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Editorial

Editorial

Françoise Deriaz, Chefredaktorin

Wozu dient das Festival von Cannes? Die Werke weltweit bekannt zu machen und zu exportieren. Doch dieses Jahr erfolgte ein Coup mit Knalleffekt! Die Goldene Palme für den amerikanischen Film ist zugleich ein Ticket für dessen Import in die USA: Bei «Fahrenheit 9/11» von Michael Moore, einem Anti- Bush-Film und Pamphlet gegen den Irak-Krieg, bestand das Risiko, dass er in Nordamerika nicht in die Kinos kommen würde. Der CEO von Disney, Michael Eisner, hatte eine Weisung zur Blockierung des Verleihs erlassen. Wird – in Anbetracht der Goldenen Palme – die von ihm befürchtete und vom Gouverneur von Florida Jeb Bush angedrohte Streichung der Steuererleichterungen dem internationalen Druck standhalten? Sollte diese Zensur eines Preisträgers von Cannes – und es ist eine Zensur! – bestätigt werden, könnte dies das Publikum veranlassen, sich von Disney-Produkten abzuwenden. Und warum nicht gleich von allen Multinationalen, die Bushs Wahlkampagne finanzieren – übrigens auch die amerikanische UBSTochter! – und denen Michael Moores Vitriolporträt des Pensionärs im Weissen Haus ein Dorn im Auge ist? Selten war ein Festival so engagiert und hat gezeigt, dass der Film die Welt zwar nicht verändert, aber durch seine aussergewöhnliche Fähigkeit zum Widerstand dazu beitragen kann. Cannes hat Michael Moore die Siegespalme zugesprochen und zugleich den Dokumentarfilm als Genre ausgezeichnet, der seit «Le monde du silence» («Welt der Stille») im Jahr 1956 keinen Preis mehr erhalten hatte. Die Palme 2004 wird aber zweifellos mehr Lärm bewirken!

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Themen n°344-345