarno und jener für den Corporate-Award Edi. Sie gehörte zweimal zur Auswahlkommission des Bundesamts für Kultur und ist seit 2016 Mitglied der Eidgenössischen Filmkommission.

«Es hat mich immer interessiert, mehr über die Hintergründe zu erfahren: Wie sind unsere Filmgesetze und -verträge entstanden, welche Überlegungen steckten dahinter, wer hat was warum gemacht?», erklärt Elena Pedrazzoli ihre Motivation. Zeitweise fährt sie jetzt fast jede Woche nach Bern, nimmt an der Präsident(-inn)en-Zusammenkunft der Verbände mit dem Bundesamt für Kultur teil oder bespricht sich im «Bureau des liaisons» mit den Vorständen der anderen Produzentenverbände. Gut und wichtig findet Pedrazzoli den Vorsatz, vermehrt zusammen aufzutreten: «Solang jede und jeder nur auf seinem Terrain besteht, erreicht man wenig». Um die Positionen anzugleichen, brauche es allerdings noch Zeit.


Ideale Ergänzung

Die Aufgabenteilung mit Jacob Berger findet sie ideal. Er denke eher strategisch und könne öffentlich gut auftreten, während sie ihr Flair fürs Administrative einbringen kann. Mit der Vernehmlassung zum neuen Mediengesetz im Sommer wird die Belastung noch zunehmen. «Die Filmverbände fordern seit langem, dass Plattformen wie zum Beispiel Swisscom-TV einen Teil ihrer immensen Gewinne in die Filmbranche zurück­investieren müssen. Doch das Bakom stellt sich taub». Ihre Augen blitzen, und für einen Moment scheint hinter Elena Pedrazzoli das Bild der wütenden Zora auf, die für ihre Bande kämpft. Pedrazzolis Bande sind die Autoren, Regisseure und Produzenten ihres Verbands, aber auch alle anderen Kolleginnen und Kollegen in der Filmbranche.


▶ Originaltext: Deutsch

Traue keiner Statistik

Andreas Furler, Gründer und Betreiber des Filmportals cinefile.ch
21 Juni 2018

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