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«Wir wollen ein autorenfreundliches Modell»


07. Januar 2016

Katrin Grödel, chargée culturelle du canton de Bâle-Ville, parle du nouveau modèle d’encouragement bâlois, de l’art numérique, du rôle des mécènes privés, et de l’idée de fusionner la promotion régionale en Suisse alémanique.

Katrin Grögel, Kulturbeauftragte beim Kanton Basel-Stadt, über das neue Basler Fördermodell, Medienkunst, die Rolle der ­Privatmäzene – und die Idee, die Regionalförderung in der Deutschschweiz zusammenzuschliessen. 

Das Gespräch führte Kathrin Halter
 

Wie kam es zum neuen Basler Fördermodell?

Es gab in Basel schon mal einen Anlauf, eine Filmstiftung zu gründen; das Modell ist 2011 politisch und finanziell aber gescheitert. Vorgesehen war damals, dass ein hoher Anteil an privaten Fördergeldern in diese Stiftung eingebracht wird. Das war ein Konzeptionsfehler: Private Förderer wollen sich projektbezogen und thematisch engagieren und nicht in eine Förderstruktur investieren. Filmförderung wird auch eher von der öffentlichen Hand erwartet. Also wurde daraus ein bikantonales Fördermodell, ohne weitere Partner. Regierung und Parlament haben dieses erfreulicherweise unterstützt.

Haben Sie eine Erklärung dafür, weshalb sich Basler Privatmäzene nicht in der Filmförderung engagieren wollen?

Die Wahrnehmung, dass in Basel die Mäzene so stark sind, hat vor allem mit jenen Stiftungen zu tun, die mit den grossen Kunst-Häusern und Museen verbunden sind: die Laurenz-Stiftung zum Beispiel, die das Schaulager trägt, oder der Emanuel Hoffmann Stiftung, die schon seit den Vierzigerjahren mit der öffentlichen Kunstsammlung verbunden ist, oder die Fondation Beyeler... 
Solche «Public-private-Kooperationen» entstehen hauptsächlich mit Kunstinstitutionen, selten bei der Projektförderung. Private Förderer wollen Projekte unterstützen, die zu ihrem Stiftungszweck passen. Das schliesst nicht aus, dass einzelne Projekte von der öffentlichen Hand und von Privaten unterstützt werden. Aber einen «Automatismus» oder gemeinsame Fonds gibt es auch in der bildenden Kunst nicht.

Wie wurde die deutliche Erhöhung des Förderbudgets politisch möglich?

Möglich machten das einerseits Erfolge von Basler Filmschaffenden, die weit über ihren Kanton hinaus wahrgenommen werden. Zum Beispiel Vadim Jendreyko und sein Swetlana Geier-Porträt «Die Frau mit den 5 Elefanten» (2009). Oder Fanny Bräuning mit «No More Smoke Signals» (2008), die Basler Regisseurin, die heute in Berlin lebt – wobei der Film in Zürich produziert wurde. Oder Anna Thommen mit «Neuland» (2013). Gerade dieser Dokumentarfilm zeigt, wie wichtig es ist, dass nicht nur Leute vor Ort gute Arbeit machen, sondern dass darüber hinaus Geschichten aus der Region einem überregionalen Publikum erzählt werden. Andererseits wurde das Thema durch jahrelanges Lobbyieren kulturpolitisch wichtig.

Eine starke Regionalförderung wird gerne mit der – drohenden – Abwanderung von Filmschaffenden begründet. Gibt es konkrete Beispiele aus Basel?

