Animation ist das Zaubermittel, das alles in Bewegung versetzt. Doch was heisst schon Bewegung? Figuren und Motive dehnen sich oder zerfliessen, sie drehen und fallen, hüpfen und springen, schrumpfen, explodieren. Und damit ist noch nichts über Farben und Oberflächen gesagt, über Ästhetik und Stimmung der Bildwelten. Auch das zeigt der Trailer zum Bachelor Animation auf der Website der HSLU, ein Zusammenschnitt von Abschlussfilmen der letzten Jahre. Die kleine Leistungsschau führt zugleich verschiedene Techniken vor, vom handgemalten Zeichentrick bis zur Computer- animation. Nice to meet you!
Seit 2002 wird an der Hochschule Luzern
ein Studium in Animation angeboten; bis heute
ist das schweizweit einmalig. Dank der Digitalisierung ist die Animation allerdings längst
in neue Bereiche vorgedrungen, ins Internet
also, zu den Games oder Mobile-Apps. Und
hier erwächst Luzern Konkurrenz von anderen
Hochschulen, der ZHdK zum Beispiel mit ihrer
Fachrichtung «Cast / Audiovisual Media», wo
ebenfalls mit neueren digitalen Erzählformen
im Netz experimentiert wird. Doch während
«Cast» – der Name leitet sich von Begriffen
wie Podcast oder Webcast ab – erklärungsbe-
dürftig bleibt und irgendwie modisch aufgepeppt anmutet, bietet das Animationsstudium
eine breitere Ausbildung. Auch Puppentrick-
Liebhaber finden hier Platz.
Rundgang in der Viscosistadt
Im Sommer 2016 ist die Hälfte der rund 600 Studierenden und 180 Mitarbeiter der Hochschule Luzern – Design & Kunst, der früheren «Kunsti» Luzern, in die Viscosistadt nach Emmenbrücke gezogen, darunter auch die Fachrichtung Animation. 2019 folgt die zweite Hälfte.
Auf dem über 80ʼ000 Quadratmeter grossen Areal der früheren Viscosefabrik haben sich über 80 Firmen und Kreativbetriebe niedergelassen; das Departement Design & Kunst hat sich im Bau 745 eingerichtet. Dieser wurde für rund 24 Millionen vom Architekturbüro EM2N aufwändig umgebaut, den Architekten also, die schon den Umbau der Toni-Molkerei für die ZHdK geschaffen haben.
Die 745 erblickt man schon von weitem, so selbstbewusst markiert die Hausnummer an der Aussenwand das Gebäude. Während manche der alten Industriebauten hier eher abweisend wirken, fühlt man sich im 745 gleich aufgehoben. Hohe Wände, warmes helles Licht, offen angelegte Grossraum-Ateliers. Jürgen Haas, der Leiter vom Bachelor Animation und Dozent an der Schule, führt durch das Haus. Es wird ein langer Rundgang durch Filmstudios, Schnittplätze und Werkstatt (im UG), das hauseigene Kino, Cafeteria und Ausstellungsflächen (im Erdgeschoss), die mit dem Neubau ab 2019 noch erweitert werden.
In einem Lagerraum findet sich ein liebe- voll hergerichtetes Set für einen Kinderfilm, eine märchenhafte Miniaturlandschaft in Grün, in deren Mitte eine kleine 360-Grad- Kamera aufgebaut wurde. Damit haben zwei Austausch-Studentinnen aus London und Gent kürzlich Animationen hergestellt. Diese werden nun im Rahmen eines Forschungs- projekts in Kooperation mit der SRG auf ihre Wirkung hin untersucht.
In der Animationsabteilung auf der ersten
Etage teilen sich die Studierenden aller Jahr-
gänge ein Grossraum-Atelier. Mobile Stell-
wände grenzen die Arbeitsplätze voneinander
ab und schaffen ein Gefühl von Privatheit. In
Glasvitrinen im Gang entdeckt man Puppen-
trick-Figuren aus Knetmasse und Kunststoff,
an den Zwischenwänden haben Studenten
auffallend viele Plakate von Hollywood-
Grossproduktionen aufgehängt – die findet
Jürgen Haas manchmal zweifelhaft, bemerkt
das aber so nebenbei und abgeklärt wie ein
Lehrer, der sich schon mit ganz anderen Seltsamkeiten abgefunden hat.
Ein Kurzfilm über Mimik
An ihrem Arbeitsplatz warten zwei Bachelor-Studenten aus dem dritten Semester, Nina Winiger und Louis Moerle. Aus einem Gestell blicken einen ausgedruckte Papiergesichter in Einmachgläsern an, die standen an einer Halloweenparty im Kühlschrank, erzählen sie grinsend. Beide arbeiten gerade an einem Kurzfilm zum Thema Gesichter, ab Februar wird dieser als Loop in der Ausstellung «Körpersprache / Mimik» im Historischen Museum Baden laufen. Zur Ausbildung im zweiten Bachelor-Jahr gehört eine Arbeit mit einem Kooperationspartner.
Den beiden ist aufgefallen, dass es vor allem Details sind, die man von Gesichtern wahrnimmt, die Formung der Augenbrauen, achfältchen, solche Dinge. Von dieser Beob- achtung ausgehend haben sie (mit einer wei- teren Kollegin) aus gezeichneten Umrissen zweier Gesichter eine Art Beziehungsreigen entworfen: Ein Mann und eine Frau streiten, flirten in neuer Formation wieder, es kommt zu Sex und neuem Streit. Erste Entwürfe sind auf Papier entstanden, danach wurde alles digital und in mehreren Durchläufen auf- gezeichnet. Louis Moerle findet zwar, dass beim Zeichnen am Computer Detailreich- tum, Charme, überhaupt «das Haptische» verloren gehe, und Nina Winiger gefallen die digitalen Farben weniger, das manchmal Leblose und allzu Regelmässige von digital gezeichneten Linien. Die Vorteile überwie- gen aber letztlich, nicht nur weil man digital leichter korrigieren kann, auch aus Zeitdruck und Kostengründen.
Und wie geht es für beide weiter? Nina Winiger plant noch ein Auslandsemester in Gent, Louis Moerle denkt schon an den Abschlussfilm, daneben arbeitet er als Grafiker. Ein Masterstudium ist für beide keine Option. Moerle kann sich vorstellen, nach dem Studium in einer Firma oder in einem «coolen kleinen Büro» in der Schweiz zu arbeiten, Winiger möchte sich am liebsten selbständig machen. Jobs gebe es ja genug, auch im Ausland.
▶ Originaltext: Deutsch