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Auf zu neuen Ufern

Adrien Kuenzy
07. April 2023

Hinnerk Schönemann vor dem Virtual Production-Screen © Filmstudio Basel

Das neu gegründete Filmstudio Basel setzt auf virtuelle Produktion, eine Technik, die buchstäblich den Horizont erweitert und gleichzeitig die Umweltbelastung verringert. «Lili» von Thomas Imbach wird der erste komplett damit gedrehte Schweizer Film sein.

Ein riesiger Bildschirm und dennoch herrscht schon beim Hereinkommen eine intime Atmosphäre. Das neu gegründete Filmstudio Basel des Produzenten Alex Martin hat seinen Sitz seit 2021 im ehemaligen UBS-Gebäude in der Basler Innenstadt, auf einer Fläche von rund 1000 Quadratmetern. Ohne Zögern erklärt er, zugleich Drehbuchautor und Regisseur, seine drei «S»: Small, Smart, Switzerland: «Als ich so an eine Tunnelszene in meiner Serie ‹Capelli Code› heranging, habe ich statt sechs Drehtagen bloss noch einen gebraucht.»

Die Weiträumigkeit des Studios beeindruckt – und ist doch nichts im Vergleich zu den Welten, in die die Bildschirme uns eintauchen lassen. Bei dieser hier verwendeten Methode, die in den USA häufig für Blockbuster genutzt wird, bewegen sich Schauspieler und Schauspielerinnen vor einem Bildschirm, auf dem die Projektion einer virtuellen Welt in Echtzeit läuft. Der Hintergrund wird mit den Bewegungen der Darsteller synchronisiert oder bewegt sich je nach Wahl der Regie direkt am Set. Beleuchtung und Requisiten im Vordergrund tragen ihren Teil dazu bei, um in der Optik der Kamera eine realistische und in sich geschlossene Umgebung entstehen zu lassen. Das ist der grundlegende Unterschied zum «Green Screen», der den Akteuren einiges an Abstraktionsvermögen abverlangt.

In diesem Fall ist es die Gestaltung der, je nach Bedarf, zwei- oder dreidimensional projizierten Hintergründe, die viel Vorbereitung erfordern - zum Beispiel etwa einen Monat für eine Stadtkulisse. «Die virtuelle Produktion macht Aussenszenen kalkulierbarer», sagt Alex Martin. «Die Planung vereinfacht sich, weil die Lichtsituation im Studio keinen Schwankungen unterliegt.»

Auftakt zu einer Schweizer Premiere: Nach einem langwierigen Finanzierungsprozess hat der Regisseur Thomas Imbach beschlossen, für seinen sich gerade in Vorbereitung befindenden Film «Lili» ganz auf die neue Technik zu setzen. Inzwischen wird seine Adaption von Arthur Schnitzlers Novelle «Fräulein Else» unter anderem mit 317‘000 Franken von der Stadt und 166‘000 Franken vom Land Basel unterstützt.

 

Weniger Aufwand

«Dank der neuen Möglichkeiten kann ich die Produktionskosten drastisch senken: weniger Pendelverkehr, ein halb so grosses Team, halb so viele Drehtage», erklärt Imbach. Für den Filmemacher heisst das, alte Gewohnheiten über Bord zu werfen. «Ich fühle mich wie einen Erstklässler. Die Rahmenbedingungen sind einfach nicht mehr dieselben. Die gesamte Optik samt Szenario muss lange vor den Dreharbeiten geplant werden. Wenn die Kamera einmal läuft, bleibt wenig Raum für Unvorhergesehenes. Die Einschränkungen zwingen mich dazu, meine Kreativität zu verdoppeln.»

Natürlich eignet sich diese Art des Drehens nicht für jeden und nicht für jedes Projekt. Wobei der ökologische Fussabdruck, der dabei entsteht, den einen oder anderen überzeugen könnte. «Grundsätzlich können wir durch virtuelle Produktion in allen Bereichen 80 Prozent CO2-Emissionen einsparen», so Alex Martin. Eine Berechnung mit dem «Swiss CO2 Calculator Film + Media» zeigt, dass der Unterschied zu klassischen Produktionen beim Imbach-Projekt hinsichtlich der besonders CO2-intensiven Sparten «Transport» und «Übernachtung» erheblich ist. Der Einsatz eines PCs zur Gestaltung der Hintergründe über sechs Monate hinweg verbraucht insgesamt 422 kWh. Für klassische Aussenaufnahmen wären laut Martin dafür zehn, mehrmals zwischen Basel und dem Engadin, hin- und herpendelnde Elektroautos mit einem Verbrauch von 6‘840 kWh bei insgesamt 300 zurückgelegten Kilometern, erforderlich gewesen. Eine Differenz, die angesichts der Notlage in puncto Klima ausschlaggebend sein kann.

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