Es gab Firmen wie Mira Film von Vadim Jendreyko und Hercli Bundi, die ursprünglich in Basel gegründet wurden, aber nach ein paar Jahren ihren Sitz nach Zürich verlegt haben, um wirtschaftlich überleben zu können. Dokumentarfilme bei einem Budget von über 500ʼ000 Franken zum Beispiel kommen bis anhin nur in Zusammenarbeit mit Filmschaffenden aus andern Kantonen zustande, durch Eingabemöglichkeiten in anderen Kantonen. Ein Projekt wie Anna Thommens «Neuland» (Produktion: Fama Film / SRF / ZHdK) hätte eine Basler Regisseurin mit einer Basler Firma gar nicht stemmen können. Eine Region droht filmisch gesehen zu verschwinden, wenn die Filmemacher abwandern. Da geht es auch um kulturelle Vielfalt – ein zentrales Anliegen unserer Kulturförderung. 

Die Regionalförderer von Zürich und Bern verlangen, dass 150 Prozent ihrer Förderzusagen in der Region ausgegeben werden, in Basel sind es 100 Prozent. Habt ihr diese Höhe bewusst reduziert, um Bürokratie zu verringern?

Ich weiss nicht, ob das zu weniger Bürokratie führt (lacht). Überprüfen müssen wir es ja trotzdem. Aber wir haben die Höhe sehr bewusst reduziert, um Hürden zu verringern. Es soll ja ein Schub für den Nachwuchs und die Kreativwirtschaft ermöglicht werden. Ab einer gewissen Höhe wirkt eine solche Bestimmung jedoch verhindernd. Wir wollten ein autorenfreundliches Modell schaffen. Zugleich ist es uns ein grosses Anliegen, dass der Produktionsstandort gestärkt wird – da muss man eine Balance finden. 

Wie weit habt ihr euch bei eurem Modell an Zürich orientiert?

Wir haben mit allen Regionalförderern gesprochen, ebenso mit dem BAK und der SRG, um kompatibel zu sein. Zugleich wollten wir aber auch ein eigenes Basler Förderprofil schaffen, mit einem Fördermodell für Film wie für Medienkunst. Das hat zum einen mit der Basler Tradition zu tun, wo die Medienkunst seit langem wichtig ist. Zum anderen ist das wichtig, weil sich die Medienlandschaft auch für die Filmschaffenden stark verändert. Da braucht es einen Spielraum für neue Formate, die sonst zwischen Stuhl und Bank fallen. Mit dem breiten Spektrum haben wir uns eher an der Romandie und an deutschen Modellen orientiert als an Zürich. Direkt von Zürich entlehnt ist die Möglichkeit von Werkbeiträgen an Drehbuchautoren zur Stoffentwicklung.

In Zürich möchte man die Filmstiftung ja ebenfalls zu einer Film- und Medienstiftung umbauen...

Ich glaube, dass die Diskussion in Basel eine ganz andere ist als in Zürich. Dort bezieht sich die Diskussion neben dem Film momentan stärker auf die Game-Industrie. «Game-Art» wird bei uns zwar berücksichtigt, kommerzielle Games hingegen nicht – wie alle Arten von Auftragsproduktionen oder patent- und vertriebsorientierte Technologieentwicklung. In Zürich geht es in meiner Wahrnehmung mehr um eine Debatte zwischen Film- und Medienindustrie, Basel orientiert sich stärker an der Medienkunst. 

Was versteht das Basler Modell denn genau unter «Medienkunst», in Abgrenzung zur bildenden Kunst mit ihrer eigenen Förderung? 

Die Abgrenzung zur Projektförderung für die bildende Kunst ist natürlich ein Thema. Pragmatisch gesehen geht es da einerseits darum, welche Jury besser geeignet ist, um ein Projekt zu beurteilen. Andererseits rechnet die Förderung der bildenden Kunst mit einer anderen Art der Distribution und mit dem Kunstmarkt. Gesuchsteller werden von uns regelmässig beraten, wo sie ihre Gesuche besser eingeben. 
Zur «Medienkunst» zählen Videokunst, computerbasierte Kunst wie Internetkunst oder Kunstprojekte mit mobilen Anwendungen, die mit Smartphones oder Tablets agieren. Solche Produktionen haben es in Kunstbetrieb schwer, sie werden zwar an Medienkunstfestivals gezeigt, kommen aber kaum über Galerien in Umlauf. 

