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Der Aufschwung der Animation aus Lateinamerika

Teresa Vena
26. Mai 2023

Der Chilene Gabriel Osorio erhielt für seinen animierten Kurzfilm «Historia de un oso» 2016 einen Oscar. © PunkRobot

Dieses Jahr widmet das Festival d’Annecy Mexiko einen Schwerpunkt. In wenigen Jahren hat sich die Animationsszene in Lateinamerika dynamisiert und sich international durchgesetzt. Das liegt nicht nur an den vorhandenen Talenten, sondern auch an den filmpolitischen Bemühungen.

Dass die Animationsfilmtradition in einigen Ländern Lateinamerikas viel älter ist, als die jüngsten Erfolge und ihre Sichtbarkeit vermuten lassen, zeigt sich bereits am Fokus in Annecy, das mexikanische Animation aus mehreren Jahrzehnten zeigt. Der allererste lange Animationsfilm der Filmgeschichte soll zudem aus Argentinien stammen: Die politische Satire «El Apostol» in Zeichentricktechnik von Quirino Cristiani entstand 1917. Und auch heute besitzt das Land eine produktive Animationsszene, genauso wie Brasilien, Chile, Mexiko und Kolumbien.

 

Internationale Erfolge

Durch den gezielten Austausch mit Künstlern aus Kanada erhielt Brasilien entscheidende Impulse, die in den 1980er Jahren zur Gründung vieler Studios und 1993 des spezialisierten Festivals Anima Mundi in São Paolo und Rio de Janeiro führte. Die öffentliche Hand zog mit, und bis 2016 entstanden rund fünf Spielfilme im Jahr. Einer davon ist «Der Junge und die Welt» von Alê Abreu, der 2013 für die Oscars nominiert wurde und viele Preise gewann, auch den Hauptpreis in Annecy. Trotz Wirtschafts- und Politikkrise breche die Produktion nicht ab, sagt die Filmwissenschaftlerin Rosangela de Araujo. So zählte man 2019 25 Spielfilme und 45 Serien in Planung.

 

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Der erste animierte lateinamerikanische Kurzfilm, der einen Oscar gewann, war 2016 «Historia de un oso» von Gabriel Osorio und stammt aus Chile. Für das Studio PunkRobot sei dies im Vergleich zu den verfügbaren Ressourcen ein enormer Erfolg gewesen, sagt Animationsfilmemacher Cristian Morales Hernandez, der viele Auftragsarbeiten macht. Für bessere Arbeitsbedingungen setzen sich der Verband Chilean Animation sowie die Fundación Chilemonos ein, die seit zehn Jahren auch das gleichnamige spezialisierte Festival organisieren.

Das sei auch für Kolumbien nötig, meint Liliana Rincón, Besitzerin des Studios 3dados Media, das mit «Sabogal» 2015 den ersten kolumbianischen langen Animationsfilm im Wettbewerb von Annecy gestellt hat. Wertvoll sei das Engagement des Staatssenders RTVC Play, der viel Animation produziere.

Argentinien hat eine hohe Dichte an Studios, wovon viele Auftragsarbeiten auch für das Ausland übernehmen. Wie die meisten international erfolgreichen lateinamerikanischen Studios sind auch sie auf Inhalte, bevorzugt Serien, für Kinder spezialisiert. Auf den Festivals beweisen Autoren wie Juan Pablo Zaramella («Luminaris» gewann 2018 über 300 Preise), was Animation auch für ein erwachsenes Publikum zu bieten hat.

 

2013 kam Alê Abreus langer Animationsfilm «O Menino e o Mundo» in die Kinos. © Grandfilm GmbH

 

Gemeinsame Lobbyarbeit

Aus Mexiko stammen Namen wie Jorge R. Gutierrez oder Guillermo del Toro, die sich in den USA etablieren konnten. Das Studio Ánima mit Hauptsitz in Mexiko-Stadt hat die erste Netflix-Original-Zeichentrickserie geliefert, die aus einem nicht-englischsprachigen Land stammt. Del Toros Heimatstadt Guadalajara kennt ebenfalls eine dynamische Animationsszene, hier findet seit 2011 das Festival Pixelatl statt, das mit «Ideatoon» ein lateinamerikaweites Industrietreffen anbietet.

Das Festival arbeitet auch mit der Branchenveranstaltung «Animation!» (angegliedert an Ventana Sur) aus Buenos Aires zusammen. Weitere übernationale Initiativen, die Koproduktionen fördern, und den Stand der Animation nach innen wie nach aussen stärken sollen, sind in den letzten Jahren entstanden. Etwa 2019 der Dachverband «La Liga» oder die Preisverleihung «Premios Quirinos», die auf Teneriffa ausgerichtet wird und zusätzlich Spanien und Portugal einbezieht. Ventana Sur arbeitet eng mit Cannes zusammen, «Ideatoon» mit Annecy (Short Way) und Cartoon Network (Pitch me the future). Diese Bemühungen zeigen Früchte, wenn man beispielsweise liest, dass ebenfalls seit 2019 Annecy über «Animation du Monde» 63 Einreichungen aus Lateinamerika erhalten hat.

Wenn auch jedes Land Lateinamerikas mit eigenen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen hat, begünstigen offenbar eine ähnliche Lebensrealität und die gleiche Sprachfamilie die Zusammenarbeit.

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