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«Die öffentlichen Förderungen denken hierzulande noch stark Kino-lastig»

Teresa Vena
07. Juni 2023

Still aus «Davos» © Contrast Film

«Davos» ist eine anspruchsvolle Serienkoproduktion zwischen der Schweiz und Deutschland. Ivan Madeo von Contrast Film, einer der Produzenten und Produzentinnen, beantwortete ein paar Fragen rund um die Fördersituation der Serie.

Die Dreharbeiten für «Davos» sind Mitte März abgeschlossen worden. Gedreht wurde in der Schweiz, aber auch zu einem grossen Teil in Deutschland, unter anderem im Studio. Aktuell befindet sich die Serie in der Postproduktion. Die Erstausstrahlung auf SRF und dem deutschen Sender ARD ist für den Winter 2023/2024 geplant. Es handelt sich dabei um ein Serienprojekt, das nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland zu den ehrgeizigsten gehört. Einige internationale Aufmerksamkeit blieb deswegen auch nicht aus. Nach mehreren Auftritten für die Serie während der Entwicklungsphase wurde «Davos» dieses Jahr zuerst ausführlich am Serienmarkt der Berlinale vorgestellt, dann am Series Mania in Lille und am MIPTV - The Spring International Television Market in Cannes. 

Ivan Madeo © Contrast Film

An der Berlinale erzählten Sie dem Fachpublikum mehr über die Produktionsherausforderungen Ihrer Serie. Insbesondere erwähnten Sie die Finanzierungssituation. Wie wurde die Serie insgesamt von den Förderstellen im In- und Ausland angenommen? Welche Unterstützung erhalten Sie angesichts der von Ihnen erwähnten Mehrkosten durch die Inflation?

«Davos» ist eine Koproduktion der Schweizer Contrast Film mit der Letterbox Filmproduktion aus Deutschland, welche zur Studio Hamburg Production Group gehört. Die Grundfinanzierung für das ursprüngliche Budget der Serie kam aus diesen zwei Ländern und konnte erfreulich schnell geschlossen werden. Doch die Teuerung der letzten Jahre hat unser Budget unfreiwillig in die Höhe getrieben und uns vor neue Herausforderungen gestellt. In der Schweiz sind das Schweizer Radio und Fernsehen SRF und die SRG SSR unsere Koproduktions- und grössten Finanzierungspartner und haben uns gerade in der schwierigen Situation der Teuerung sehr unterstützt. Ein weiterer wichtiger Senderpartner auf deutscher Seite ist ARD Degeto. Parallel dazu mussten wir aber weitere Förderquellen aufmachen, obwohl wir das Projekt längst ausfinanziert hatten. Da es in der Schweiz nur wenige zusätzliche öffentliche Fördermöglichkeiten gibt, haben wir uns umso mehr um Fördergelder aus dem Ausland bemüht. Am Ende ist «Davos» eine Schweizer Ausnahmeproduktion geworden, die zu fast der Hälfte mit ausländischen Mitteln finanziert werden konnte.

War eine Koproduktion mit Deutschland von Anfang an ein Ziel oder eine finanziell strategische Entscheidung?

Die Kooperation mit Deutschland war ein klares strategisches Ziel: aus inhaltlicher, künstlerischer und finanzieller Sicht. Der Produktionschef von Studio Hamburg, Michael Lehmann, war von Anfang an begeistert von «Davos» und sehr wichtig, damit wir dieses Projekt realisieren konnten.

Still aus «Davos» © Contrast Film

Ist die Erfahrung bei der Produktion einer Serie anders als bei einem Film? Fallen Ihnen die Stärken und Schwächen des schweizerischen und vielleicht auch des deutschen Fördersystems jetzt besonders auf?

Der grosse Unterschied zwischen der Schweiz und Deutschland im Serienbereich ist, dass es in der Schweiz mit wenigen Ausnahmen wie der Zürcher Filmstiftung, dem Teleproduktions-Fonds und vereinzelten Regionalförderungen im Entwicklungsbereich (aber eher mit kleineren Beiträgen) kaum öffentliche Förderungen für Serien gibt. Auf nationaler Ebene gibt es immer noch keine Serienförderung, zum Beispiel beim BAK, nicht einmal auf Ebene der Standortförderung FiSS. Das ist meines Erachtens ein Versäumnis und verhindert weitere grosse Schweizer Serienproduktionen wie «Davos» oder das Drehen ausländischer Serien hier bei uns in der Schweiz.

Insofern ist die Serienfinanzierung in der Schweiz derzeit in den meisten Fällen nur mit SRG-Sendern möglich. Es kann sein, dass jetzt die einen oder anderen Streamer dank der 4%-Investitionspflicht dazukommen, das muss sich aber noch konkreter bewahrheiten. Doch die öffentlichen Förderungen denken hierzulande noch stark Kino-lastig, was ich insofern bedauere, als ich den Blick nach vorne im Sinne einer Serienförderung nicht als Absage für die Kinoförderung sehe. Deshalb verstehe ich diese Hemmungen nicht, die Förderregularien hier in der Schweiz im Hinblick auf Serienförderungen anzupassen

In Deutschland hingegen gibt es auf nationaler Ebene den German Motion Picture Fund GMPF, eine Art DFFF für Serien (also eine BAK-Förderung für Serien). Daneben fördern inzwischen fast alle Länderförderungen (bei «Davos» waren es die Film-und Medienstiftung NRW, FFF Bayern, MOIN Hamburg Schleswig Holstein, MFG-Filmförderung Baden-Württemberg, nordmedia – Film und Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen etc.) Serienproduktionen, und zwar nicht nur auf Entwicklungsebene, sondern auch auf Produktions- und/oder Postproduktionsebene.

Deshalb sind wir bei «Davos» in die Situation gekommen, dass deutsche Förderungen essenziell für die Finanzierung dieser in der Schweiz spielenden Serie wurden. Dass das geklappt hat, ist einerseits unserem starken deutschen Produktionspartner Michael Lehmann von Letterbox und andererseits dem international relevanten Inhalt von «Davos» zu verdanken – das auf der Ebene der Besetzung und der Mitarbeiter ähnlich international weitergedacht wurde. So eine Möglichkeit ergibt sich nicht für jede andere Schweizer Serie in gleichem Masse, da die meisten Serien bei uns in der Schweiz inhaltlich noch recht «national» gedacht sind.



 

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