Wie ist es mit der Videokunst?

In der Videokunst ist die Situation nicht mehr ganz so problematisch wie in den Achtziger- oder Neunzigerjahren, aber immer noch schwierig: Sie kann im Museum ihren Platz finden, es gibt aber fast keine Privatsammler dafür. Bei der Videokunst gibt es auch kaum Ko-Fördermöglichkeiten. Die Ernst Göhner-Stiftung ist einer der ganz wenigen privaten Förderer, der das überhaupt in Betracht zieht. 

Das sind viele Formate, die zum – teuren – Film hinzukommen. Deshalb das zweistufige Fördermodell mit der separaten Förderung ambitionierter Kinofilmproduktionen? 

Ja und nein. Der Anteil der Medienkunst wurde finanziell ja nicht ausgebaut. Der Ausbau soll vor allem dem Film zugute kommen und ermöglichen, dass den Projekten adäquate Beiträge gesprochen werden können – zum Beispiel eine Erhöhung von bisher 50ʼ000 auf neu 200ʼ000 Franken als Höchstbeiträge für die Herstellung, in der Basisförderung. Bei der zweiten Fördersäule fokussieren wir ganz auf die Förderung von Kinofilmproduktionen und reservieren hierfür mehr als die Hälfte des gesamten Förderbudgets, nämlich 1.5 Millionen. 
Die neue Fördersumme ermöglicht eine deutliche Verbesserung. Zumal der Betrag von insgesamt 2.7 Millionen Franken bei uns nur die Projekt- und Produktionsförderung umfasst. Das Bildrauschfestival oder Institutionen wie das Haus der elektronischen Künste oder das Stadtkino werden aus anderen Fördertöpfen subventioniert. In Bern hingegen schliesst die Filmförderung auch die Förderung der Filmkultur mit ein. 

Was halten Sie davon, wenn eine Deutschschweizer Filmförderung entstünde, ein Zusammenschluss der Regionalförderer von Bern über Basel bis und mit Zürich – analog zu Cinéforom? Wird das offen diskutiert?

Ich weiss, dass es vor meinem Amtseintritt solche Gespräche gab; da ging es um einen Nordwestschweizer-Verbund. Diese waren aber politisch nicht erfolgreich und sind versandet. In meinen Vorgesprächen mit Bern und Zürich haben wir daher nicht darüber gesprochen, sondern über die Abstimmung mit den anderen Fördermodellen. 

Wäre ein Zusammenschluss für sie aber denkbar? Die Nachteile der Parzellierung sind ja offensichtlich, gerade wenn man mit der Romandie vergleicht.

Man kann und sollte auf alle Fälle in diese Richtung weiterdenken, ja. Der Ausbau der Regionalförderung vor allem in Zürich hat ja dazu geführt, dass jene Förderregionen, die nicht mitziehen konnten, für ihre Filmschaffenden zum Standortnachteil wurden. Und aus dieser Situation wollten wir in Basel heraus. 
Was man dann allerdings diskutieren müsste, wäre die Ausrichtung einer solchen gemeinsamen Förderung, also die Frage nach dem Verhältnis von Standortförderung und autorenorientierter Kulturförderung. Ebenso natürlich die Frage nach dem Förderspektrum: Gehört etwa die Serienförderung, wie wir und die Romandie sie im Unterschied zu Zürich oder Bern vorsehen, mit hinein? Ich würde mich freuen, diese Diskussion überregio­nal zu führen.

 

Informationsveranstaltung an den Filmtagen: 

Die Geschäftsstelle Film und Medienkunst BS/BL präsentiert das neue Fördermodell ab 2016.
22. Januar, 10.15 bis 11.15 Uhr, im Solheure.

 

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