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Editorial

Der gute Doktor Tanner

Françoise Deriaz, Chefredaktorin

Lange sei er als minderwertige Kunst, als geisttötende Unterhaltung betrachtet worden, vor der sich die Universität wie vor der Pest hüten musste: Inzwischen habe der Film aber an akademischer Bedeutung gewonnen, sagte Alain Tanner, als ihm die Universität Lausanne den Titel eines Doktors honoris causa verlieh. Ein bedeutendes Ereignis, denn diese Auszeichnung geht in unserem Land zum ersten Mal an einen Cineasten. Und an was für einen! Sein weltweit bekanntes und anerkanntes Werk zeichnet eine Schweiz in den Farben der Poesie und der Schönheit; in ihm weht der Geist der damaligen Jugendrevolten gegen das Festgefahrene. Bekanntlich war Tanner die treibende Kraft hinter dem ersten Filmgesetz aus dem Jahre 1962 und damit auch der Bundesförderung des Dokumentarfilms und ab 1972 des Spielfilms in klingender (mitunter auch abklingender) Münze. Die universitäre Anerkennung für einen der bekanntesten Cineasten mit einem roten Pass (neben Godard und Fredi M. Murer) sollte die Politik dazu bewegen, die Filmkunst nicht mehr nur als einen Schnörkel am Budgetgebäude anzusehen. Umso mehr, als Tanners Beharrlichkeit ihre Nachfolger findet. Beispielsweise in Ursula Meier, die seine Assistentin war und deren Film «Home» am Festival in Cannes als ein Glanzstück des Autorenfilms gefeiert wurde – made in Switzerland.

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Themen n°392-393