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Wie Festivals Filme auswählen


15. Februar 2016

Comment les festivals font-ils leur sélection ? Réponse durant la table ronde « Meet the Festivals » qui s'est tenue à l'occasion des Journées de Soleure avec des responsables de programmation des festivals de Cannes, d’Amsterdam, de Turin et de Karlovy Vary.


Wie wählen Festival-Kuratoren Beiträge aus? Antworten vom Panel «Meet the Festivals» an den Solothurner Filmtagen mit Programmverantwortlichen aus Cannes, Amsterdam, Turin und Karlovy Vary. 

Von Kathrin Halter

Die Frage kam gegen Schluss. Eine Zürcher Produzentin im Publikum monierte, es sei oft intransparent, wie die Filmauswahl von Festivals zustandekomme. Ihre Produktionsfirma zum Beispiel investiere viel Geld und Zeit, um Filme zu platzieren. Ob man also Genaueres darüber erfahren könne, wieviele und welche der Festivalfilme über die Vermittlung von Agenturen («sales agents»), über Festivalkuratoren («festival agents») oder über Produzenten-Freunde ausgewählt würden. 
Wie also wählen Festivals Filme aus? Antworten darauf gab es verschiedene, schon in den neunzig Minuten zuvor, schliesslich wollte das Podium unter der Leitung von Jasmin Basic (im Bild links) Einblick in den Selektionsprozess von vier internationalen Festivals geben. Für Filmschaffende wird es wohl trotzdem immer eine Gefühl von Intransparenz geben, gerade im Fall einer Ablehnung. Auch das war eine Einsicht, die man aus der Veranstaltung mitnahm. 

Filme mit Herz

Aber schön der Reihe nach. Nachdem die vier Gesprächsteilnehmer die künstlerische Ausrichtung ihrer – in Grösse und Profil sehr unterschiedlichen – Festi­vals kurz vorgestellt hatten, ging es zur Sache. Am einfachsten und schönsten sagte es Martijn te Pas vom Internationalen Dokumentarfilmfestival Amsterdam: «A film should have a heart», ein Film sollte ein Herz haben. Zudem, so Martijn te Pas, sollte ein Film durch formale Qualitäten herausragen; uninspirierte Dokumentarfilme mit Talking Heads, wie sie so oft im Fernsehen zu sehen seien, gebe es schon genug. Laurence Reymond (Bildmitte) von der «Quinzaine des réalisateurs» in Cannes (sie ist dort für die Kurzfilme verantwortlich) wiederum verlangt nach dem noch nie Gesehenen, oder umgekehrt formuliert, gewiss nicht nach dem schon zu oft Gesehenen, nach einer «Vision» also und nach «Ambition». Luca Andreotti (im Bild rechts) vom «Torino Film Festival» sucht das Dringende, das durchaus unperfekt sein dürfe: Wer Risiken eingehe, «die Regeln» nicht befolge, habe schon mal bessere Chancen, aufgenommen zu werden. Und: «If you don’t have a strong identity, you lose».
Gleichzeitig gibt es Zwänge, die wenig mit den Filmen an sich zu tun haben, sondern mehr mit der Ausgeglichenheit respektive Vielfalt des Programms. Zum Beispiel, so Anna Purkrabkova vom «Karlovy Vary International Film Festival», habe eine dritte Komödie vermutlich keine grosse Chance, wenn das Programm schon zwei enthalte. Auch Kriterien wie das Geschlecht bestimmen die Filmauswahl mit. 

Die Gender-Frage tauchte dann wieder in einem anderen Kontext auf, bei der Frage nach der Zusammensetzung der Auswahlkommissionen nämlich. Hier achte man auf eine gewisse Ausgewogenheit, nicht nur hinsichtlich des Geschlechts; auch die Herkunft werde in Amsterdam mitberücksichtigt (und statistisch ausgewertet), so Martijn te Pas. Mit der politischen Korrektheit wolle man es zwar nicht übertreiben, aber man müsse seine Grenzen kennen («you have to know your limitations»). Zuviel Demokratie sei nicht gut, befand auch Laurence Reymond, die für die Vorauswahl der Kurzfilmselektion zuständig ist, bevor Edouard Waintrop, der Leiter der Quinzaine (und Programmleiter der Genfer Grütli-Kinos), ins Spiel kommt. In Turin habe, so Luca Andreotti, sowieso der künstlerische Direktor das letzte Wort. 

Die Rolle der «Sales Agents»

Welche Rolle aber spielen nun Ratschläge von World-Sales, von Beratern, nationalen Filminstituten oder Promotionsagenturen wie Swiss Films? Anders gefragt: Haben eigenhändig eingereichte Filme ohne Vermittlung überhaupt eine Chance? 
Laurence Reymond gestand ein, dass in Cannes die Auswahl zumindest der Langfilme auch eine Frage der Politik sei. Und sie bedauert, dass sie es oft nicht mehr mit Produzenten, sondern fast nur noch mit «Sales Agents» zu tun hätten. 

Das sei in Turin anders, so Luca Andreotti, da die italienische Filmindustrie viel kleiner sei als die französische. Von den jährlich zirka 3’750 eingesandten Filmen würde etwa die Hälfte über «Sales Agents» eingebracht, die andere Hälfte gelange direkt zu ihnen. Es werde aber alles angeschaut von den Kommissionen, beschwichtigte er. 

Martijn te Pas meinte, in Amsterdam spiele die Vermittlung keine so grosse Rolle; Hoffnung gebe es für alle. Wichtiger sei, dass die Filme überraschten. Auch Anna Purkrabkova sagte, ohne «Sales-Agent» habe man ebenso gut eine Chance. Sie empfahl im übrigen, Programmgestalter des Festivals zu treffen. Und erinnerte daran, dass Festivals auch von sich aus nach Filmen Ausschau halten. Amsterdam und Turin etwa machen aufwändige Recherchen, pflegen ein grosses Kontaktnetz und suchen nach Beiträgen von Produzenten, deren Arbeiten man schätzt. 

Von Schweizer Filmen war nur am Rande die Rede. Wobei immerhin die Zusammenarbeit mit Swiss Films, etwa von Turin, positiv erwähnt wurde und es auch sonst nette und aufmunternde Worte gab – was nicht ganz glaubwürdig wirkte angesichts der Isolation, in der sich unser Land seit der Aufkündigung des Media-Abkommens befindet. Da hätte man gerne mehr und Konkreteres erfahren.


 

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